“Gravierende Fehler im Rechtssystem” – Fracking-Studie deckt auf

Weiden. Das Bündnis „Abgefrackt – Kein Fracking im Weidener Becken“ stellte erstmalig in Weiden eine Rechtsstudie über Fracking vor. Die Ergebnisse decken gravierende Fehler auf. 

Von Jürgen Wilke 

Im Auftrag der „Aarhus Konvention Initiative“ und des Bündnis „Abgefrackt – Kein Fracking im Weidener Becken“, hat das Öku-Büro Wien die Studie „Die Vereinbarkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen Deutschlands für Fracking mit der Aarhus Konvention“ verfasst. Die Rechtsstudie analysiert die Übereinstimmung der gesetzlichen Regelungen in Deutschland sowie der juristischen Praxis mit den Bestimmungen der Aarhus Konvention. Als „Naab Energy“ eine Fracking-Lizenz im Weidener Becken beantragte, war das der Grund, diese Studie zu beauftragen.

Das Lizenz-Gebiet Weidener Becken reicht von Schwandorf in der Oberpfalz bis zu den Trinkwasserquellen der Stadt Marktredwitz und in den Landkreis Kulmbach in Oberfranken. Hilde Lindner-Hausner aus Röthenbach bei Kohlberg ist die Koordinatorin des „Bündnis Abgefrackt“ mit dem Netzwerk der deutschen und internationalen Fracking-Initiativen. Sie erklärte die Studie – und die Folgen: “Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es gravierende Mängel bei den Landesentwicklungs- und Raumordnungsplänen gibt. Privatpersonen wird der Zugang zu Gerichten komplett verwehrt. Sie müssen aber von Beginn an diese Planungsverfahren auf deren Richtigkeit rechtlich überprüfen können. Die Studie zeigt auf, was Betroffene schon heute von der Bundesregierung im Falle von Gas-und Ölbohrungen, Kupfer-Leaching oder anderen Bergbautätigkeiten fordern können. Nichts hält die Bundesregierung als Vertragspartner der Aarhus-Konvention ab, den Forderungen der Studie sofort freiwillig nachzukommen.

Sollte ein neuer Interessent für das Lizenzgebiet Weidener Becken kommen, werden wir klagen.

Wir geben die Studie aber auch allen anderen Fracking-Initiativen in Deutschland. Gravierende Fehler in Planungsverfahren sind meist das Ende der geplanten Vorhaben.“

Präzedenzfälle schaffen

Brigitte Artmann aus Marktredwitz ist Sprecherin der Aarhus Konvention Initiative. Sie erklärt: „Deutsches Recht muss dem Völkerrecht, das die Bundesrepublik 2007 unterschrieben hat, verbindlich angepasst werden. Es braucht jetzt Klagen auf Basis dieser Studie vor deutschen Gerichten, die Präzedenzfälle schaffen. Sollten diese abgewiesen werden, werden wir die Betroffenen dabei unterstützen, vor den Beschwerdeausschuss der Aarhus Konvention in Genf zu gehen. Die Umweltanwältin Dr. Roda Verheyen ist bereits eingeschaltet. Sie ist weltweit bekannt durch die Klimaklagen gegen RWE.“ Die Studie enthält bahnbrechende Fakten, die das deutsche Rechtssystem im Sinne der Bürgerinnen und Bürger umkrempeln werden. Dennoch entschlossen sich die Auftraggeber die neue Rechtsstudie über Fracking der Öffentlichkeit im Schützenhaus in Weiden vorzustellen und nicht in Berlin, „weil unsere Initiative hier ihren Anfang genommen hat und sich jede Klage gegen große umweltschädliche Vorhaben von unten nach oben vorarbeiten muss“, sagt Sonja Schuhmacher, eine der beiden Sprecherinnen vom Bündnis „Abgefrackt Weidener Becken“.

“Es ist wichtig auf den Klimaschutz aufmerksam zu machen”

Es ist die erste Studie dieser Art, die es in Deutschland gibt. Über Sonja Schuhmacher hätte man die Studie direkt vor den Türen des Kanzleramtes veröffentlichen können. Sie hat eine Petition gegen Fracking mit über 250.000 Unterzeichnern bei der Online Plattform „Change.org“ mit Sitz im Haus der Bundespressekonferenz laufen. Sie sagt: „Es ist wichtig, auf den Klimaschutz hier vor Ort aufmerksam zu machen, gerade im Hinblick auf die aktuellen Geschehnisse im Hambacher Forst. Diese Studie wendet sich gegen das Bergrecht, das die Menschen bisher daran hindert, ihr Recht auf saubere Umwelt beim Abbau von Bodenschätzen und unterirdischen Tätigkeiten einzufordern. Ab jetzt wird das anders werden.“

Die zweite Sprecherin des Bündnisses ist Dagmar Keis-Lechner aus dem oberfränkischen Kulmbach. Sie fügt an: „Die Studie macht zum ersten Mal klar, dass es eine grenzübergreifende Beteiligung der Öffentlichkeit auch bei diesen unterirdischen Schatzsuchen braucht und zwar vom Beginn der Antragsstellung an. Bisher sind die Menschen total ausgeschlossen, obwohl es unser kostbarstes Gut, das Trinkwasser betrifft. Die CSU-Regierung hätte das schon längst für ihre Einwohner ändern müssen.“

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Studie kurzgefasst: “Gravierende Fehler im deutschen Rechtssystem”

Die Studie offenbart gravierende Fehler im deutschen Rechtssystem. Diese Fehler beginnen in den Raumordnungsplänen in Zusammenhang mit der unterirdischen Nutzung bei Fracking sowie in der Beteiligung der Öffentlichkeit auf strategischer Ebene. Zudem unterbindet das neu verabschiedete Umweltrechtsbehelfsgesetz ein Vorgehen gegen Raumordnungspläne in Bezug auf Ressourcennutzung, was es Einzelpersonen oder NGOs (Nichtregierungsorganisation) unmöglich macht, diese rechtlich anzufechten.

Lizenzen und Entnahmegenehmigungen werden ohne Öffentlichkeitsbeteiligung erteilt. Die Beteiligung der Öffentlichkeit in späteren Genehmigungsphasen löst dieses Problem nicht. Spätere Verfahren, auch auf der Ebene der Planfeststellung, sollten für jedermann anfechtbar sein, was nicht der Fall ist: Die Lizenzen sind ein klares Beispiel. Auch Immobilieneigentümer müssen große Hürden bezüglich der Kausalität nehmen, die Erfolgsaussichten vor Gericht sind gering im Verhältnis zu den benötigten Finanzmittel und Mühen. Individuelle Rechte sind auf die Verteidigung subjektiver Rechte beschränkt, welche erst sehr spät in Betracht gezogen werden können, was verhindert, dass eine Reihe von Verstößen im Zusammenhang mit der Umwelt, wie Wasser- und Naturschutz, Bergbau usw., geltend gemacht werden können. Weiter ist der gegenwärtige Rechtsrahmen in Deutschland punktuell unklar und uneinheitlich. Gerade in Anbetracht der raschen Entwicklung des EU-Rechts sind mehr Orientierung und klare gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich. Schließlich kann Fracking als eine äußerst gefährliche Tätigkeit angesehen werden und erfordert auf jeden Fall eine grenzüberschreitende Beteiligung und den Zugang zu Gerichten. [/box]

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