Bombenfeuer auf Grafenwöhr: Schwarzer Tag am Weißen Sonntag
Grafenwöhr. Bombenteppiche fielen auf Grafenwöhr, am 5. und 8. April vor 75 Jahren erlebten die Stadt und das Lager bei den Luftangriffen ihr Inferno. Der 8. April 1945, der Weiße Sonntag, wurde zu Grafenwöhrs schwärzesten Tag.
Am Donnerstag, 5. April 1945, wurde das Lager, das damals vom Kommandanten zur „Festung Grafenwöhr“ erklärt worden war, von alliierten Flugzeugverbänden das erste Mal angegriffen. Gegen 11 Uhr flogen die Bomber von Osten her an und warfen ihre Last – beginnend bei Bruckendorfgmünd – in das Waldgebiet Mark. Im Wald versteckt befand sich das größte Giftgaslager der Wehrmacht. Drei Millionen Gasgranaten und Gasgeschosse hätten ausgereicht, um das Leben in der gesamten Nordoberpfalz auszulöschen. Das Giftgaslager wurde bei dem Angriff nur knapp verfehlt.
Der Bombenteppich zog sich anschließend weiter über die Creußenwiesen und richtete im Nordteil des Hauptlagers verheerende Schäden an. Schwer getroffen wurden die Panzerwerkstätten und die angrenzenden Gartenanlagen. Dort wurden zehn Menschen, darunter allein fünf Kinder, getötet. Die Menschenverluste am 5. April 1945 wurden mit 74 Toten, darunter 15 Zivilisten, angegeben.
Großer Angriff am Weißen Sonntag
Weit verheerender wirkte sich der Angriff am 8. April, dem Weißen Sonntag, aus. Gegen 11.30 Uhr ertönten die Sirenen und kündigten das Herannahen von 203 amerikanischen B-17-Bombern an. Grafenwöhrs Bewohner flüchteten in die als Schutzräume deklarierten Felsenkeller am Annaberg. Einige vertrauten sich dem Schutz ihrer durch Holzbalken abgestützten Hauskeller an.
Dramatische Szenen spielten sich ab, wie Augenzeugen bei den Gedenkfeiern in den Jahren 2015 und 2005 schilderten. „Annähernd zwei Stunden dauerte das Bombardement“, erzählte die im März 2020 verstorbene Anna Mock. Sie war damals 19 Jahre alt. „Bombenteppiche fielen auf Grafenwöhr, zerstörten Leben und hinterließen Verwüstung weit umher. Es war Grafenwöhrs schwärzester Tag vor genau 60 Jahren, möge Gott uns vor einer Wiederholung bewahren“, heißt es in einem Gedicht, das die Lehrerin 2005 zum 60. Jahrestag der Bombardierung schrieb.
„Very good – possibly excellent results“
„427,5 Tonnen Sprengbomben und 178,5 Tonnen Brandbomben wurden von den Flugzeugen in mehreren Wellen auf die Stadt und das Hauptlager abgeladen“, heißt es detailliert in dem vorliegenden Bericht der 3. US-Air Division. Die Ergebnisse werden darin als „Very good – possibly excellent results“ bezeichnet. Spätere Auswertungsflüge der Alliierten ließen das gesamte Ausmaß der Zerstörung erkennen.
Nahezu das gesamte Hauptlager war von Bombentreffern übersät. In der Stadt selbst hatte es vor allem die Häuser entlang der Neuen und der Alten Amberger Straße sowie in der Gartenstraße und am Alten Weg getroffen. Nach amtlicher Aufstellung waren 210 Gebäude, darunter 105 Wohnhäuser, zerstört oder beschädigt. 3.000 Menschen waren obdachlos geworden. Elf zivile Opfer waren am 8. April 1945 in der Stadt zu beklagen. Über die Anzahl weiterer Todesopfer im Lager gibt es keine präzisen Angaben. Die Stadtchronik berichtet, dass bei beiden Angriffen mehrere Hundert Wehrmachtsangehörige und Kriegsgefangene ums Leben kamen.
Trauer, Entsetzen und Ratlosigkeit herrschten nach der Bombardierung bis zum Einmarsch der Amerikaner am 19. April. Viele obdachlose Bewohner hatten die Stadt verlassen. Das deutsche Militärpersonal war orientierungslos. Die Bombenangriffe hatten ihre Wirkung nicht verfehlt und die „Festung Grafenwöhr“ zu Fall gebracht.
Wie der Grafenwöhrer Engelbert Reiter den Bombenangriff erlebt hat, liest du hier.
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Einladung zum Gebet
Am Mittwoch, 8. April 2020, werden um 11.30 Uhr die Glocken der Grafenwöhrer Kirchen läuten und an die Bombardierung und die damit verbundenen, schwärzesten Stunden und Tage der Stadt vor 75 Jahren erinnern. Durch die Corona-Krise kann auch die geplante, gemeinsame Gedenkfeier der Stadt und der US-Armee mit Gottesdienst, Kranzniederlegung und geschichtlichem Rückblick nicht stattfinden.
Am Mahnmal vor dem Rathaus soll in aller Stille ein Kranz niedergelegt werden. Bei einer nichtöffentlichen Messe, ohne Besucher, wird in der Maria Himmelfahrtskirche an diesem Mittwochabend der Opfer der schrecklichen Ereignisse im April 1945 gedacht. Stadtpfarrer Bernhard Müller lädt die Gläubigen zum Mitbeten in der Ferne ein. [/box]
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