Norbert Weigert rettet Scherenschleifer-Ruf

Reuth bei Kastl. Norbert Weigert aus Reuth hat im Sommer getüftelt, geschraubt und geplant: Jetzt ist der Scherenschleifer bereit für seinen Einsatz. 

Von Johann Walter 

Norbert Weigert Reuth Kastl Scherenschleifer Rad Historischer Erntedankumzug 2020
Norbert Weigert baut sich für den Historischen Erntedankumzug sein eigenes Scherenschleifer-Rad. Mit seinem Engagement rettet er ein Stück weit den Ruf des zwielichtigen Gewerbes. Bild: Johann Walter.

Handwerk und Tradition sind zwei wesentliche Bestandteile, die der historische Erntedankumzug in Kastl im September 2020 darstellen soll. Viele Motivwägen sollen verschiedene Handwerkstechniken unterschiedlicher Berufe zeigen. Neu wird erstmals die Teilnahme eines Scherenschleifers sein dank Norbert Weigert aus Reuth.

Scherenschleifer hatten früher nicht immer den besten Ruf, wie er noch aus seiner Kindheit weiß. „So ein Schleiferer“ oder „eine Gosch’n wie ein Scherenschleifer“ – das sind Sprüche, die zum Ausdruck bringen, dass jemand nicht viel taugt.

Weigert lebt seit mehreren Jahren Reuth und engagiert sich als “Neubürger” voll und ganz bei den Vorbereitungen zum Erntedankumzug. Sein Engagement passt zwar nicht zum Scherenschleifer-Image: Beim Umzug als einer auftreten, will er dennoch. Gesagt, aber gar nicht so leicht getan.

Voller Baueinsatz für Scherenschleifer-Rad

Weigert musste erst einmal ein passendes Fahrrad finden – die größte Herausforderung, wie sich herausstellte. Nach langer Recherche im Internet weiß er sich zu helfen: Er baut aus Teilen drei alter Räder einfach ein eigenes Fahrrad, das den Anforderungen entspricht. “Herzstück und Hauptbestandteil dieses speziellen Gefährts ist der Schleifstein auf der Mittelstange des Rades mit dem die Messer und Scheren geschliffen werden”, erklärt Weigert.

Um die Schleifscheibe antreiben zu können, musste er nach historischer Vorlage einen speziellen Mechanismus anbringen. Mit einem speziellen Ständer kann das Fahrrad – ganz wie früher – „aufgebockt“ werden. Beim Bearbeiten der Klingen braucht es schließlich festen Stand. Weigert hängt hierfür die Kette für das Hinterrad aus und bei der Schleifscheibe wieder ein. Werden die Treter betätigt, treibt das den kleinen Schleifbock an.

Weigert macht sich viel Mühe, um das Rad nach alten Vorbild originalgetreu nachzubauen. Hinten und vorne hat er mehrere Gepäckträger angebracht, wo verschiedene Haushaltswaren Platz finden, die Scherenschleifer bei sich hatten, um ihren Verdienst aufzubessern. Zum Beispiel Putzlappen, Hosengummis, Knöpfe, Scheren und Messer.

Stand der Sommer für Weigert ganz unter dem Bau des Rads, macht er sich ab jetzt an die Details – unter anderem die Klamotten. “Es ist nicht einfach, die passenden Sachen zu finden”, sagt Weigert.

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Kleidung und Accessoires für Historischen Erntedankumzug gesucht

Beim historischen Erntedankzug 2020 werden viele hundert Darsteller zu Fuß und samt Motivwägen zu sehen sein. In vielen Familien in Kastl sind zwar einige alte Kleidungsstücke aus der Zeit vorhanden, die zum Einsatz kommen. Aber noch nicht alle Mitwirkenden haben passende Kleidung gefunden.

Wer daheim im Schrank, im Keller oder auf dem Speicher passende Klamotten wie alte Hosen, Leinenhemden, Mäntel, Kleider, Gehröcke, Hüte, Zylinder und mehr aus der Zeit hat, soll sich bitte beim Festausschuss melden. [/box]

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Scherenschleifer, ein zwielichtiges Gewerbe

Scherenschleifer, Kesselflicker und Hausierer hatten keinen guten Ruf bei der Bevölkerung auf dem Land. Sie waren dafür bekannt, dass sie minderwertige Waren zu überhöhten Preisen anbieten und dass sie gerne auch mitnahmen, was nicht niet- und nagelfest war. Scherenschleifer hatten Verkaufsgeschick, sie waren redegewandt und schafften es ihre Waren selbst geizigen Bauern zu verkaufen.

Indem sie von Ortschaft zu Ortschaft zogen und auf viele Höfe kamen, hörten und sahen sie vieles, was sie sich als Informationen auch bezahlen ließen. Bei der älteren Generation im Kemnather Land ist vor allem die “alte Hösl aus Kaibitz” noch bekannt. Zusammen mit ihren beiden Söhnen brach sie damals in die Kastler Kirche ein, um Wertsachen zu stehlen.

Sie stand Wache, während die beiden jungen Männer den Tabernakel aufbrachen. Sie selbst war viele Jahre als Hausiererin im Fränkischen unterwegs, wo man sie weniger kannte. Bei Tag spionierte sie als unbescholtene ältere Frau beim Verkauf ihrer Waren mit Vorliebe abgelegene Höfe aus, um dort bei Nacht selbst einzusteigen oder anderen Tipps geben zu können, wo sich ein Einbruch lohnt. [/box]

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