Der Schweizer, dem die Pferde vertrauen: “Nur die Berge sind in der Oberpfalz kleiner!”

Neuhaus/Theisseil. Wie kommt man auf die Idee Hufschmied zu werden? Und wie kommt man auf die Idee, aus der schönen Schweiz als Hufschmied sein Glück in der Oberpfalz zu suchen? Flurin Bärlocher hat genau das getan. Und wir haben ihm bei der Arbeit mal ein wenig auf die Finger geschaut. 

Von Yvonne Sengenberger

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Flurin Bärlocher ist Hufschmied mit Herz und Seele.

Romeo steht geduldig im Stall. Links und rechts ist der Haflinger-Wallach angebunden. Er soll ja auf keinen Fall einfach abhauen. Das stört Romeo aber auch gar nicht. Während Frauchen Eva Lukas (23) Romeo putzt und mit einer kleinen Bürsten-Massage verwöhnt, bereitet sich Flurin Bärlocher auf die Arbeit am Pferd vor. Der Haflinger bleibt weiter unbeeindruckt, auch als Flurin dessen Huf auf einen Bock stellt und mit einer Art Brecheisen das alte Hufeisen ablöst. Er schnuppert nur kurz am Hintern seines Fußpflegers und begutachtet dann die in der Ecke stehenden Futterboxen ein wenig genauer.

“Flurin ist der Beste!”, schwärmt Romeos Frauchen, während sie wiederum den Hintern des Haflingers sachte striegelt. “Früher hat Romme (Anm.: Romeos Spitzname) immer voll den Terz gemacht. Mein Vater musste sein Bein mit aller Kraft festhalten, wenn der Hufschmied kam. Teilweise haben sie ihn zu zweit gehalten”, erzählt Eva weiter. Mit Flurin sei das anders.

Er strahlt so eine Ruhe aus. Und das beruhigt glaube ich auch die Pferde.

Dabei ist der 13-jährige Wallach wahrlich kein einfacher Kunde. Vor ein paar Jahren hatte er eine Hufrehe. Dabei ist der Fuß des Pferdes entzündet und schmerzt dem Tier bei jedem Schritt. Jeder Druck und jedes Klopfen ist eine Qual für das Pferd. Mittlerweile ist die Rehe verheilt. Auf Druck reagiert Romeo aber immer noch empfindlich. “Wenn der damalige Hufschmied die Nägel eingeschlagen hat, ist Romeo immer durchgedreht.” Mit speziellen Einlagen soll ihm das Laufen angenehmer gemacht werden. Aber dafür muss auch ein Hufeisen an den Huf. Als Flurin die Nägel in den Huf schlägt, zuckt Romeo nur kurz, dann lässt er den Schweizer weitermachen. Kein Anzeichen von Durchdrehen.

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Romeo schnuppert kurz an Flurins Hintern und widmet sich dann wieder dem Betrachten der Futterboxen.

Schon als Kind den Kontakt zu Tieren gesucht

“Ich denke nicht viel nach, wie ich auf das Pferd wirke. Ich mache einfach meinen Job”, sagt der 34-Jährige bescheiden. Schon als Kind hat er in seiner Heimat in Appenzell den Kontakt zu Tieren gesucht. “Ich war viel auf dem benachbarten Bauernhof bei den Pferden und Kühen. Dort bin ich auch zum ersten Mal geritten.” Als es dann um seine berufliche Zukunft ging, musste Flurin nicht lange nachdenken. Er wollte Hufschmied werden. In der Schweiz kann man dafür eine vierjährige Ausbildung machen. Danach zog es den Schweizer erst einmal in die Ferne. Sieben Monate lang bereiste er die Welt. Lange hielt es ihn danach aber wieder nicht in der Schweiz.

Er machte sich erneut auf, die Welt zu erkunden und begab sich auf die traditionelle Wanderschaft oder Walz. Dreieinhalb Jahre lebte er auf seiner Reise von der Hand in den Mund. Und lernte dabei das Handwerk in vielen Ländern nochmal neu kennen. Er wanderte von der Schweiz, nach Italien, Frankreich, England, Norwegen und Dänemark und sogar bis nach Ungarn und Rumänien verschlug es ihn. Da fragt man sich als Ur-Nordoberpfälzer ja schon, warum es dann ausgerechnet Neuhaus geworden ist.

