“Tante Emma”: Es gibt sie noch – in Neustadt

Neustadt/WN. Jeder Neustädter fährt mehrmals am Tag daran vorbei. Viele kaufen dort gerne ein. Die Rede ist vom letzten Tante Emma Laden in Neustadt – Lebensmittel Kraft. Ein Blick hinter die Kulissen…

Von Yvonne Sengenberger

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Roland und Beate Kraft in ihrem Laden – vor allem mit frischem Obst und Gemüse locken sie die Kunden. Fotos (3): Christine Flor/Druckerei Kollerer

Die Tür geht auf. Es läutet. Ein neuer Kunde. An der Kasse im Laden hat sich mittlerweile schon eine kleine Schlange gebildet. Von weiter hinten hört man jemanden rufen: „Beeeeaaateeee! Ham wir no a Hefe?“ Es ist Roland Kraft. Er flitzt von einem Regal zum nächsten und von einem Gast zum anderen. Während seine Frau Beate an der Kasse sitzt. „Ja, da müsste noch eine da sein!“ Die beiden sind ein eingespieltes Team. „Seit 50 Jahren gibt es das Geschäft mittlerweile,“ erzählt der Neustädter. „Mein Vater hat eigentlich ‘ne Wirtschaft gehabt. Dann ist er mal durch Neustadt gefahren und hat gesehen, dass da gegenüber der Laden frei war. Und so hat das dann alles angefangen.“ Schon früh steigt auch Sohn Roland mit ins Geschäft ein. Wenig später gehört auch Beate quasi zum Inventar.

14 Jahre kein Tag Urlaub

Der Laden ist ihr Leben. 14 Jahre lang haben die Krafts nicht einen Tag Urlaub gemacht! Haben sogar am Tag ihrer standesamtlichen Hochzeit bis kurz vorm Termin noch Lebensmittel verkauft. Mittlerweile gönnen sie sich wenigstens eine Auszeit von zwei Wochen im Jahr. Da bleibt der letzte Neustädter „Tante-Emma-Laden“ dann geschlossen. Die Kunden können‘s verstehen, aber sie freuen sich, wenn endlich wieder offen ist. Oft warten sie am Montagmorgen schon weit vor halb sieben vor der Tür.

Es ist so eine heimelige Atmosphäre hier! Ich kaufe gern bei den Krafts,

schwärmt Anna Fritsch. Wie 80% der Kunden gehört auch sie zu den Stammkunden. „Im Grunde sind unsere Kunden auch ein bisschen Familie. Wir wissen, wenn jemand krank ist, was die Kinder so treiben oder was sie sonst so bedrückt“, erzählt Beate. Ist das vielleicht das Geheimrezept? Immer freundlich, immer hilfsbereit, immer für die Kundschaft da. Die Krafts beliefern die Schulen und fahren den älteren Neustädtern die Einkäufe auch bis vor die Haustüre. Service wird eben ganz groß geschrieben. Denn nur dadurch unterscheiden sie sich von den großen Supermärkten.

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Roland Kraft: Der geschickte Verkäufer

Dann wird es wieder etwas ruhiger. Nur eine ältere Dame steht vorm Laden. Sie kann die drei Stufen im Eingangsbereich nur mit großer Mühe hochsteigen. Aber das muss sie ja auch gar nicht. Denn schon steht Roland Kraft am Treppenabsatz. „Was brauchen‘s denn?“ „Milch, Eier und eine Tafel Schokolade“, antwortet sie und drückt Roland ihren Geldbeutel in die Hand. Der verschwindet schnell im Laden und kommt kurze Zeit später wieder – mit den gewünschten Einkäufen. So einfach kann es sein.

Schon wird es wieder voller. Ab und zu muss man sich regelrecht zwischen Kunden und deckenhohen Regalen hindurchschlängeln. Ein Mann möchte ein Huhn für den Sonntag. Leider aus! Aber das macht nichts. Denn Roland Kraft hätte den Laden in Neustadt nicht schon seit 50 Jahren, wenn er nicht ein ausgewiefter Verkäufer wäre. Also, gibt’s statt Huhn am Sonntag eben Ente. Und während Beate diese an der Kasse einpackt, erfüllt Roland schon die nächsten Kunden-Wünsche. Der Nächste möchte zum Beispiel wissen, was denn eigentlich der Unterschied zwischen Konfitüre und Marmelade sei – und wird auch sofort aufgeklärt und natürlich beraten. Manchmal könnte man fast meinen, man sei in einer kleinen Boutique.

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Obst und Gemüse am wichtigsten

Am wichtigsten ist für die Krafts der Verkauf von Obst und Gemüse. Deshalb achtet Roland auch immer penibel darauf, dass alles frisch und von guter Qualität ist. Da kann es dann durchaus mal passieren, dass man eigentlich nur ein paar Kartoffeln kaufen wollte, aber man dann den rot glänzenden Erdbeeren oder den grün leuchtenden Äpfeln nicht widerstehen kann. Das gilt aber nicht nur für die Frische-Abteilung.

Es grenzt sowieso beinahe an ein kleines Wunder, was die Krafts in ihrem Geschäft so alles unterbringen. Von einer großen Auswahl an Schokolade gleich beim Eingang, über Mehl, Putzmittel in der hinteren Ecke, dem Wein gleich gegenüber, über Wurst, Käse, Joghurt und marinierten Fisch aus der Kühltheke und frische Semmeln und Kuchen bis hin zum Schnupftabak und Kaugummi an der Kasse, gibt es hier wirklich alles. „Manchmal kommen die Leute und sagen schon von vornherein: ‚Ich bräuchte das und das, aber das habt ihr bestimmt nicht!‘ und dann sind sie total überrascht, dass wir’s doch haben!“, lacht Beate. Und dabei gibt es sogar Leute, die extra aus Weiden anreisen – nur wegen Stangerln und Kringeln. Die sind, wie Quark und Milch auch, aus der Region.

Die Konkurrenz zu den großen Supermärkten in Neustadt fürchten die beiden deshalb auch kaum.

Ja, es ist schon schwierig geworden. Aber wir kämpfen weiter!

Einen Nachfolger gibt es bis jetzt allerdings noch keinen – Sohn Matthias wollte nicht in die Fußstapfen von Opa und Vater steigen. Er zog eine Karriere beim Finanzamt in der Landeshauptstadt, dem kleinen Lebensmittel-Laden in der Heimat vor. Da können wir Neustädter nur hoffen, dass Beate und Roland uns noch lange erhalten bleiben. Und wer weiß, vielleicht finden sie ja doch irgendwann noch einen würdigen Nachfolger.

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-Anzeige- Fotos: Mit freundlicher Unterstützung der Druckerei Kollerer in Neustadt: www.kollerer-druck.de | Tel. 09602-1383

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