Wenn die Pflege zum Problem wird

Weiden/Plößberg/Neustadt/WN. Immer mehr Menschen kommen in Senioren- und Pflegeheime, aber die leiden unter einem immer größer werdenden Personalmangel. Auch in den Häusern der nördlichen Oberpfalz spürt man den Rückgang von Fachkräften und bildet verstärkt eigene Leute aus.

Von Udo Fürst

„Der sich zuspitzende Pflegefachkraftmangel und drohende Engpass an Pflegehilfskräften führt auch in Bayern zu einer prekären Situation in der pflegerischen Versorgung: Bereits heute können von den ambulanten Diensten neue Patienten nicht oder nur noch verzögert aufgenommen werden. Auch in stationären Pflegeeinrichtungen bleiben immer mehr Pflegeplätze unbesetzt.“ Mit eindringlichen Worten warnt der Präsident des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) Theo Zellner davor, dass in 15 Jahren über 30 Prozent der Pflegebedürftigen unversorgt bleiben könnten. Diese dramatische Entwicklung macht auch vor den Häusern der Region nicht halt.

Beispiel BRK-Senioren- und Pflegewohnheim Weiden: Heimleiter Ludwig Kreutzer telefoniert mit einem Interessenten, der einen Angehörigen im Seniorenheim unterbringen möchte. Kreutzer muss den Anrufer vertrösten – „Momentan ist das nicht möglich. Wir sind bis unters Dach voll.“ So wie in Weiden stellt sich die Situation in vielen anderen Häusern auch dar. Das liegt meistens nicht daran, dass man keinen Platz hätte, sondern vielmehr an den fehlenden Fachkräften.

Problem: Ansehen & Konkurrenz

„Es ist unmöglich, Personal von außen zu bekommen“, sagt Kreutzer. Seit etwa fünf Jahren werde die Suche nach Fachkräften immer schwieriger. Noch könne man die Stellen besetzen, weil man die Leute selbst ausbilde. „Aber wenn zwei oder drei Leute ausfallen, wird es problematisch.“ Das Hauptproblem sieht der Heimleiter im gesellschaftlichen Ansehen des Pflegeberufs. „Keiner will das machen, obwohl es einer der schönsten Berufe ist.“ Das bestätigt auch Theresa Grassl, seit heuer ausgelernte Pflegerin im BRK-Seniorenheim: „Das ist ein toller Beruf, der viel Spaß macht. Man bekommt viel zurück von den Bewohnern, dafür bin ich sehr dankbar.“

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Seit gut drei Jahren arbeitet Theresa Grassl (20 Jahre) im BRK-Senioren- und Pflegeheim Weiden. Die 87 Jahre alte Gerda Gerharz ist eine der circa 80 Bewohnerinnen; sie lebt seit vier Jahren im Pflegeheim.

Ähnlich stellt sich die Situation im Betreuten Wohnen der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Plößberg dar. AWO-Kreisgeschäftsführerin Angela Würner spricht von einem schweren Konkurrenzkampf und Abwerbeversuchen unter den Pflegeheimen. „Es werden jährlich viele Leute ausgebildet, aber wo sind die?“, fragt Würner. Eine Lösung sei, dass man die Leute selbst ausbilde, auf Dauer sei das aber zu wenig.

Ein anderes Problem hat man im Caritas-Seniorenheim in Neustadt/WN. Nach dem Brand des Hauses Anfang des Jahres habe man sowohl Bewohner als auch Personal verloren. So müsse man täglich Interessenten absagen, weil man nicht genügend Altenpfleger habe. Die bekomme man aber nur bei einer stärkeren Belegung. „Hier beißt sich die Katze in den Schwanz“, bedauert Einrichtungsleiterin Stefanie Schindler, die ebenfalls auf den enormen Konkurrenzdruck verweist.

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Altenpflegerin Anke Huber mit der 81 Jahre alten Maria Stoss, die seit drei Jahren im Betreuten Wohnen der Arbeiterwohlfahrt in Plößberg lebt.

Staat gefordert

Wird durch die erst kürzlich beschlossene Pflegereform der Bundesregierung jetzt alles besser? Das Sofortprogramm soll personelle Engpässe beseitigen, in dem 13.000 zusätzliche Stellen in Altenheimen geschaffen werden – 5.000 mehr als im Koalitionsvertrag vorgesehen. Finanziert werden sollen diese von der gesetzlichen Krankenversicherung. Während Gesundheitsminister Jens Spahn die Neuregelung als „den größten Schritt in der Pflege seit mehr als 20 Jahren“ bezeichnete, kritisierte die Opposition das Gesetz als nicht weitgehend genug.

Auch BRK-Vizepräsidentin Brigitte Meyer fordert weitere staatliche Maßnahmen für mehr Beschäftigungsverhältnisse. „Die Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte muss zur staatlichen Aufgabe werden und der Prozess zur Anwerbung und Duldung muss vereinfacht, beschleunigt und entbürokratisiert werden“, fordert Meyer und beschreibt einen Fall in Oberbayern, wo man auf die Rückmeldung eines Anerkennungsantrags einer philippinischen Altenpflegerin fast sechs Monate gewartet habe. Brigitte Meyer betont:

Es kann nicht sein, dass eine examinierte Pflegefachkraft bis zu einem Jahr auf die Anerkennung ihrer Berufsausbildung warten muss“

Bilder: Udo Fürst

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