Tickende Zeitbomben: Glasfabriken und deren Altlasten

Neustadt/WN/Altenstadt/WN/Windischeschenbach. Seit Jahrzehnten ticken in den stillgelegten Glasfabriken in der Nordoberpfalz giftige Zeitbomben, doch wie so oft scheitert deren Beseitigung an der Frage der Finanzierung.

Von Udo Fürst

Altlasten Glasfabriken
Das verlassene Fabrikgelände Hofbauer in Altenstadt galt lange als beliebter Spielplatz.

Es ist ein Umweltskandal ersten Ranges: Ein 2.000-fach erhöhter Wert an Blei in den Stadtbrunnen, mit teilweise hochgiftigem Abraum aus den Glashütten aufgefüllte Hohlwege, Hofeinfahrten und Straßen, mit Arsen verseuchte Böden im Umkreis – die Hinterlassenschaften der längst geschlossenen Bleikristallfabriken Beyer und Hofbauer gefährden seit Jahrzehnten die Bevölkerung von Altenstadt. Seit 1996 liegt das Gelände brach. Insgesamt 127 000 Quadratmeter Altlasten haben die ehemaligen Fabriken hinterlassen.

Gefahr für abenteuerlustige Kinder

Seit Jahren wissen die Behörden über diese Sauerei Bescheid – können aber kaum reagieren, weil bis heute nicht klar ist, wer das Gift aus dem Boden und dem Wasser bringt und – vor allem – wer es bezahlt. Von den einstigen Besitzern der Bleiglasfabriken ist nichts mehr zu holen und der in diesem Fall zuständige Freistaat hält für solche Fälle nur eine lächerlich geringe Summe bereit.

„Betreten verboten“ heißt es auf einem Schild am Eingang der ehemaligen Bleikristallglasfabrik Hofbauer. Dass dennoch Kinder in den gefährlichen Altlasten spielen, bleibt nicht aus. Allzu interessant ist das Gelände als Abenteuerplatz. Anwohner kümmern sich darum, Schlupflöcher mit altem Baumaterial oder Bauschutt zu verstopfen, damit den Kindern nichts passiert.

Altlasten Glasfabriken
Ob Verbotsschilder vor den Gefahren schützen?

Ein Sonderprogramm soll helfen

Dabei haben diese Fabrikanlagen einst Familien ernährt: Wo über 1.000 Familien bei der Herstellung von Bleikristall ihr Brot verdienten, ragt heute ein verlotterter Schlot in die Höhe. Alte Gemäuer modern vor sich hin, Müllberge stinken zum Himmel. „Es liegt auch im Interesse des Bayerischen Umweltministeriums, dass die Altlasten aus der früheren Bleiglas-Produktion endlich beseitigt werden“, erklärte der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (FW) bei einem Besuch vor Ort Anfang Februar.

Altlasten Glasfabriken
Umweltminister Thorsten Glauber (blaue Jacke) beim Besuch in Altenstadt mit Vertretern örtlicher Pateien. Foto: Freie Wähler/Stephan Landgraf

Landrat Andreas Meier weist darauf hin, dass noch keine Sanierungsgutachten vorliegen und er hofft auf ein Sonderförderprogramm des Freistaats. „Wir erwarten bis Ende März die Resultate der Gutachten“, erklärt Glauber. Meier geht nach ersten, „wirklich vorsichtigen Schätzungen“ bei einer Sanierung aller ehemaligen Bleikristall-Altlasten von einer Gesamtsumme von rund 70 Millionen Euro aus.

Kommune soll Eigentümerin werden

„Wenn man sich die Tatsache vor Augen führt, dass sowohl bei der GAB (staatliche Gesellschaft für Altlastensanierung in Bayern) als auch über die FAG-Mittel jährlich nur etwa 3,5 Millionen Euro für solche Sanierungsfälle in ganz Bayern zur Verfügung stehen, so ist deutlich erkennbar, dass ein echtes Vorankommen beim Thema Altlasten aller Bleikristall-Altlastenflächen bei Osram in Neustadt, Beyer & Co. sowie Hofbauer in Altenstadt und der Annahütte in Windischeschenbach mit sichtbaren Ergebnissen nur durch ein gezieltes Sonderförderprogramm des Bayerischen Umweltministeriums möglich ist“, erklärt Meier.

Altlasten Glasfabriken
Nur äußerlich gesichert: die ehemalige Annahütte in Windischeschenbach.

Landrat Meier hofft, dass der Umweltminister ihn beim sogenannten Investorenmodell unterstützt. Dieses Modell soll Kommunen helfen, Eigentümerin der Brachflächen zu werden, um diese zu entwickeln. Das war bisher kaum möglich, weil hochriskant: Die Kommunen müssten dafür voll die Haftung für die Altlasten übernehmen. Laut Glauber wäre es “durchaus vorstellbar, den überwiegenden Teil der Bleikristallstandorte als Investorenfälle zu behandeln”.

Die Altlast geerbt

Altenstadts Bürgermeister Ernst Schicketanz hat seine liebe Not damit, der Bevölkerung zu beteuern, dass die Stadt stets bemüht ist, die Altlasten loszuwerden. Nur langsam geht etwas vorwärts. Deshalb hat Schicketanz MdL Annette Karl (SPD) eingeladen. Auch sie soll im Landtag ein gutes Wort einlegen, damit Fördergelder fließen. „Ich kann nichts dafür, dass diese Ruine hier steht“, betont Schicketanz. Seit 13 Jahren ist er Bürgermeister in Altenstadt, die Bauruinen hat er als politischer Vertreter der Stadt mitgeerbt.

Altlasten Glasfabriken
Zerbrochene Fensterscheiben sind noch das geringste Problem bei den verlassenen Bleikristallfabriken.
Altlasten Glasfabriken

Fotos: Udo Fürst (4)/ Freie Wähler (Stephan Landgraf 1)

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1 Kommentare

Robert Krinner - 01.03.2022

Hallo
Es gibt auch Möglichkeiten, gering belastete Flächen, Teilflächen Hofflächen einer neuen Nutzung zuzuführen. Wir suchen schwach belastete Flächen, und versiegeln diese, damit kein
Oberflächenwasser eindringen kann. Je nach Belastung der Flächen kostet dies, oder bei schwach belastet ist dies gratis oder kommt noch etwas raus.
Es gibt immer Möglichkeiten, nicht nur Alles, oder Nichts.
Nennen Sie uns schwach belastete Flächen und wir prüfen diese auf Verwendung für neue Ideen.