Den Menschen Würde geben: Ursula Barrois und Weidens Obdachlose

Weiden. Ursula Barrois setzt sich seit 38 Jahren für Menschen ohne Zuhause ein. Ein Besuch in der damaligen Obdachlosenunterkunft in der Schustermoosloh habe sie nicht mehr losgelassen. Sie wollte vor allem die Lebensbedingungen der Kinder in der Notunterkunft verbessern. 

Von Udo Fürst

Obdachlosenheim Weiden Ursula Barrois
Ursula Barrois (vorne) mit einem Teil ihrer Mitstreiter und drei Bewohnern des Obdachlosenheims. Fotos: Udo Fürst

Gebückt und mit gesenktem Kopf schleicht Werner Walter in die kleine Hütte am Rand der Notunterkunft. Im Schlepptau hat er Dennis, Karl und Emilio (alle Namen von der Redaktion geändert) – alle schüchtern und vorsichtig. Ganz so, als wollten sie sagen: „Nur nicht auffallen.“ Walter Max Fentzke, Zweiter Vorsitzender der Initiative e. V., hat die Obdachlosen von der Schustermooslohe in die Hütte geholt. Sozusagen als Fotomodells sollen sie zusammen mit Ursula Barrois, der „Mutter“ der Menschen ohne Obdach in Weiden, auf das Foto, das unser Reporter machen will.

Seit 38 Jahren für Weidens Obdachlose

Die Gründerin und Vorsitzende des Vereins Die Initiative e. V. setzt sich seit 38 Jahren für die Obdachlosen in Weidens Westen ein. Mehr noch: Es ist das Lebenswerk der heute 66-Jährigen. Dafür ist sie jetzt im „Jahr des Ehrenamtes“ von der Paritätischen in Bayern mit der Goldenen Ehrennadel des Luise-Kiesselbach-Preises 2017 für bürgerschaftliches Engagement ausgezeichnet worden.

„Bürgerschaftliches Engagement ist der Motor demokratischer Gesellschaften. Es ist lebendig, frei und bunt. Es sucht sich seine Aufgaben selbst und geht seine eigenen Wege. Manchmal ist es unbequem, oft innovativ und immer nah an den Problemen und Fragen der Menschen“, hieß es bei der Preisverteilung.

Vorurteile bekämpfen

Ursula Barrois ist tatsächlich ganz nah dran an den Problemen „ihrer“ Obdachlosen. Hunderte Menschen sah die Mutter von fünf Kindern in all den Jahren in die Notunterkunft kommen und gehen. Alles Schicksale, die sie teilweise gerührt, alle aber berührt haben. „Wenn du etwas tust, bekommst du auch was zurück“, zitiert Barrois den Festredner Christian Schüle.

Angefangen hat alles mit 800 Mark, die Ursula Barrois 1979 als Spende der Weidener Notunterkunft für Obdachlose für einen Zoobesuch in Nürnberg zukommen lassen wollte. Doch der Besuch in der Schustermooslohe sei ein derart eindrückliches und prägendes Erlebnis gewesen, dass sie beschlossen habe, das Geld als Grundstock für ein längerfristiges Engagement zu nutzen. Der Verein Die Initiative war geboren.

Man muss immer den Menschen sehen, dem Würde gebührt,

sagt Ursula Barrois. Obdachlosen oder von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen ein Stück dieser Würde zurückzugeben und Vorurteile zu bekämpfen sei immer Ziel ihres Engagements und des Vereins Die Initiative gewesen.

Obdachlosenheim Weiden Ursula Barrois
Die Pfadfinder spendeten eine Erstausrüstung für das Obdachlosenheim.

Zum Kinderwohl

Konkret seien es die Lebensbedingungen in der damaligen Weidener Notunterkunft gewesen, die sie insbesondere für Kinder verbessern wollte. Ein Konzept der gezielten Obdachlosen- und Präventionsarbeit wurde entwickelt, um den Zuzug von Familien in die Notunterkunft zu vermeiden. Aus der Initiative wurde die Fachstelle zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. Zum Konzept gehören die aufsuchende Sozialarbeit und die enge Kooperation mit den zuständigen Behörden, Wohnungsbaugesellschaften und Gerichtsvollziehern.

Seitdem ist der Verein kontinuierlich gewachsen – auch weil Ursula Barrois immer wieder „Lücken“ im Gemeinwesen entdeckt und schließen will. Der Verein ist anerkannter Träger der Jugendhilfe und Betreuungsverein und wurde im Projekt „Soziale Stadt“ mit Bundesmitteln gefördert.

Zurück in die Hütte hinter den Obdachlosenheimen: Karl will nicht mit aufs Foto. „Ich mag keine Fotos“, sagt der alleinstehende Mittfünfziger, der seit gut zwei Jahren hier lebt. Seine Kumpels haben damit kein Problem. Bereitwillig platzieren sie sich zwischen die Helfer Barrois, Fentzke, Melanie Rubner und Sandy-Marie Barrois.

Als Team Familien helfen

Die Vier sind nur ein Teil des Vereins, der heute acht hauptamtliche und etwa 20 ehrenamtliche Helfer hat. „Besonders stolz bin ich darauf, dass viele junge Leute mitmachen“, sagt die Vorsitzende freudestrahlend. Kernstück der Vereinsarbeit sei es, Obdachlosigkeit zu verhindern, die Lebensbedingungen der Obdachlosen zu verbessern und den Betroffenen zu helfen, wieder herauszukommen aus dieser Situation. Am schlimmsten sei es, wenn Kinder davon betroffen seien. „Es ist mein Hauptanliegen, das zu verhindern.“

Wie sie das alles geschafft hat mit fünf eigenen Kindern zu Hause? „Ich war nie allein mit meinen Anliegen“, sagt Ursula Barrois. „Ich bin ein Mensch der Vernetzung, des Miteinanders.“ Auch in ihrem Verein sieht Ursula Barrois eine Brückenfunktion zwischen verschiedenen Akteuren und einen Begegnungsort, um Vorurteile abzubauen. Schließlich habe sie unendlich viel gelernt durch ihre Arbeit.

Ich bin mitgewachsen mit meiner Aufgabe. Die hat mich gefunden und ich habe ja gesagt.

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