Hamm AG rollt durch die Welt

Tirschenreuth. Der US-Landwirtschafts- und Baumaschinenhersteller Deere will für mehrere Milliarden Euro den Straßenbauspezialisten Wirtgen übernehmen. Deere – vor allem bekannt für seine Marke John Deere und die dazugehörigen Trecker und Mähdrescher – legt für das privat geführte Unternehmen, zu dem auch der Tirschenreuther Walzenhersteller Hamm gehört, 4,4 Milliarden Euro in bar auf den Tisch, wie der Konzern kürzlich am US-Sitz in Moline mitteilte.

Von Udo Fürst

HAMM AG WRekordumsatz und umfassende Werkserweiterung bei der HAMM AG Werkserweitung
30 Millionen Euro steckt der Walzenhersteller Hamm in die Erweiterung und Effizienzsteigerung seines Werks in Tirschenreuth. Künftig sollen bis zu 12.000 Walzen im Jahr produziert werden.  Fotos: Wirtgen Group

Die Nachricht vom Verkauf der Wirtgen Group klang nur im ersten Moment überraschend und für die Mitarbeiter besorgniserregend. Anders als bei vergleichbaren Eigentümerwechseln scheint dieser Unternehmensverkauf ziemlich geräuschlos über die Bühne zu gehen. So problemlos und nachvollziehbar, dass die meisten der knapp 900 Beschäftigten von Hamm keine Angst um ihren Arbeitsplatz haben.

Jede fünfte Walze auf der Welt kommt aus Tirschenreuth. Hamm produzierte 2016 rund 8.000 Walzen und gilt mit einem Anteil von 20 Prozent als Weltmarktführer. Das überzeugte auch Deere. Die Amerikaner wollen Standort und Marke nach dem Kauf der Hamm-Mutter, der übrigens in bar getätigt werden soll, weiterführen. „Der Zusammenschluss der Wirtgen Group mit John Deere ist eine einmalige Chance, zwei Weltmarktführer zusammenzuführen, die sich somit absolut einzigartig im Weltmarkt positionieren“, sagte Geschäftsführer Jürgen Wirtgen, der das Unternehmen zusammen mit seinem Bruder Stefan seit Jahrzehnten leitet. Wirtgen ist den Angaben zufolge der Marktführer bei Straßenbaufahrzeugen und -maschinen und machte im vergangenen Jahr 2,5 Milliarden Euro Umsatz. Der deutsche Hauptsitz ist in Windhagen in Rheinland-Pfalz. Das Unternehmen beschäftigt weltweit rund 7.500 Mitarbeiter und betreibt fünf Stammwerke in Deutschland.

Die Familie habe Deere als Käufer ausgewählt, weil sie überzeugt seien, dass das Unternehmen am langfristigen Erfolg der Wirtgen Group interessiert sei und sich für die Mitarbeiter einsetze. Die geschäftsführenden Gesellschafter der Gruppe hatten kürzlich Betriebsräte und IG Metall an den Stammsitz nach Windhagen (Kreis Neuwied) eingeladen, um diese zu informieren. Das sei „sehr persönlich, sehr emotional gewesen”, berichtete der Amberger IG-Metall-Chef Horst Ott. Er bedauere den Verkauf, angesichts dessen, was die Brüder Wirtgen für den Erhalt von Hamm geleistet haben. Er könne die Entscheidung aber nachvollziehen. Beide hätten darauf hingewiesen, dass ihre Kinder noch zu jung seien, um das Familienunternehmen unmittelbar weiterzuführen. Bis es so weit wäre, seien Stefan und Jürgen Wirtgen 75 bis 80 Jahre alt. Deshalb hätten sie sich zum Verkauf entschlossen. Deere sei als Arbeitgeber in Ordnung, sagt der Gewerkschafter. Die Amerikaner würden Tarifbindung und Mitbestimmung kennen, da sie in Deutschland bereits Werke haben.

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Hamm-Walzen sind in der ganzen Welt unterwegs. Das Tirschenreuther Unternehmen gilt als Weltmarktführer auf dem Sektor der Walzenherstellung.

