Ärzte hintergangen: Angeklagte gesteht Drogenhandel mit Fentanyl-Pflaster

Weiden. Jede Woche ein anderer Arzt, immer eine andere Apotheke. Das System wie sich die Weidenerin die rezeptpflichtigen Fentanyl-Pflaster erschleicht funktioniert. Über Jahre hinweg. Ein ausgeklügelter Plan. Die Fentanyl-Pflaster, so gibt sie bei den Ärzten unter Nachdruck vor, seien für ihren krebskranken Sohn. Das ist aber nur “Dreiviertel der Wahrheit”. Schließlich betreibt sie mit einem Viertel der rezeptpflichtigen Pflaster Drogenhandel. Im Landgericht Weiden muss sich die 56-Jährige nun dafür verantworten. 

Von Kristine Mann

Schmerzpflaster Prozess Gerichtsverhandlung, Fentanyl, Landgericht Weiden1

“Sie hat mit, ich sage mal, viel Sachverstand gearbeitet, mit ganz viel Akribie”, sagt einer der betroffenen Weidener Ärzte. Man müsse Buch führen um die Sache am Laufen zu halten, sagt auch Richter Walter Leupold. In regelmäßigen Abständen – immer bei unterschiedlichen Ärzten – soll sich Jutta M. in 183 Fällen Fentanyl-Pflaster besorgt haben. Bei 24 Ärzten aus Weiden und Umgebung stand sie regelmäßig in der Praxis, jeder von ihnen war der Meinung er sei der behandelnde Arzt – oder zumindest die Vertretung – eines Patienten, der nach einem Tumorleiden an starken Schmerzen leiden würde.

Drogengeschäft mit Fentanyl

Das Krankheitsbild des Sohnes passt. Er bekommt auch einen Anteil der verschriebenen Pflaster. Drei Tage lang soll das aufgeklebte Pflaster wirken. Dann muss es ausgewechselt werden. Aber selbst der Sohn der Angeklagten hält sich nicht an die Medikation. Er erzählt den Polizisten, er habe das Fentanyl ausgekocht, es mit einer Flüssigkeit versetzt und sich mit einer Spritze in den Handrücken gespritzt. Das soll auch seine Mutter gewusst haben. Ein Viertel der ausgeschriebenen Fentanyl-Pflaster nimmt sie an sich und betreibt Handel damit. 100 Euro bekommt sie auf dem Supermarktparkplatz für ein ganzes Pflaster. Sie verkauft sie aber auch halbiert oder bekommt statt Geld Haschisch im Tausch. Seit die 56-Jährige in U-Haft ist, habe es auch keine Fentanyl-Toten mehr gegeben. Der Richter wisse zwar, dass ein Schluss dahin nicht möglich sei, die Weidenerin für die vier Toten zur Verantwortung zu ziehen, aber: “Aus dem Hinterkopf werden wir es auch nicht herausbringen”.

Die Strukturen des “Ärzte-Hoppings” hatte die 56-Jährige Mutter wohl durchdacht. Meistens ist sie es, die in den verschiedenen Praxen das Rezept für die Pflaster ihres Sohnes abholt. Mit Nachdruck verlangt sie die Ausstellung, erzählt vom drastischen Krankheitsbild ihres Sohnes. Wenn die Ärzte den Patienten sehen wollen, findet sie Ausreden und Ausflüchte, warum das nicht möglich ist. Er sei zu krank, es gehe ihm zu schlecht, er könne das Haus nicht verlassen und wolle von Ärzten nichts wissen. Bei der Gerichtsverhandlung am Dienstag sind auch ein Dutzend Ärzte geladen. Einer von ihnen beschreibt die Mutter als überdominant, den Sohn als unselbstständig. Sie fühlen sich hintergangen. Auch von Arzt zu Arzt besteht Schweigepflicht gegenüber Patienten. Richter Walter Leupold hat Verständnis für die Ärzte, man habe es nicht mit Tätern zu tun, sondern mit Opfern. Sie hätten die Rezepte nicht leichtfertig heraus gegeben.

Schmerzpflaster Prozess Gerichtsverhandlung, Fentanyl, Landgericht Weiden6

Für ein Geständnis stellt das Gericht der Angeklagten zu Beginn der Verhandlung eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten bis 6 Jahren und 6 Monaten in Aussicht. Nach einem Verständigungsgespräch räumte die Angeklagte die Tat in vollem Umfang ein. Laut Rechtsanwalt Konze wolle die Angeklagte auch eine Entziehungsmaßnahme antreten. Der Entzug würde 24 Monate in Anspruch nehmen.

Am Donnerstag ist der nächste Verhandlungstermin. Hier werden noch weitere Ärzte, Kriminalpolizisten und Vertreter der Krankenkasse gehört.

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