Totentanz mehr als „Memento mori“: Von Gesellschaftskritik bis Selbstinszenierung

Tirschenreuth. Das Thema hat europäische Dimensionen: Tote tanzen in Skandinavien, in Spanien, Slowenien und Frankreich, sie tanzen mit Lebenden im Reigen oder paarweise in Italien, Österreich, Deutschland und den Niederlanden. Seit dem 13. Jahrhundert gehören die Darstellungen zur gesamteuropäischen Kulturgeschichte. Die vhs geht in einer Reihe auf die unterschiedlichen Motive und Hintergründe ein.

Spreuerbrücke Totentanz Darstellungen VHS Vortrag
Ergiebige Vergleiche: Während die Grisaille-Darstellungen in Wondreb eher karg und kalt wirken, strotzen die Farbbilder in Luzern vor praller Lebensfreude und der Inszenierungslust reicher Familien. Friedrich Wölfl, rechts beim Motivvergleich auf der Luzerner Spreuerbrücke, möchte an drei Abenden solchen Facetten und ihren Hintergründen nachgehen. Foto: VHS Tirschenreuth

Der Totentanz erklärt sich aber nicht nur aus Religionsgeschichte und Volksglauben. Nicht selten geriet er zum sozialkritischen Statement oder zum Instrument der Selbstinszenierung.

Eine kleine kulturgeschichtliche Reihe der Volkshochschule widmet sich zwar auch den bekannten Erklärungen zum Totentanzmotiv, wie sie viele Stiftländer etwa für die Wondreber Friedhofskapelle kennen. Die Grisaille-Darstellungen um 1700 nach Vorlagen von Abraham a Sancta Clara wenden sich mit dem „Memento mori“ an die Dorfbevölkerung: „Denke dran, dass du sterblich bist!“ Und: Der große „Gleichmacher Tod“ schaffe auch eine Art von Gerechtigkeit.

Die Welt mit Wondreb vergleichen

Die Vergleiche mit Totentänzen in Städten wie Straubing, Basel, Bern und Luzern haben oft weitergehende Absichten und Zeitbezüge und andere Adressaten. Manchmal erweisen sich die Darstellungen dort überraschend auch als Medium für sehr profane Botschaften. Interpretationshilfen liefern überdies die künstlerischen Gestaltungsmittel und die gewählten Orte wie Friedhofsmauern, Beinhäuser, Hofkirchen oder öffentliche Gebäude.

Aus etwa 400 europäischen Totentänzen wurden für die vhs-Reihe vier weitere ausgewählt, die für den beabsichtigten Vergleich mit den Bildern in Wondreb anschauliches und aussagekräftiges Material bieten.

Drei Vorträge zum Thema

In drei jeweils rund zweistündigen Vorträgen geht Studiendirektor a. D. Friedrich Wölfl von den Darstellungen in Wondreb aus und erläutert gesellschafts-, religions- und kulturgeschichtliche Hintergründe. Unerwartet unterhaltsam sind Filmausschnitte, Cartoons und „Dance Macabre“-Abbildungen aus den letzten Jahrzehnten. Abwechslung versprechen Beispiele aus Literatur, Ballett, Musik und den bildenden Künsten, aus der politischen Propaganda und der Werbebranche.

Wie das Thema zeitgenössische Künstler inspiriert, lässt sich an ausgewählten originellen, mitunter satirisch-bissigen Beispielen aus der Gegenwart diskutieren. Der Kursleiter greift dabei auf seine eigene umfangreiche Sammlung zurück und zieht Veröffentlichungen der Europäischen Totentanz-Vereinigung heran.

Wer sich in das Thema einlesen will, findet auf der Internetseite der Europäischen Totentanz-Vereinigung grundlegende Informationen sowie Anregungen zur Vertiefung unter www.totentanz-online.de.

Termine und mögliche Tagesfahrt

Die Veranstaltungstermine sind Freitag, 8. November 2019, 17. Januar und 3. April 2020, jeweils um 18.30 Uhr im Mehrzweckraum des Landratsamtes (Amtsgebäude I – Anbau, 1. Stock). Anmeldung ist nicht erforderlich, Eintritt jeweils 3 Euro (Abendkasse).

Falls sich aus dem Kreis der Teilnehmer genügend Interessenten für eine Tagesfahrt zu Totentanz-Darstellungen in Ostbayern finden, ist für den Frühsommer 2020 eine Besichtigungsreise geplant. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich – von Wondreb ausgehend – an weiteren Darstellungen im Stiftland, in Roding, Haselbach, Viechtach und Straubing vertiefen.

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