Den Zuschauer „auf einer sinnlichen Ebene berühren und verzaubern“

Leuchtenberg. Das Landestheater Oberpfalz (LTO) hat am vergangenen Samstag die Theatersaison auf der Burg Leuchtenberg mit Shakespeares „Sommernachtstraum“ eröffnet. Der Künstlerische Leiter Till Rickelt inszeniert die Komödie um die Irrungen und Wirrungen mehrerer Liebespaare kurzweilig und ohne unnötige Längen. Dem OberpfalzEcho hat er ein paar Fragen zur Inszenierung beantwortet.

Von Gabi Eichl

Die Kostüme sind etwas gewöhnungsbedürftig. Eine bunte Mischung aller möglichen Stile quer durch die Jahrhunderte. Was möchten Sie dem Zuschauer damit sagen, Herr Rickelt?

Till Rickelt regisseur LTO
Till Rickelt, Künstlerischer Leiter des Landestheaters Oberpfalz (LTO), hat Shakespeares „Sommernachtstraum“ kurzweilig und ohne unnötige Längen inszeniert. Foto: LTO

Was die „bunte Mischung quer durch die Jahrhunderte“ angeht, würde ich widersprechen wollen: tatsächlich haben wir bei der Kostümauswahl fast ausschließlich Kostüme aus dem 20. Jahrhundert verwendet. Der Fürstenhof, die Liebenden und die Handwerker sind erkennbar zeitgenössisch gekleidet. Im Feenreich sieht es naturgemäß etwas anders aus, denn dort herrschen sowohl andere Regeln als auch ein anderes Zeitempfinden und deshalb auch eine andere Ästhetik, die sich in den dortigen Kleidungsgepflogenheiten niederschlägt. Als meine Kostümbildnerin Eva Schwab und ich das Konzept für die Elfenkostüme entwickelt haben, war uns sehr wichtig, dass diese in ihrer optischen Erscheinung einen chaotischen und durchaus auch theatralen Eindruck machen – ganz gemäß der Rolle der Elfen im Stück, wo diese auch Symbol der erotischen Ambivalenz und der Fantasie sind. Diese Elfen sind also durchaus als Theaterfiguren lesbar. Primär orientiert sich die Kostümauswahl an den Gegenpolen Athen=Ordnung/Tag/Rationalität und Wald/Elfen=Chaos/Fantasie/Nacht/Traum/Erotik/Unbewußtes.

„Der chaotischen Stückvorlage gerecht werden“

Die moderne Schwerpunktsetzung und der spezifische Charakter der Elfenkostüme geschah nicht zuletzt aus der Motivation heraus, der sowohl inhaltlich wie stilistisch absichtlich uneinheitlichen und chaotischen Stückvorlage Shakespeares gerecht zu werden. Diese zeichnet sich auch durch verschiedene Stilebenen, Handlungsstränge und die Kombination verschiedener historischer Epochen wie beispielsweise die griechische Antike und die englische Feenwelt der Renaissance aus. Nach meinem Empfinden wäre daher eine Verortung im Athen der griechischen Antike eine simplifizierende Reduktion des komplexen Stoffreichtums, den wir im „Sommernachtstraum“ vorfinden. Lediglich im sogenannten „Rüpelspiel“ der Handwerker haben wir uns erlaubt, die durchaus vorhandene Aufführungstradition (wie man sie beispielsweise aus der legendären Inszenierung von Max Reinhardt kennt) mit Hilfe der Kostüme persiflierend zu zitieren.

Landestheater Oberpfalz LTO Premiere Sommernachtstraum
Puck (vorne) und die Elfen: (von links) Christina Götz, Doris Hofmann, Renate Tölzer, Linde Hammer – die Kostüme sind bunt wild und jedes ist anders. Foto: LTO

Sie haben den „Sommernachtstraum“ sehr modern inszeniert. Warum nicht konsequenterweise Berlin statt Athen. Zum Beispiel. Oder Till statt Lysander, Sophie statt Hermia? Oberon und Titania hätten als Wesen aus einer anderen Welt dennoch bleiben können.

