Geschichte zum Anfassen: Eine Burg für den Kaiser

Bärnau. Im Geschichtspark Bärnau-Tachov kann man Grenzüberschreitende Geschichte und das Mittelalter hautnah erleben. Im Archäozentrum bauen Handwerker und Studenten eine Reisestation aus dem 14. Jahrhundert nach. Am Ostermontag sind die Besucher zu einem großen Frühlingsfest eingeladen.

Geschichtspark Bärnau Tachov (2)

Von Udo Fürst

Das Wetter zur Saisoneröffnung im Geschichtspark Bärnau-Tachov hätte besser nicht sein können. Strahlender Sonnenschein und frühlingshafte Temperaturen empfingen die ersten Gäste am vergangenen Sonntag. Auf ein ähnliches Einsehen des Wettergottes hoffen die Verantwortlichen am Ostermontag, wenn ab 11 Uhr das große Frühlingsfest über die Bühne gehen soll.

Eine Burg für den Kaiser

Das Wetter ficht Armin Troppmann nicht an. Der Steinmetzmeister arbeitet bei jedem Wetter, noch vor wenigen Tagen bei kräftigem Schneefall und drei Grad unter Null. Der junge Mann aus Neustadt/WN ist einer von mehreren Handwerkern, die sich einer ganz besonderen Aufgabe verschrieben haben: Der Dauerbaustelle „Reisestation Karl IV“ als ersten Abschnitt des 3,3 Millionen-Euro-Projekts „ArchaeoCentrum Bayern-Böhmen“ der Universitäten Bamberg, Pilsen und Prag. Als Teil des größten mittelalterlichen Archäozentrums in Deutschland soll im Geschichtsparkareal in 15 bis 20 Jahren eine Kaiserpfalz aus dem 14. Jahrhundert entstehen, 30 auf 40 Meter groß. Wissenschaftler, Studenten, Handwerker und fachlich qualifizierte Mittelalterfans wollen eine originalgetreue Burg nach dem Vorbild eines Bauwerks in Burgund aufbauen.

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Projektleiterin Magdalena Becher schaut Steinmetz Armin Troppmann über die Schulter.

Alfred Wolf, Vorsitzender des Geschichtspark-Trägervereins Via Carolina und der Archäologe und Museumsleiter Stefan Wolters sind die Väter des ambitionierten Vorhabens. „Ein Projekt mit Wucht und Potenzial“, freut sich Wolf. Drei Handwerkerhütten für den Schreiner, den Schmied und den Maurer stehen bereits. Steinmetz Troppmann ist fleißig am werkeln, der Kalkbrennofen wird bald fertig sein. „Allein die Handwerkerhütten brauchen viel Zeit“, erklärt Magdalena Becher, die für das Budget zuständige Projektleiterin.

Arbeiten wir vor rund 700 Jahren

Eisig pfeift der „Böhmische“ über das Gelände am Rand der einstigen Knopfstadt. Adam Jopek wuchtet seine mittelalterliche Axt in einen Baumstamm, der für eines der Handwerkerhäuser gebraucht wird. Etwa 200 Meter weiter treibt sein Kollege Troppmann drei Keile in einen Brocken Flossenbürger Granit, um daraus Mauerteile für den Bau der Burg herauszuarbeiten. Die zwei Männer sind sozusagen die Vorhut der bald fünfköpfigen Handwerkerschar, die nur mit Mitteln des 14. Jahrhunderts arbeiten werden. „Da sieht man erst, wie schwer es die Leute damals hatten“, sagt der Steinmetz und bearbeitet den Felsbrocken weiter. Zum Team gehören auch der Tirschenreuther Schreinermeister Horst Schafferhans und zwei tschechische Handwerker.

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Adam Jopek im Einsatz. Der tschechische Handwerker arbeitet bereits seit einigen Wochen am Archäozentrum.

Grenzübergreifend halt wie fast alles im Geschichtspark Bärnau-Tachov. „Die drei Unis aus beiden Ländern werden ihre Archäologiestudenten durch unser Labor schleusen“, erläuterte Stefan Wolters bei der Vorstellung des Projekts den Mehrwert für die Universitätsstädte.

Ein Archäologe, der weiß, wie man einen Ofen baut, tut sich leichter, gefundene Reste zuzuordnen.

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Mit dem Geschichtspark allgemein und dem Archäozentrum speziell wolle man den gemeinsamen Kulturraum bewahren und vermitteln. „Der Nutzen daraus kommt Wissenschaft und Tourismus gleichermaßen zugute“, erklärte Wolters. Das Projekt fußt auf drei Säulen: Archäowerkstatt, Freiluftlabor und universitäre Zusammenarbeit. „Daraus resultiert ein Netzwerk zwischen Unis, Hobbyakteuren und Archäologen.“ Alfred Wolf: „Bärnau als Mekka der Mittelalterforschung. Das ist mehr als ein Pfund zum Wuchern.“

Geschichte zum Greifen nah

Der Geschichtspark ist mit rund 30 rekonstruierten Gebäuden aus dem Mittelalter das größte Museum seiner Art im deutschsprachigen Raum. In drei Siedlungsgruppen sind unter anderem ein slawisches Langhaus, eine Turmhügelburg mit dazugehörigen Wohn- und Nebengebäuden sowie eine große Herberge aus dem 9. bis 13. Jahrhundert zu besichtigen. Damit zeigt der Geschichtspark in einzigartiger Weise die historische Entwicklung einer Region, die vom Zusammenwachsen der bayrischen Bevölkerung mit den slawischen Siedlern geprägt ist.

Bei den diversen Veranstaltungen vermitteln Darsteller einen lebendigen Eindruck vom damaligen Alltag. Geschichte wird zum Greifen nah – im wahrsten Sinne des Wortes. Wie wohnten die Menschen vor mehr als 1.000 Jahren, wie arbeiteten sie, was aßen sie? Wie entwickelten sich Kleidung und Wohnung von 800 bis 1300 nach Christus? „Zwei Ziele standen von Beginn an im Mittelpunkt: zu zeigen, wie es im Mittelalter tatsächlich war, und die gemeinsame Kultur von Slawen und Deutschen sichtbar zu machen. Der Geschichtspark trägt dazu bei, dass die Menschen diesseits und jenseits die Grenze in ihrem Kopf abbauen und sich wieder näher kommen“, ist die Intention des Geschichtsparks.

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Geschichte und Natur in Bärnau

Noch einen weiteren positiven Effekt hat die Umsetzung der Idee: Bevor der Spatenstich für das erste Gebäude erfolgte, wurde das Gelände großteils renaturiert. Die Waldnaab darf wieder ihrem natürlichen Lauf folgen, Pflanzen können wild wachsen, die Tiere bekamen ihren Lebensraum zurück. Besonders stolz ist man in Bärnau darauf, dass sich sogar ein Schwarzstorch angesiedelt habe.

Unterdessen hat Armin Troppmann ein ganz anderes Problem: seine Schuhe, ebenfalls originalgetreu dem Mittelalter nachempfunden und eher an eine Haut erinnernd, sind nass. „Das wird langsam unangenehm kalt.“ Nur gut, dass die Handwerker nur während der offiziellen Veranstaltungen in Originaltrachten arbeiten müssen.

Fotos: Udo Fürst/Geschichtspark Bayern-Böhmen

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