Integration als große Herausforderung

Kemnath. Es war ein kleiner, aber feiner und sehr illustrer Kreis, der sich kürzlich zur Demokratiekonferenz des Landkreises Tirschenreuth in der Kemnather Mehrzweckhalle traf. Dabei ging es um das Gelingen der Integration von Migranten und Flüchtlingen.

Demokratiekonferenz Kemnath

Von Udo Fürst

Über dieses Thema sollte eigentlich Mitra Sharifi, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns (AGABY) sprechen, doch musste die erkrankte Sharifi kurzfristig absagen. So stand das Referat von Talentscout Ludwig Simek von Migranet, dem IQ-Landesnetzwerk Bayern („Integration durch Qualifizierung“) im Mittelpunkt der Veranstaltung. Der Regensburger berichtete über das AGABY-Projekt „Beruflich Anerkannt?!“, das zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen berät.

Bunt gemischt war die Schar der Teilnehmer an diesem Abend: Von Landrat Wolfgang Lippert und den Bürgermeistern Werner Nickl (Kemnath) und Ludwig König (Brand/Opf.) über den Kreisjugendringvorsitzenden Jürgen Preisinger, Thomas Döhler vom Netzwerk „Aktiv gegen Rechts” und Arno Speiser, von der Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus für Oberfranken und Oberpfalz aus Weiden bis hin zu „ganz normalen“ Bürgern und Bürgerinnen zeigten sich als interessierte und engagierte Diskutanten.

Demokratiekonferenz Kemnath

Nach der Begrüßung stellte Stefan Denzler von der im Evangelischen Bildungszentrum Bad Alexandersbad beheimateten Koordinierungsstelle des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ die Aufgaben seiner Organisation vor. So erhält der Landkreis Tirschenreuth seit 2015 Fördergelder vom Bund zur Demokratiestärkung im ländlichen Raum. Das Programm “Demokratie leben!” des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) unterstützt mit mehr als 40 Millionen Euro zahlreiche Initiativen, Vereine und Einzelpersonen, die mit ihrem Engagement demokratiefeindliche und menschenverachtende Ideologien und Einstellungen wie Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Antiziganismus, Homophobie und andere zurückdrängen und für ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander einstehen.

Gemeinsam Strategien entwickeln

„Das Programm setzt auf verschiedenen Ebenen an: Ziel ist es, Projekte sowohl mit kommunalen als auch mit regionalem und überregionalem Schwerpunkt zu fördern. Die Landkreise Wunsiedel, Tirschenreuth, Hof und die Stadt Hof sind dabei vier von bundesweit 218 Kommunen, die von 2015 bis 2019 im Programmbereich “Partnerschaften für Demokratie” gefördert werden“, erläuterte Denzler. Er appelliere an alle Interessierten, sinnvolle Projekte anzustoßen, für die es nächstes Jahr voraussichtlich noch mehr Geld gebe. In den Partnerschaften kämen die kommunale Politik und Verwaltung sowie Aktive aus Vereinen und Verbänden über Kirchen bis hin zu bürgerschaftlich Engagierten zusammen. Anhand der lokalen Gegebenheiten und Problemlagen entwickelten sie gemeinsam eine auf die konkrete Situation vor Ort abgestimmte Strategie.

Zentrales Instrument sei dabei ein Fördertopf, der sogenannte Aktions- und Initiativfonds, mit dem Projekte vor Ort finanziell bezuschusst werden. Denzler: „Pro Gebietskörperschaft stehen jährlich 20.000 Euro zur Verfügung – für die gesamte Förderperiode von fünf Jahren also 100.000 Euro, jeweils für die vier Landkreise und die Stadt Hof. Die Kommunen werden durch kostenfreie Beratungs- und Coachingangebote begleitet. Diese werden durch das Bundesamt entwickelt, koordiniert und zur Verfügung gestellt.“

