Streit um Steinbruch: Er fordert Ruhe für die Seelen der Toten

Flossenbürg. Sein Kampf glich bisher ein bisschen dem des Don Quijote gegen die Windmühlen: Stefan Krapf fordert das Ende der Arbeiten im KZ-Steinbruch, wo die Nazis Tausende Häftlinge zu Tode schuften ließen. Seine Protestbriefe und Eingaben füllen mittlerweile einen Aktenordner.

Von Udo Fürst

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Der Flossenbürger Stefan Krapf kämpft seit Jahren für eine Ende der Arbeiten im Steinbruch Flossenbürg. Dort mussten Hunderte KZ-Häftlinge ihr Leben lassen. Fotos: Udo Fürst

Stefan Krapf ist kein Rebell. Auch wenn ihn manche als solchen sehen und ihn so bezeichnen. Er will nur eines: Dass in dem Steinbruch, in dem in der Nazizeit Hunderte Häftlinge ums Leben kamen, nicht gearbeitet wird, als sei nichts gewesen. „Hier wird die Erinnerung verschüttet“, sagt der 40-Jährige, der seit vielen Jahren gegen den Steinbruchbetrieb der Firma Baumann kämpft.

Dutzende E-Mails und Briefe hat Krapf seither an Politiker und Behörden gegen diese „Pietätlosigkeit“ geschrieben. Und er hat mittlerweile auch Unterstützung von KZ-Überlebenden aus Frankreich. Sie haben in einem Brief an den damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer Anfang des Jahres beklagt, dass der Freistaat den Steinbruch als Erinnerungsort nicht genug wertschätze. Einen Teilerfolg hat der Flossenbürger errungen: Der Wissenschaftsausschuss des Landtags hat sich im Februar mit Krapfs Petition zumindest befasst – und die Auseinandersetzung damit dann gleich wieder verschoben, weil erst Fachgutachten eingeholt werden sollen.

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Geringe Hoffnung

Indes hält sich Stefan Krapfs Hoffnung, dass dort „wirklich was passiert“ in engen Grenzen. „Da stecken auch andere Interessen wie Arbeitsplätze und monetäre Überlegungen dahinter.“ Das Problem sei, dass es für den Steinbruch nie Denkmalschutzauflagen gegeben habe. Die Flossenbürger Steinbrüche waren der Grund, weshalb das Konzentrationslager dort im Jahr 1938 angesiedelt wurde. Nach dem Krieg wurde der Steinbruch weiter betrieben. Der Freistaat hat ihn immer wieder verpachtet, zuletzt 2004 an die Firma Baumann.

Mit jedem Tag, an dem da weitergearbeitet wird, wird der Schaden größer,

sagt Stefan Krapf und blickt von der Aussichtsplattform auf den Steinbruch. „Der Flossenbürger ist so etwas wie das schlechte Gewissen des Freistaats, eine moralische Nervensäge“, schrieb die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel über den „Rebell“. Seit Jahren macht Krapf Fotos und Filme und dokumentiert, was im Steinbruch passiert. Die Bilder und Videos kann man auf seiner Internetseite anschauen. Darauf ist zu sehen, wie an der historischen Abbruchkante Produktionsabfälle abgeladen werden. Am einzigen Fleck, an dem es nach 1945 keine Abbauarbeiten mehr gab, wo der Steinbruch unverändert geblieben ist. „Dort, wo die KZ-Häftlinge schuften mussten und starben“, sagt Krapf, „wird die Erinnerung regelrecht verschüttet.“

Baumann: Keine Arbeiten an historischer Abbruchkante

Keineswegs pietätlos findet Steinbruchbetreiber Wolfgang Baumann die Arbeiten – im Gegenteil. Von ihm stammt der Satz, dass „nur ein ‚lebender Steinbruch‘ den Besuchern vermitteln kann, unter welchen Schwierigkeiten und Entbehrungen seinerzeit die Häftlinge zur Arbeit gezwungen waren“. Ein „lebender Steinbruch“ ist für Baumann ein Steinbruch, in dem die Bagger rollen. Der Unternehmer beteuert, dass an der historischen Abbruchkante „keine Arbeiten durchgeführt wurden, damit der ursprüngliche Zustand erhalten bleibt“. Dies sei mit dem Freistaat so geregelt.

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Mit symbolischen Kreuzen illustriert Stefan Krapf den Flossenbürger Steinbruch, in dem unter den Nazis Hunderte KZ-Häftlinge ihr Leben lassen mussten. Foto: Krapf

Herabrollende Gesteinsbrocken nicht zu vermeiden

Das Landratsamt Neustadt räumt ein: „Herabrollende Gesteinsbrocken der gegenüberliegenden Abbauwand sind aufgrund des steilen Geländes nicht zu vermeiden.“ Im vergangenen Oktober hatte Stefan Krapf dem Landrat geschrieben, dass die Firma Baumann auch dort Abraum deponiere, wo sie sich verpflichtet hat, kein Granit abzubauen: an der Abbruchkante. Damals hieß es noch, man habe diesen Hinweis geprüft und sei zum Ergebnis gekommen, dass „die Häftlingswand in ihrem Kernbestand nicht beeinträchtigt“ sei.

Ehrenmedaille für Krapf

Das Landesamt für Denkmalschutz (BLfD) hat inzwischen allerdings bestätigt, dass die Betreiberfirma offenbar nicht immer rücksichtsvoll mit dem historischen Gelände umgeht. Zudem prüft die Behörde, ob beim Denkmalschutz nachgebessert werden muss. Die Opfer der Naziherrschaft jedenfalls danken Krapf für seinen Kampf. Vor einem Jahr zeichnete ihn die französische Organisation von KZ-Überlebenden mit einer Ehrenmedaille aus.

Bei den Feierlichkeiten zum 70. Jubiläum der KZ-Befreiung durch die US-Army vor wenigen Wochen deuteten auch Ministerpräsident Markus Söder („Wir werden eine Lösung für den Steinbruch finden“) und der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten Karl Freller („Kultusminister Sibler unterstützt die Herausforderung Steinbruch“) ihre Unterstützung bei der Lösung des Problems an.

Die Seelen sollen zur Ruhe kommen

2025, wenn der Pachtvertrag ausläuft, gibt es eine neue Chance, den Steinbruch stillzulegen – und das Gelände in die KZ-Gedenkstätte zu integrieren. So lange will Stefan Krapf freilich nicht warten. Er wird weiter dafür kämpfen, dass der Steinbruch so gut wie möglich erhalten bleibt. „Die Seelen der mindestens 500 Toten sollen endlich zur Ruhe kommen.“

Fotos: Udo Fürst/Krapf

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