Prag mit anderen Augen sehen

Weiden. 22 Jugendliche und junge Erwachsene aus dem Dekanat Weiden und der tschechischen Partnergemeinde in Asch entdecken das „Andere“ Prag.

Von Tanja Fichtner

Medienwochenende Dekanat Weiden Prag
Innerhalb von drei Tagen wuchsen die Jugendlichen aus der Oberpfalz und Tschechien zu einer Gruppe zusammen, die zum Schluss gemeinsam ein Video mit ihren Reiseeindrücken produzierte.

„Ich finde es super dass wir Prag von einer Seite gesehen haben, die Touristen normalerweise nicht sehen.“ Die Studentin Miriam Lederer (23) aus Weiden strahlt noch voller Eindrücke nach vier intensiven Tagen in der tschechischen Hauptstadt. 22 Jugendliche und junge Erwachsene waren am letzten Wochenende mit der Evangelischen Jugend im Dekanat Weiden und der Gemeinde Böhmischen Brüder in Asch nach Prag aufgebrochen.

Besuch im Garten der Deutschen Botschaft

Erster Höhepunkt des „Medienwochenendes Anders“ war ein Besuch im Garten der Deutschen Botschaft, der für Besucher normalerweise nicht zugänglich ist. Kulturattaché Dieter Fuchsenthaler ließ für die deutsch-tschechische Gruppe die Zeit im Herbst 1989 wieder lebendig werden, als bis zu 4.000 Flüchtlinge aus der DDR im Garten campierten und von Hans-Dietrich Genscher erfuhren, dass sie in den Westen ausreisen dürfen. Die Teilnehmer waren tief beeindruckt von dem historischen Ort und den Geschichten der Botschaftsflüchtlinge.

Ziel der Reise war es, verschiedene Aspekte der langen und vielfältigen deutsch-tschechisch-jüdischen Geschichte Prags gemeinsam zu entdecken und in Videos zu verarbeiten. Tanja Fichtner, Projektreferentin für Gedenken und Versöhnung bei der Evangelischen Jugend in Weiden ist sich sicher: „Die Geschichte, die Tschechen und Deutsche miteinander haben, prägt viele Diskussionen bis heute, ob es nun um die Zukunft der EU geht oder um Flüchtlinge. Deshalb ist es wichtig, dass junge Menschen aus beiden Ländern gemeinsam Geschichte entdecken. Für uns ist das Beitrag zum Frieden.“

Flucht aus Auschwitz: Gespräch mit Zeitzeugen

Medienwochenende Dekanat Weiden Prag
Bei den Jugendlichen aus der Oberpfalz und aus Tschechien kam die Stadtführung besonders gut an, denn sie lernten dabei Orte und Menschen kennen, die Touristen normalerweise nicht erleben.

Im ehemaligen jüdischen Viertel der Stadt erzählte Eva Kuželova vom religiösen und weltlichen Leben der Prager Juden und von der Flucht ihres Vaters aus Auschwitz-Birkenau. Auch dieses Gespräch und der Besuch der Pinkas-Synagoge, in der die Namen aller durch die Nazis ermordeten tschechischen Juden stehen, hinterließ tiefe Eindrücke bei allen Teilnehmern.

Inspirationsquelle für das deutsch-tschechische Jugendprojekt „Dinge, für die es sich lohnt…“ Wir bringen Vergangenheit und Zukunft in der Gegenwart zusammen (gefördert vom Programm Ziel ETZ-3 der Europäischen Union und der Evangelischen Landeskirche Bayern) war der Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer. Da passte es gut, dass sich die Gruppe am Samstag auf die Spuren mutiger Widerständler begab.

Zusammen mit einem Prager Politikstudenten folgten sie dem Weg des friedlichen Studentenmarsches, der am 17.11.1989 von Polizeikräften brutal gestoppt wurde und so die Samtene Revolution und damit das Ende des Kommunismus in Tschechien einläutete. „Der Spaziergang hat mir am besten gefallen, weil die Geschichte der Studenten sehr interessant ist und es spannend war, darüber mehr zu erfahren.“ sagt Martin Landa, einer der Teilnehmer aus Hranice bei Asch.

Als Gruppe zusammengewachsen

Nach diesem intensiven Programm wurden die Teilnehmer selbst aktiv. Mit IPads des Jugendmedienzentrums T1 ausgestattet drehten sie einen gemeinsamen Film über die Gespräche und Erlebnisse in Prag und ihre Gedanken darüber, was „Anders“ alles bedeuten kann. Die Sprachbarriere spielte dabei schnell keine Rolle mehr. „Ich fand es besonders toll, dass wir als Gruppe so schnell zusammengewachsen sind und uns super verstanden haben. Das hat sehr gut geklappt, obwohl wir uns erst kennengelernt haben“, schwärmt Annika Küthe am letzten Tag, als das gemeinsame Abschluss-Video vorgeführt und beklatscht wird.

Und weil die Gruppe in einem ehemaligen Bauernhof mit Hostel, Bioladen und viel Platz untergebracht war, kam abends am Lagerfeuer sogar Zeltlagerstimmung auf. Gemeinsames Singen verbindet eben immer noch am besten! Nächstes Jahr findet das Medienwochenende „Anders“ in der deutschen Hauptstadt Berlin statt.

Bilder: Tanja Fichtner/Projektstelle Gedenken und Versöhnung

* Diese Felder sind erforderlich.