Training unter Notfall-Bedingungen

„Er kann eigentlich alles, bis auf Essen und da bin ich ganz froh. Dann bleibt uns wenigstens die Brotzeit“, sagt Dr. Gudrun Graf fast liebevoll über die neueste Errungenschaft des BRK Kreisverbandes Weiden-Neustadt. Die Rede ist von einer neuen Ausbildungsmöglichkeit, die so in der Region und darüber hinaus einmalig ist.

Es ist sicher ein Meilenstein, das wir die Simulation in die Präklinik auch in realen Umgebungssituationen implementieren,

zeigte sich der Fortbildungsbeauftragte der Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte (agbn), Dr. Christian Seidl, vom Einsatz seiner Kollegin Dr. Graf begeistert. Es geht um den Simulations-Rettungswagen – kurz SIM-RTW – mit einer beinahe lebensechten Patientenpuppe, an der unter Ernstfallbedingungen trainiert werden kann. Der SIM-RTW ist ein ehemaliger Rettungswagen, der speziell für Trainingszwecke umgerüstet wurde. So ermöglichen sechs Kameras im Innenraum eine genaue Aufzeichnung aller Fortbildungsmaßnahmen. Im Führerhaus sitzen die Ausbilder und können per Tablet-Computer und Funk den Verlauf der Notfallversorgung beeinflussen. „Wir können das Geschehen dynamisch ändern, wie im Realfall“, sagt Dr. Graf stolz. Die Ärztliche Leiterin des Rettungsdienstes im Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung hat auf eigene Kosten zusammen mit Christian Putzer, Wolfgang Dieter und Sabine Kellner eine 6.500 Euro teure Schulung absolviert. Die vier Vollblut-Rettungsdienstler dürfen sich jetzt Simulationsinstruktoren nennen und stehen für Schulungen in ganz Bayern zur Verfügung.

SIM-RTW BRK Weiden
Im Führerhaus des Simulations-Rettungswagens können die Instruktoren das Vorgehen des Fortbildungsteams beobachten und die Patienten-Puppe über Funk zum Sprechen bringen.

Training unter Realbedingungen

Der ganze Stolz der Truppe ist die Simulationspuppe, die alleine schon 70.000 Euro kostet. Wie ein echter Mensch kann sie Tränen und Speichel fließen lassen oder sich übergeben. Lippen und Fingernägel färben sich per Knopfdruck blau. Intubation, Thoraxdrainage oder Beatmung und viele weitere Behandlungsmöglichkeiten lassen sich unter realen Bedingungen üben. In einer Art Ersatzteilkoffer finden sich Teile von Gliedmaßen, aus denen Blut spritzt. Was nach einem Horrorfilm klingt, ist für die Retter Berufsalltag. „Nach einiger Zeit vergisst man, dass es eine Puppe ist. Man zieht genauso Handschuhe an“, sagt Dr. Graf. Über Funk kann die Puppe auch mit den Behandlern sprechen.

Kommunikationstraining und Handlungsempfehlungen

Eine Schulung mit einem Vierer-Team dauert mindestens eine Stunde. „Wir studieren hier Handlungsempfehlungen ein“, sagt Ausbildungsleiter Christian Putzer. „Ich kann hier auch auf Kommunikation trainieren. Medizin ist ein Hochrisikobereich, bei dem sich Fehler auch bei der Kommunikation einschleichen“, weiß der erfahrene Sanitäter. So seien manche Medikamente in unterschiedlichen Dosierungen im Arzneienschrank des Rettungswagens. Arzt und Sanitäter müssen gleichermaßen darauf achten, nicht aneinander vorbei zu reden. Am Anfang einer Trainingseinheit erhält das Notarzt-Sanitäter-Team lediglich kurze Stichpunkte wie sie bei Alarmierungen durch die Integrierte Leitstelle üblich sind.

Von der Notfallmeldung bis zur Erstversorgung soll alles realistisch trainiert werden,

erklärt Putzer. Nach der praktischen Einheit werden gemeinsam mit den Instruktoren Lernziele erarbeitet.

Intstruktorenteam bietet Fortbildungen an

Das Instruktorenteam mit Dr. Gudrun Graf, Christian Putzer, Sabine Kellner und Wolfgang Dieter verspricht sich von der neuen Ausbildungsmöglichkeit hohen Nutzen für die Kollegen, die alljährlich ein Pensum von 39 Stunden in ihre Fortbildung investieren müssen. Über den BRK-Kreisverband können Berufskollegen aus anderen Leitstellenbereichen Schulungen buchen. Übrigens kann der SIM-RTW auch in einem echten Notfall eingesetzt werden, denn ein „scharfer“ Notfallkoffer ist immer an Bord.

Simulations-Rettungswagen BRK Weiden SIM-RTW
Sabine Kellner (von rechts), Dr. Gudrun Graf und Christian Putzer präsentieren den Simulationsrettungswagen mit der kostspieligen Patientenpuppe, an der wie an einem echten Menschen eine Notfallsituation trainiert werden kann. Markus Fischer (links) ist für die aufwendige Technik in dem Fahrzeug zuständig.

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