Im elisabethanischen Theater gab es noch keine historisierenden Aufführungspraxen. Das bedeutet, dass die Darsteller auf der Bühne in den für sie zeitgenössischen Kostümen gespielt haben. Zudem ist grade Shakespeare extrem frei in der Zuordnung historischer Kontexte – er benutzt sie lediglich als grobe Blaupause für Themen und Stimmungen, die in seiner Zeit aktuell waren. Zum Beispiel schlagen im Stück „Julius Cäsar“ die Uhren, obwohl es unbestritten im antiken Rom keine Uhren mit Schlagwerk gab. Das heisst, eine historisierende Aufführung aus der Sicht des 21. Jahrhunderts heraus müsste die Figuren eigentlich in elisabethanische Kostüme und auf eine Bretterbühne stecken. Und Frauen von der Bühne verbannen.

„Dem Publikum etwas über sich selbst sagen“

Deshalb ist unsere Inszenierung nicht modern per se, sondern eigentlich ein Ausdruck der grundlegenden Idee, die Shakespeare für alle seine Stücke hatte: nämlich, dass sie dem Publikum, dem sie vorgespielt werden, etwas über sich selbst und ihre Zeit sagen können. Dabei operieren die Texte immer mit verschiedenen Ebenen: Der „Sommernachtstraum“ spielt in Athen, und spielt doch auch in der Zeit von Shakespeare, spielt aber genausogut auch im 21. Jahrhundert. Die große Behauptung des Theaters, dass das, was wir da sehen, wahr und authentisch ist, ohne wirklich real zu sein, treibt Shakespeare auf meisterliche Höhen. Deshalb ist es auch heute noch eine Herausforderung und ein Genuß, seine Texte zu inszenieren – eben weil sie so komplex und vielschichtig sind und sich nicht mit einem einfachen Gegensatz wie „klassisch oder modern“ abhandeln lassen. Aus diesem Grund haben wir auch bewusst vermieden, das Stück an einen konkreten Ort anzusiedeln, oder den Text in Mundart zu übersetzen, oder Figurennamen „einzudeutschen“: durch diese so erhalten bleibenden Mehrdeutigkeiten haben wir uns dem Stück und seiner von uns empfundenen Intention näher gefühlt.

Landestheater Oberpfalz LTO Premiere Sommernachtstraum
Das Bühnenbild kommt ohne viel Schnickschnack aus. Foto: LTO

Das Bühnenbild ist minimalistisch. Absicht oder dem Etat geschuldet?

Natürlich hat das Landestheater Oberpfalz nicht den Ausstattungs-Etat des Residenztheaters in München, aber unser Sommernachtstraum-Bühnenbild ist gar nicht so unaufwendig: die beweglichen Teile und die dazugehörige Unterkonstruktion müssen bei uns hohe Sicherheitsanforderungen erfüllen. Wie man deutlich an den Inszenierungsfotos des „Sommernachtstraums“ erkennen kann, ist die Schlichtheit der Bühne unterstützt von der Beleuchtung eine perfekte Plattform, von der sich die Figuren hervorragend abheben. Es war unser Wunsch, die Konzentration der Zuschauer auf das Spiel der Figuren im Raum zusammen mit der wundervollen Sprache Shakespeares zu lenken. Die große theatrale Stärke des elisabethanischen Theaters speist sich nicht zuletzt aus den physischen Bedingungen der damaligen Theaterpraxis: statt durch aufwendige Kulissen wurden Schauplätze durch die Wortkulisse in der Imagination des Publikums erzeugt. Grade in einem Stück wie dem „Sommernachtstraum“, in dem Fantasie eine große Rolle spielt, war es uns wichtig, die assoziative Kraft des Publikums durch ein passendes Bühnenbild anzuregen.

Ihre Inszenierung in zwei Sätzen zusammengefasst.

Die große Genialität von Shakespeare zeichnet sich dadurch aus, dass er im „Sommernachtstraum“ intuitiv für die Thematik der Liebe das Symbol der Magie erfunden hat. Wir haben versucht, für diese Magie eine Form zu finden, die ein heutiges Publikum auf einer unmittelbaren und sinnlichen Ebene berührt und verzaubert.

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