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Seine Werkstatt hat Flurin Bärlocher immer dabei. In dem Kastenwagen ist alles, was er braucht: Hufeisen in verschiedenen Größen, Nägel, Werkzeug und sogar ein Ofen.

Die Liebe lockte ihn nicht nach Neuhaus

“Nicht wegen der Liebe, was viele glauben”, lacht Flurin. Auf seiner Walz hat er den Neuhauser Reiner Windschiegl kennengelernt und die beiden hielten auch danach weiter den Kontakt. Nach seiner Zeit in der Schweizer Armee meldete sich Reiner bei ihm. Der hatte sich mit der Grenzlandschmiede selbstständig gemacht und brauchte Hilfe. “Also ging ich 2011 nach Neuhaus und arbeitete fast zwei Jahre lang bei Reiner als Schmied.” Während seiner Arbeit dort, fiel ihm auf, dass es in der nördlichen Oberpfalz gar nicht so viele Hufschmiede gibt und auch Flurin beschloss sich selbstständig zu machen.

“Am Anfang musste ich mir noch als Hilfsarbeiter etwas hinzuverdienen.” Nach ersten Kunden in Neuhaus und Frauenricht sprach sich sein Talent im Umgang mit den Pferden schnell herum. Schon nach einem Jahr konnte er allein von seiner Tätigkeit als Hufschmied leben. Bei rund 150 bis 200 Tieren kümmert er sich seit dem regelmäßig um die Hufpflege und den Beschlag – und noch keines davon hat ihn je ernsthaft mit einem Tritt verletzt.

Es kann schon gefährlich sein. Aber mehr als einen kleinen Kratzer habe ich bisher nie abbekommen.

Im Gegensatz zu anderen Hufschmieden muss bei ihm der Besitzer nicht das Bein des Pferdes halten. Er macht alles alleine. “In England habe ich gesehen, dass es auch so geht und habe mir das abgeschaut. So spüre ich sofort, wenn ein Pferd nicht will oder merke, ob es Schmerzen hat, und kann mich anpassen und im Fall der Fälle schneller ausweichen.”

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Das Eisen wird erhitzt und dann für jeden Pferdehuf individuell geformt

Nur die Berge sind kleiner

Das kann auch schon mal auf’s Kreuz gehen. Aber auch dafür hat der 34-Jährige eine Lösung: Ein guter Ausgleichssport. Flurin selbst macht Akaido in einem Studio in Neuhaus. Oder die beste Entspannungsübung: Zoigl trinken! “Ich liebe die Zoiglkultur! Da ist immer was los”, schwärmt er. Mit dem Dialekt hatte er auch noch nie Probleme. Ihm selbst hört man nicht sofort an, dass er aus der Schweiz kommt. “Bei manchen Worten fällt es mir selbst auf, dass das schweizerisch war.” Und wieso ist es jetzt die Oberpfalz geworden – also abgesehen vom Zoigl?

Ich mag die Natur hier. Man hat Platz, ist in wenigen Minuten im Steinwald oder Waldnaabtal. Dass es so dünn besiedelt ist. Das liebe ich. Das ist eigentlich nicht viel anders als bei mir zu Hause in Appenzell. Nur die Berge sind kleiner!

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Ein bisschen gelenkig muss Romeo schon sein. Für den Wallach kein Problem.
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Zuerst muss das alte Eisen runter.
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Für die passende Form sorgt Flurin mit Hammer und Ambos – wie man es auch aus Filmen kennt.
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Romeo braucht besondere Einlagen und Nägel mit Kupferlegierung, weil er einmal an Hufrehe erkrankt ist. Die Einlagen sorgen für ein Extra-Polster beim Laufen.
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Der letzte Schliff, dann sind die Hufe von Romeo wieder für ein paar Wochen top in Schuss.
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So sehen zufriedene Kunden aus…

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