Ein Berg Strafanzeigen – 200.000 “Schwarzfahrer” in acht Jahren

Bärnau/Weiden. Polizeihauptmeister Klaus Ertl ist ein Mann der ersten Stunde bei der Zentralen Bußgeldstelle für Fahrgelddelikte (ZBFD). Inzwischen gibt es bereits die zweihunderttausendste Akte. Und das obwohl “Schwarzfahren” alles andere als ein Kavaliersdelikt ist. 

“Wir sind sehr gut ausgelastet”, meint Klaus Ertl. “Die Zahlen steigen und im Jahr gehen etwa 30.000 Akten über unsere Schreibtische. Dazu muss man wissen, dass Schwarzfahren kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat ist, das Erschleichen von Leistungen genannt wird.” Die ZBFD wurde 2009 in Bärnau gegründet und bearbeitet jetzt mit 37 Mitarbeitern in Bärnau und Weiden das Massendelikt “Schwarzfahrten” von den Bahnverkehrsunternehmen aus ganz Bayern. 2016 wurden zusätzlich 13 Tarifbeschäftigte aus dem regionalen Bereich eingestellt, die für die Bezwingung des Aktenbergs unbedingt von Nöten sind.

Über 801 Meter-Aktenstapel

Ertl blättert gerade in einem ganz besonderen Vorgang. Es handelt sich um die zweihunderttausendste Akte seit Bestehen dieser Institution der Bundespolizei. Zweihunderttausend “Schwarzfahrer” in acht Jahren alleine in Bayern. “Damit wird klar, dass dieses Delikt auch beträchtlichen volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet”, sagt Polizeihauptkommissar Richard Seidl, der Leiter der Zentralstelle und wie Ertl ein “Urgestein”.

Er und seine Mitarbeiter haben ausgerechnet, dass die übereinander gestapelten Akten einen Berg zwischen Weiden und Bärnau ergäben, der in seiner Höhe den Fahrenberg (801 Meter) deutlich überragen würde. Ein symbolisches Mahnmal sozusagen gegen die mangelnde Zahlungsmoral von Bahnreisenden.

20 Haftbefehle pro Monat

Die Staatsanwaltschaften in Bayern loben die ZBFD für ihre akribischen Ermittlungen. Eine Strafanzeige der ZBFD gipfelt daher nicht selten in Gerichtsurteilen mit bemerkenswerten Strafen. “Monatlich werden rund 20 Haftbefehle erlassen und es kommt zu etwa 300 Verurteilungen”, weiß Seidl.

Kurioseste Strafe: Häkelstunden statt Geld

Darunter waren heuer: ein Jahr Gefängnis für 24 “Schwarzfahrten” oder 4.400 Euro Geldstrafe für eine Fahrt ohne Ticket, das gerade einmal 5,40 Euro gekostet hätte. “Ein kurioses Urteil liegt schon ein paar Jahre zurück,” erinnert sich Ertl schmunzelnd. “Eine Frau ohne Einkommen wurde vom Gericht zum Häkeln von fünf Mützen für eine soziale Einrichtung verdonnert.” Ertl legt die “Jubiläumsakte” beiseite und stürzt sich wieder in die Sachbearbeitung, dem nächsten “Rekord” entgegen.

Die ZBFD gehört zur Bundespolizeidirektion München und ist räumlich an die Bundespolizeireviere in Bärnau und Weiden angegliedert. Die Stelle wurde 2009 ins Leben gerufen, um die Bundespolizeiinspektionen in Bayern bei der Sachbearbeitung von diesem Massendelikt zu entlasten. Bundesweit existieren noch vier weitere Stellen mit ähnlicher Struktur.

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