Erweiterungsarbeiten in Tirschenreuth

Unabhängig vom Verkauf gehen die Ende vergangenen Jahres gestarteten Erweiterungsarbeiten beim 140 Jahre alten Walzenhersteller in Tirschenreuth planmäßig weiter. Für 30 Millionen Euro werden auf dem Hamm-Firmengelände vor den Toren der Stadt das Test- und Vorführgelände erweitert, ein 12.600 Quadratmeter großes Logistikzentrum gebaut, ein weiteres Taktband und zusätzliche Montageplätze eingerichtet, das Bandagenwerk um 3.600 Quadratmeter erweitert, eine zweite Dauerteststrecke zur Erprobung von Prototypen gebaut, das Ersatzteillager vergrößert und eine 2.000 Quadratmeter große Schulungshalle errichtet. Nach Abschluss der Umbauten und Erweiterungsarbeiten wird das Unternehmen Kapazitäten für die Herstellung von bis zu 12.000 Walzen pro Jahr haben. Die Werkserweiterung ist verbunden mit einer weiteren Effizienzsteigerung in der Produktion. Die Walzenbauer wollen als Technologieführer ihre Premium-Walzen wie bisher unter optimalen Bedingungen herstellen. „Mit den Optimierungen stellen wir die Weichen, um auch in Zukunft Top-Qualität wirtschaftlich zu produzieren”, erklärt Dr. Stefan Klumpp, Technik-Vorstand des Unternehmens.

John Deere ganz gezielt gewählt

Zurück zur Wirtgen Group: Der international tätige, inhabergeführte Unternehmensverbund der Baumaschinenindustrie umfasst die traditionsreichen Marken Wirtgen, Vögele, Hamm, Kleemann und Benninghoven. „Die Wirtgen Group steht weltweit für führende, innovative Technologien, marktführende Produkte und eine konsequente Fokussierung auf Ihre Kunden“, erläuterte Stefan Wirtgen. „Wir haben John Deere ganz gezielt ausgewählt, weil das Unternehmen am langfristigen Erfolg der Wirtgen Group interessiert ist und sich weltweit für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einsetzt. Jürgen Wirtgen ergänzt: „Die Stärke und der Erfolg unseres Unternehmens beruhen auf dem Engagement unserer Mitarbeiter, die sich voll darauf konzentrieren, Lösungen zu schaffen, die unsere Kunden zum Erfolg führen. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Wirtgen Group durch den Zusammenschluss mit John Deere ihren Erfolgskurs auch in Zukunft fortsetzen wird – unabhängig von einer einzigen Eigentümerfamilie und über unser eigenes Wirken hinaus.“

Unabhängig vom Verkauf gehen die Ende vergangenen Jahres gestarteten Erweiterungsarbeiten beim 140 Jahre alten Walzenhersteller in Tirschenreuth planmäßig weiter.

Wie verlautet, plant John Deere, die bestehenden Marken, das Management, die Produktionsstandorte, die Mitarbeiter sowie das Vertriebs- und Servicenetz der Wirtgen Group zu erhalten. Beide Unternehmen werden durch den Erfahrungsaustausch unter anderem in den Bereichen Vertrieb, Produktion und Technologie sowohl von der Größe als auch der Effizienz der Arbeitsabläufe profitieren. Die transparente Vorgehensweise Wirtgens beim Verkauf überzeugt so auch die Tirschenreuther Hamm-Mitarbeiter. Keine Spur von Verunsicherung bei den Arbeitern nach Schichtende. „Das scheint eine gute Sache zu sein“, sagt Betriebsrat Robert Stich und betont, dass sich Wirtgen bisher stets als verlässlicher Arbeitgeber erwiesen habe, dem man vertrauen könne. „Unsere Zahlen stimmen“, weiß sein Kollege, „deshalb müssen wir auch keine Angst um unsere Arbeitsplätze haben.“ In der Tat bescherte das vergangene Jahr dem Tirschenreuther Unternehmen einen Rekordumsatz. Laut Reinhold Baisch sei der Monat März umsatzmäßig der stärkste in der Firmengeschichte gewesen. [box]Hamm AG, Tirschenreuth: 353.000 qm Betriebsgelände 900 Mitarbeiter 170 Maschinentypen Investitionen (30 Millionen Euro): Einrichtung eines neuen Taktbandes und zusätzlicher Montageplätze Bau eine neuen, 12.000 qm großen Logistikzentrums Vergrößerung des Ersatzteillagers um 60 Prozent Vergrößerung des Bandagenwerks um 3600 qm Bau einer 2000 qm großen Schulungshalle Bau einer zweiten Dauerteststrecke zur Erprobung von Prototypen[/box]

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