Ein Säckchen voll Heimaterde

Grafenwöhr. Stadt und Stadtverband halten den “Tag der Heimat” aufrecht. Auch wenn von den ehemaligen Mitgliedern der Landsmannschaften nur noch wenige diesen Tag mitfeiern.

Tag der Heimat Grafenwöhr

Von Renate Gradl

Schon beim Gedenkgottesdienst, den Pfarrer Hans Bayer zelebrierte, wurde der Heimatvertriebenen gedacht. Auch danach sprach der Pfarrer am Gedenkstein beim Friedhof ein Gebet.

Dritter Bürgermeister Udo Greim zitierte in seiner Gedenkrede den österreichischen Schriftsteller und Widerstandskämpfer Jean Améry, der nach Kriegsende den Wunsch von Millionen von Menschen nach Heimat verteidigte. Dieser sagte: “Man muss Heimat haben, um sie nicht nötig zu haben”. Das Wort “Heimat” wurde von denen gering geschätzt, die Flucht und Vertreibung niemals mitmachen mussten.

Verantwortung bewusst sein

Auch nach Grafenwöhr kamen viele Vertriebene aus dem Osten hierher, die nichts besaßen, nirgendwo hingehörten oder nichts galten. “Der Bund der Vertriebenen trägt mit dem Tag der Heimat maßgeblich dazu bei, dass dieses kollektive Leid nicht in Vergessenheit gerät”, erklärte Greim. Dieser Verantwortung sollten wir uns auch heute noch bewusst sein.

Tag der Heimat Grafenwöhr

Zur Geschichte der Vertriebenen gehört nicht nur deren Heimatverlust, sondern auch ihr großer Anteil am wirtschaftlichen Aufbau und am demokratischen Erwachsen werden unseres Landes. “Sie haben das geistige Fundament von Freiheit, Demokratie und Völkerverständigung in Europa ganz wesentlich mitgestaltet”, so der Redner.

Integration braucht Zeit

Greim sprach auch die jetzige Situation von Menschen an, die in Deutschland Schutz suchen, von ihren Erfahrungen in Massenunterkünften und von beschwerlichen ersten Schritten in der neuen fremden Gesellschaft sowie von Anfeindungen und Rassismus. “Integration braucht Zeit, die jedoch selten ein konfliktfreier und harmonischer Prozess ist. Zu ihm gehört auch die Angst vor Konkurrenz, wie sie uns gegenwärtig manchmal allerdings in unerträglicher instrumentalisierter Gestalt rechter Hetze entgegentritt”, so Greim.

Die Zuwanderung motivierter ehrgeiziger Menschen könne unser Land aber auch voranbringen. Kein Widerspruch sei, das kulturelle Erbe aufrecht zu erhalten und zugleich in eine neue Gesellschaft zu integrieren. Der Tag der Heimat soll bewahrt werden.

Erinnerung in Gedichtform

Tag der Heimat Grafenwöhr
Anita Müller trug ein Gedicht zum Thema vor

Anita Müller aus Pressath erinnerte sich in Gedichtform an ihre Eltern und an ihre Heimat, die sie kaum gekannt, und mit einem Jahr gleich wieder verloren hat. Das Heimweh ihrer Eltern konnte sie zunächst nicht verstehen, noch weniger die vielen Tränen sehen, denn sie fand neue Freunde. Erst später und leise “schleicht sich in mein Herz, nach meiner Heimat, Sehnsucht – Schmerz. Dann fuhr ich in das Land, das wir verloren. Sah das Haus, in dem mich Mutter hat geboren. Und aus dem Garten vorm Elternhaus grab ich ein Säckchen voll Heimaterde aus.”

Auch den Friedhof habe Müller besucht, wo kein Licht, Kreuz oder Blumenherz waren. “Für viele gibt’s kein Vater unser mehr. Jetzt tat auch mir das Herz oft weh und ich meine Eltern nun gut versteh. Doch leider sind beide schon tot, haben ihre Heimat daheim bei Gott. Aber manchmal hör ich sie erzählen in meinen Träumen, von der kleinen Kapelle und den schönen Bäumen, vom Klöppeln, vom Egerland – Heimatland – möchte dich gern wieder sehen. Vom Rübezahl und schaurigen alten Sagen, der Mutters Stimme – doch nur ein Traum. Dann werd ich wach und alles ist leer, hab keine Eltern und die Heimat nicht mehr…”

Lieder über Frieden und Freiheit

Der dritte Bürgermeister bedankte sich abschließend bei Anita Müller, bei Pfarrer Hans Bayer, den Fahnenabordnungen des Katholischen Frauenbundes, Kolping und der Feuerwehr, bei den Trommlern des Spielmannszuges, beim Männergesangverein mit gemischtem Chor, der erstmals unter der Leitung von Riita Michelson Lieder über Frieden und Freiheit sang, sowie bei allen Anwesenden. Zuvor legte Greim mit Vertretern der Feuerwehr einen Kranz am Gedenkstein nieder.

Fotos: Renate Gradl

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