Bombenfund weckt schlimme Erinnerungen

Grafenwöhr. Es war nicht das erste Mal, dass Leo Suttner wegen einer Bombe evakuiert werden musste. Bereits als 12-Jähriger musste er die Fliegerangriffe über Grafenwöhr mit ansehen.

Von Gerald Morgenstern

mor-Suttner-Leo Augenzeuge Bombenfund Grafenwöhr Bild Gerald Morgenstern
Leo Suttner hat als 12-Jähriger den Bombenangriff am 5. April 1945 in seinem Haus überlebt. An gleicher Stelle kann der heute 85-Jährige über seine Erlebnisse berichten. Keine 100 Meter entfernt steht der gelbe Bagger, in dessen Schaufel der am Mittwoch gefundene Bombenblindgänger noch liegt.

Quasi zum zweiten Mal musste Leo Suttner sein Haus wegen der Bombardierung verlassen. Zum Entschärfen der Fliegerbombe evakuierten die Einsatzkräfte die Anlieger – darunter befand sich auch der 85-jährige Leo Suttner und seine Frau Frieda. Als 12-Jähriger erlebte der gebürtige Grafenwöhrer das Bombeninferno auf Grafenwöhr aus nächster Nähe mit, Suttners Haus stand im Hauptabwurfgebiet.

Entspannt steht er am Balkon seines Hauses in der Neuen Amberger Straße, direkt gegenüber steht der Bagger noch mit der 150-Lbs-Fliegerbombe in der Schaufel. Es bleibt noch Zeit fürs Abendessen und für die Schilderung seiner Erlebnisse bevor Polizei, Feuerwehr und MP auch die Suttners evakuieren. Damals im April 1945 war es nicht so entspannt und todgefährlich. Alliierte Fliegerverbände griffen in den letzten Kriegstagen am 5. und 8. April die Festung Grafenwöhr an. Hauptzielgebiet war die Munitionsanstalt, die Muna und der Lagerbahnhof, die ersten Gleise liegen nur 100 Meter von Leo Suttners Haus entfernt.

Bombenfund Grafenwöhr (1)
Experten des Länderräumdienstes haben die 150-Lbs Bombe unschädlich gemacht und den Zünder ausgedreht.

Brennende Bettwäsche und wassergefüllte Bombentrichter

Erst 1937 wurde das neue Haus bezogen, 1943 starb Leo Suttners Vater. Beim ersten Fliegerangriff war die Mutter mit dem älteren Bruder unterwegs nach Schlammersdorf um Habseeligkeiten der Familie in Sicherheit zu bringen. Im Keller des Elternhauses suchte der Bub mit seiner Schwester, einer Tante und der Frau eines Soldaten Schutz und stand so mit noch nicht ganz 13 Jahren in Verantwortung.

War es kindliche Unbefangenheit oder Neugier als er aus dem Kellerloch heraus die anrückenden Flieger zählte, die in die geöffneten Bombenschächte blickten? Die Wucht der ersten detonierenden Bomben habe ihn in den Keller zurück geschleudert, der Luftdruck der detonierenden Sprengbomben ließ die Abdeckungen der Kellerfenster krachen und beben. Unzählige Stabbrandbomben regneten nieder und setzten auch Suttners Haus in Brand.

mor-Suttner-Haus Bombenangriff 1945 Grafenwöhr Bild Gerald Morgenstern
Aufräumarbeiten im April 1945 hinter dem Anwesen Gebhardt wo mannshohe Bombentrichter lagen. Links das völlig ausgebrannte Haus der Familie Suttner.

Während der Angriffswellen liefen wir aus dem Keller nach oben, brennende Bettwäsche und Mobiliar hab ich in einen wassergefüllten Bombentrichter geworfen vor dem Schlafzimmerfenster,

erinnert sich der Rentner. Auch die Löschversuche, der nach dem Angriff anrückenden Feuerwehr waren erfolglos, der eigene Brunnen war gleich leer, so Leo Suttner. Ein niedergebranntes Haus, Zerstörung und Bombentrichter aber unversehrte Kinder fand Suttners Mutter vor, als sie mit dem Rad von Schlammersdorf zurück eilte. Schlimm war die Szene als nach dem ersten Angriff auf einer Holztüre die Leichen des Inferno aus der gegenüberliegenden Gärtnerei geborgen wurden und auf der Straße aufgebahrt lagen.

Erinnerungen an zweite Bombenattacke

Die zweite noch schwerere Bombenattacke am 8. April erlebte Leo Suttner bei Bekannten in der Nähe des Friedhofs, während der Bombardierung sei er noch zu den Felsenkellern am Annaberg gerannt, zwischen den Rauchfetzen waren die letzten abrückenden Bomber zu sehen.

“Bei solchen Aktionen wie der Evakuierung kommen die Erinnerungen dann wieder hoch, aber was willst denn machen, es war Krieg und irgendwie mussten wir überleben”, erinnert sich der lebensbejahende Rentner. Nach seiner Schreinerlehre arbeitete Leo Suttner auch bei der US-Armee. Bei der Evakuierung in der Stadthalle traf er auch Garnisonskommandeur Varney, dem er seine damaligen Erlebnisse schilderte.

Die wassergefüllten Bombentrichter hinter dem Haus haben wir damals als Swimming-Pool genutzt.

Bilder: Gerald Morgenstern

[box]Glück im Unglück

“Very good – possibly escellent results” war in den Berichten der 3. US-Air Division von 1945 zu lesen. Bei zwei Angriffen am 5. und 8 April 1945 wurden das Lager und die Stadt in Schutt und Asche gelegt. Allein beim zweiten Angriff am Weißen Sonntag warfen 203 US-B-17 Bomber über 600 Tonnen Spreng- und Brandbomben ab und brachten Tod und Verderben. In seinem Buch “Truppenübungsplatz Grafenwöhr, gestern-heute” und bei Rückblicken zu den Jahrtagen hat sich unser Mitarbeiter Gerald Morgenstern mit den Bombardements beschäftigt.

Berichte und exakte Luftbilder wurden ausgewertet, Augenzeugenberichte niedergeschrieben. Resümee der verheerenden Luftangriffe ist auch, dass Grafenwöhr und die gesamte Region noch größtes Glück im Unglück hatte. Mit Giftgasgranaten beladene Züge im Lagerbahnhof und bereits in das Waldstück Mark ausgelagerte Gasmunition wurden bei der Bombardierung verfehlt. Die rund drei Millionen Gasgranaten und Geschosse hätten ausgereicht um das Leben in der gesamten Nordoberpfalz auszulöschen.[/box]

* Diese Felder sind erforderlich.