Landwirte haben Vertrauen in Politik verloren
Neustadt/WN. „Das ist wie beim Brexit. Hätten wir noch ein Viertel Jahr diskutiert, wäre die Spaltung noch größer und am Ende hätten wir dasselbe Ergebnis“, versucht Landtagsabgeordneter Tobias Reiß die für viele unerwartet schnelle Annahme des Volksbegehrens Artenvielfalt zu rechtfertigen. Er spricht bei der gemeinsamen Ortsbäuerinnen- und Ortsobmännerversammlung des Bauernverbandes Neustadt-Weiden als Vertreter der CSU. Neben ihm stellt sich außerdem der FDP-Abgeordnete Christoph Skutella der Kritik der Landwirte.
Von Benedikt Grimm
Geladen waren auch die regional zuständigen Landtagsabgeordneten von Grünen, Freien Wählern und SPD. Die Staatsregierung habe aufgrund der gesetzlichen Fristen unter Zugzwang gestanden. Bis 18. April musste eine Entscheidung getroffen werden. Und Änderungen an dem Gesetzesentwurf der Volksbegehrens-Initiatoren seien rechtlich nicht möglich. „Die Verfassung gibt vor, dass es eins zu eins angenommen werden muss. Dazu gibt es Urteile, das ist halt so“, erklärt der Parlamentarier.
Bauernverband hat nicht zugestimmt
Das bestätigt auch BBV-Direktor Peter Huber, der die Entwicklungen in den vergangenen Monaten rund um das Volksbegehren zusammenfasst. Durch die beabsichtigten Begleitgesetze entscheide jetzt der Landtag über deren Ausgestaltung und 80 bis 90 Prozent der Forderungen der Landwirte seien umsetzbar. Bei einer Änderung des Gesetzesentwurfs hätte die Möglichkeit einer Anfechtung über eine Popularklage bestanden. Huber stellt aber klar, dass der BBV dem Volksbegehren nicht zugestimmt hat. Die Entscheidung sei von Ministerpräsident Markus Söder alleine getroffen worden. Eine Aussage, die Landtagsabgeordneter Reiß nicht bestätigen kann. Es seien auch die Fraktionen beteiligt gewesen und man habe lange diskutiert. Die rund 20 Prozent Zustimmung für das Volksbegehren würden umgerechnet auf die übliche Wahlbeteiligung eine Zustimmung von 40 Prozent bedeuten. „Auch in Umfragen gab es große Zustimmung. Mit dieser Situation mussten wir umgehen“, betont Reiß.
Begleitgesetze unter Haushaltsvorbehalt
Bei aller Kollegialität, die Reiß und Skutella ausstrahlen, betont der FDP-Mann dennoch, dass die FDP durchaus einen eigenen Gesetzesentwurf der Regierungskoalition erwartet hätte. Außerdem bedauert er, dass nicht alle Fraktionen am Runden Tisch einbezogen wurden. „Momentan besteht der Eindruck, dass etwas verhandelt wurde, das uns jetzt vorgesetzt wird.“ Skutella gibt ferner zu bedenken, dass alle Maßnahmen der Begleitgesetze unter Haushaltvorbehalt stünden. Obendrein drohe der Wegfall von EU-Förderungen, was zu einer stärkeren Belastung der Staatskasse führe.
Vertrauen in Politik verloren
Auch Landwirt Hans Scharbauer, der sich in der Diskussion zu Wort meldet, hätte einen Alternativ-Versuch für die bessere Variante gehalten. „So wäre ein besseres Gesetz raus gekommen.” Vor allem stört ihn aber die mangelnde Kommunikation. „Ich hätte es für vernünftiger gehalten, wenn man nicht erst am Ende vernünftig miteinander redet, sondern von Anfang an. So ist viel Vertrauen in die Politik verloren gegangen. Die Landwirtschaft ist sehr irritiert.
Ich bin mir nicht sicher, ob man auf kurze Distanz dieses Vertrauen wieder herstellen kann.
Konventioneller Bauer als Bad Boy
Ein anderer Landwirt meint, dass die Flächen in der Bundesrepublik bei ökologischer Bewirtschaftung nicht ausreichen würden, um die Bevölkerung zu ernähren. So müssten konventionelle Produkte aus dem Ausland zugekauft werden. Reiß widerspricht: „Wir exportieren konventionell und importieren bio.“ BBV-Kreiobmann Josef Fütterer stört sich an der öffentlichen Darstellung seiner Zunft: „Man hat den Eindruck, dass der konventionelle Bauer immer der Bad Boy ist. Das kann nicht sein. Wir plädieren dafür, dass beide gleichermaßen wirtschaften dürfen.“
Bilder: Benedikt Grimm
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