Ein Riss geht durch die Kulm-Stadt

Neustadt/Kulm. In Neustadt am Kulm, der kleinsten Stadt der Oberpfalz, stehen sich zwei scheinbar unversöhnliche Seiten gegenüber: Befürworter und Gegner der Marktplatzsanierung.

Von Udo Fürst

Neustadt am Kulm Haberberger
Bürgermeister Wolfgang Haberberger hat keinen leichten Job in Neustadt am Kulm.

Es ist schon ein besonderer Ort: die kleinste Stadt der Oberpfalz, die sechstkleinste in Bayern und 2013 ausgezeichnet mit dem „Schönsten Naturwunder Deutschlands“, dem Rauhen Kulm. Und noch etwas charakterisiert das 1.100-Seelen-Städtchen im Landkreis Neustadt an der Waldnaab: eine sprichwörtliche Streitlust – sowohl vor allem im bis 2014 amtierenden Stadtrat als auch unter Teilen der Bevölkerung. Hauptgrund für den unversöhnlichen Zwist ist die Sanierung des historischen Marktplatzes.

Großartiger Meilenstein?

Seit mittlerweile acht Jahren bewegt das acht-Millionen-Euro-Projekt den Stadtrat und viele Einwohner. Die Bürger erarbeiteten in Workshops unter Begleitung von Mediatoren Themen und konkrete Vorschläge für die Marktplatzsanierung. Nach fünf Jahren Diskussion und Vorbereitung beauftragte der Stadtrat im Juli 2016 das Planungsbüro „Landschaftsarchitektur+“ aus Hamburg mit dem Projekt. Bürgermeister Wolfgang Haberberger bezeichnete den Beschluss damals als „großartigen Meilenstein“.

Ende 2016 formierte sich dann der Widerstand mehrerer Marktplatzanlieger gegen die Pläne. In lautstarken Protestaktionen vor und während der Stadtratssitzungen formulierten sie ihre Bedenken – bis heute. Etwa ein Dutzend Bürger pfeifen seither vor jeder Sitzung alle Befürworter der Sanierung gnadenlos aus. Niemand wird verschont, weder Bürgermeister Wolfgang Haberberger noch der Autor dieser Zeilen. Da bleiben auch persönliche Beleidigungen nicht aus. Die Sitzungsteilnehmer nehmen die zur Gewohnheit gewordenen Proteste mittlerweile recht gelassen hin.

Neustadt am Kulm Marktplatz proteste
Proteste begleiten seit fast drei Jahren jede Stadtratssitzung

„Pro Neustadt“ – eine Gegenbewegung

Dass der Großteil der Einwohner hinter den Plänen der Stadt steht war 2017 zu sehen, als sich mit „Pro Neustadt“ eine Gegenbewegung zu den Kritikern bildete. Die Befürworter wollen mit der zügigen Umsetzung der Pläne ihre Stadt voranbringen und verurteilen die Aktionen der Interessengemeinschaft (IG) der Marktplatzanlieger als Verhinderungstaktik.

Auch bei der Bürgerversammlung 2018 wurde das deutlich: In einem letzten Versuch wollte die IG die Neugestaltung der Innenstadt noch verhindern. Die Bürger sollten ihren Wunsch nach einer Planänderung absegnen. Die Hoffnung der Gegner platzte aber schnell, als nur 16 Bürger ihr Anliegen unterstützten. 62 Anwesende stimmten dagegen.

Protest bis ins Landratsamt

Neustadt am Kulm Marktplatz

Der Protest der Gegner reichte bis ins Landratsamt und zur Bezirksregierung. Mit mehreren Briefen und Eingaben versuchten sie, ihre Forderungen durchzusetzen. 2017 erarbeitete der Architekt neue Pläne, in denen mehrere Forderungen der IG berücksichtigt wurden. In zwei Stadtratssitzungen mit Dutzenden Bürgern durften auch Gegner und Befürworter des Projekts ihre Wünsche und Vorstellungen präsentieren.

Nachdem die Stadt auf einige Forderungen der Anlieger einging, schien endlich eine vorsichtige Annäherung nahe. Aber das reichte den Kritikern nicht. „Wir wollen den Marktplatz in dieser Form nicht und wir werden weiter für unsere Vorstellungen kämpfen“, sagte IG-Sprecher Georg Doreth und machte mit seinen Mitstreitern die Drohung seither in schöner Regelmäßigkeit deutlich.

Mittelalterliche Stadtplanung erhalten

Während die Befürworter hinter den Protesten in erster Linie monetäre Gründe ausmachen – „die haben doch nur Angst, dass sie zu viel zahlen müssen“, sagte zum Beispiel ein Besucher der jüngsten Stadtratssitzung – will die IG die „mittelalterliche Stadtplanung mit ihrem bedeutenden Straßen- und Platzbild erhalten und darauf aufbauend eine Sanierung durchführen“.

Neustadt am Kulm Marktplatz
Die Sanierung des historischen Marktplatzes ist Grund für den Streit in der Stadt

Schmierereien und Ärger

Für Ärger sorgte kürzlich die Aktion bisher Unbekannter, die auf der Verbindung zwischen den Marktplatzstraßen mit wasserfester Farbe einen circa 20 Meter langen fiktiven Straßenverlauf aufmalten, der suggerieren sollte, dass die Fahrbahn nach der Marktplatzsanierung nur noch sieben Meter breit wird. „Das ist eine unverschämte Hetze“, sagt der Bürgermeister und kritisiert, dass der oder die Täter neben einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr auch falsche Behauptungen in die Welt gesetzt hätten. Die Entfernung der Linien kostete der Stadt über 2.000 Euro.

Fotos: Udo Fürst

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