Brücke in die Beschäftigung

Demokratiekonferenz Kemnath

Ludwig Simek erklärte dann die Arbeit von Migranet, die auf zwei Säulen basiere: Der Anerkennungsberatung, eine Erstberatung und eventuelle Weiterleitung an die Anerkennungsberatungsstelle in Augsburg sowie der Laufbahnberatung, in der Lösungsansätze im Fall von fehlenden Unterlagen und/oder Kompetenzfeststellung gesucht werden. Das Landesnetzwerk berate Flüchtlinge unabhängig und neutral, Bildungsadäquat, mit Respekt, vertraulich und individuell. Der Coach führte Beispiele gelungener und auch weniger erfolgreicher Beratungen und Anerkennungen vor. Dazu gehörten ein Apotheker aus Syrien, ein Petro-Ingenieur aus dem Irak und eine bulgarische Pflegehelferin. Ludwig Simek erläuterte auch die Aufgaben eines Integrationsbeirates, deren Besetzung und wie wichtig sie seien. Er zitierte die Bundesministerin für Bildung und Forschung Johanna Wanka: „Das Anerkennungsgesetz wirkt. Berufsanerkennung ist für Menschen mit einem ausländischen Bildungsabschluss eine Brücke in eine Beschäftigung, die ihrer Qualifikation entspricht. Das hilft bei der Arbeitsmarktintegration.“ Der Migranet-Coach betonte, dass er bei Bedarf auch gerne in den Landkries Tirschenreuth komme.

Lob für alle Helfer

Landrat Wolfgang Lippert meinte, dass die von Simek geschilderten Probleme vor allem in den Helferkreisen aufschlügen. „Ihre Beratung ist enorm wichtig.“ Der Landrat lobte das riesengroße Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer bei der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik im vergangenen Jahr und freute sich, dass man im Landkreis seit September zwei Integrationsbeauftragte beschäftige. Jetzt seien vor allem die Integration der Neubürger und deren Unterbringung gefragt.

Wir haben in Wiesau sechs Integrationsklassen, die aus allen Nähten platzen.

Eine große Aufgabe sei es, für die mehr als 200 im Landkreis lebenden anerkannten Flüchtlinge geeignete Wohnungen zu finden. Insgesamt lebten 605 Flüchtlinge im Landkreis, davon seien 336 dezentral und 205 in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Das Bundesprogramm Demokratie leben bezeichnete er als hervorragende Einrichtung, deren Mitstreiter enorm wichtige Arbeit leisteten. „Machen sie mit, um die strategischen Ziele mitzubestimmen“, appellierte Lippert an die Konferenzteilnehmer.

Bewusstsein der jungen Leute schärfen

Elisabeth Pohler berichtete, wie schwierig es sei, Jugendlichen die Flüchtlingsproblematik nahezubringen. Sie habe schon vor Jahren eine Art Jugendtreff eingerichtet, bei dem junge Menschen aller Nationalitäten willkommen seien. „Dabei musste ich aber feststellen, dass viele Einheimische ab einem bestimmten Alter nicht mehr kommen, wenn Ausländer dabei sind.“ Es sei wichtig, das Bewusstsein dieser jungen Leute zu schärfen, denen allzu oft Empathie und Aufgeschlossenheit fehlten. „Die Erziehung dafür müsste schon im Elternhaus beginnen“, so Pohler.

Bürgermeister Ludwig König erzählte von einem ganz praktischen Beispiel, einer in Brand lebenden Ärztin aus Bosnien-Herzegowina und den Problemen, für sie eine Zulassung zu bekommen. „Wir könnten sie dringend brauchen, nachdem ein Arzt in Neusorg aufgehört hat.“ Landrat Lippert versprach, sich darum zu kümmern.

Integration braucht Räume

Heidrun Schelzke-Deubzer wusste von Riesenproblemen studierender Flüchtlinge im Landkreis wegen fehlender Universitäten. Anschließend lobte sie wie auch Stefan Denzler den Landkreis für das große Engagement bei der Flüchtlingsproblematik. Ludwig Simek erklärte, dass seine Organisation auch diese Menschen berate. „Integration braucht Räume“, sagte Theresa Kunz vom „Demokratie leben“-Begleitausschuss und bemängelte, dass es im Landkreis keinen Raum gebe, in dem sich Flüchtlinge treffen könnten. Landrat Lippert wollte sich diesen Schuh nicht anziehen und entgegnete: „Das ist Aufgabe der Kommunen. Der Landkreis hat keine Räume.“

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