US-Einmarsch in Grafenwöhr

Grafenwöhr. Augenzeugenberichte aus der Grafenwöhrer Stadtchronik und der “After Action-Report” der 11. US-Panzer-Division schildern den Einmarsch der Amerikaner in Grafenwöhr am 19. April 1945.

Von Gerald Morgenstern 

Grafenwöhr 75 Jahre Vorbach Unterführung
Ein amerikanischer Sherman-Panzer in Bahnunterführung vor den brennenden Häusern in Vorbach.

Die 11. Panzerdivision gruppierte ihre Einheiten in zwei Kampfgruppen, die auf getrennten Routen vorrückten. Der Angriff begann planmäßig am Morgen des 19. April. Gegen 6.30 Uhr flogen Kampfbomber ihren ersten Aufklärungseinsatz und bekämpften einige Kasernen, gegen beträchtliches Flak-Feuer wurde Grafenwöhr an diesem Tag noch weitere fünf Mal angegriffen. Ein zweites Geschwader flog Tiefflugeinsätze gegen Kemnath. Neustadt am Kulm wurde mit Bomben belegt und auch Pressath aus der Luft angegriffen.

Köchin hisst weiße Flagge

Die Einsatzgruppe „Wingard“ aus Panzer- und Panzerinfanterieeinheiten rückte auf Grafenwöhr zu. Auf dem Birka bezogen die Panzer Stellung, während die Hauptmacht der Truppen um 15.25 Uhr in Grafenwöhr einrückte. Ein Großteil der Grafenwöhrer Bevölkerung hatte sich in die Felsenkeller am Annaberg zurückgezogen – auch einige deutsche Soldaten waren darunter. Die Amerikaner zogen mit einer langen Kolonne in die Stadt ein, nach einiger Zeit kamen sie den Annaberg herauf und durchsuchten die Kartoffelkeller nach Deutschen Soldaten.

Grafenwöhr 75 Jahre Einmarsch Amerikaner Wasserturm
Im Gelände des Truppenübungsplatzes rückte die Kampfgruppe B der 11. US-Panzerdivision von Südwesten in das Lager Grafenwöhr ein und postierte sich mit ihren Sherman-Tanks im zerstörten Stalllager vor dem Wasserturm.

Die Gefangenen wurden im Wirtsgarten beim Goldenen Löwen gegenüber der Brauerei festgehalten. Während des Einmarsches gab ein angeblicher SS-Angehöriger einen Schuss ab. Der Schütze wurde vom amerikanischen Militärbefehlshaber zum Tode verurteilt und musste bereits sein Grab ausschaufeln. Der Grafenwöhrer Benefiziat Adolf Schultes verhandelte längere Zeit intensiv mit dem leitenden Offizier und rettete so das Leben des Soldaten.

Nun stand der erste Panzer auf dem Marineplatz, die Kanone direkt auf das Rathaus gerichtet. Die Köchin eines Gasthauses soll am Rathaus ein weißes Laken gehisst haben. Niemand von den behördlichen Vertretern wollte die Stadt den neuen Herren übergeben. Stadtpfarrer Adolf Schosser und Benefiziat Schultes wagten es mit den Amerikanern zu verhandeln, schreibt der heuer verstorbene Monsignore Karl Wohlgut in seinem Buch.

Einmarsch über Vorbach

Die Kampfgruppe B rückte von Bayreuth über Creußen in die Oberpfalz ein. Die amerikanische Luftaufklärung kündigte für den Raum Vorbach und Oberbibrach Widerstand an. Bei den Kampfhandlungen dort, gab es Tote und es kam zu erheblichen Zerstörungen.

Nach der Einnahme Vorbachs und Oberbibrachs zogen die amerikanischen Truppen gegen 11.30 Uhr in Speinshart ein. Gegen 13.30 Uhr durchfuhren die ersten amerikanischen Panzer Eschenbach, wo an mehreren Häusern und auf der Kirche weiße Fahnen aufgezogen waren. Geringen Widerstand gab es bei Stegenthumbach, ganz in der Nähe wurde zuvor durch deutsche Wehrmachtssoldaten das Eisenbahngeschütz Dora gesprengt.

Grafenwöhr 75 Jahre US-Einmarsch-OberbibrachTurm
Amerikanische Soldaten mit ihren Panzern und Jeeps vor Oberbibrach.

Im Gelände des Truppenübungsplatzes rückte die Kampfgruppe B über den Weiler Grünhund von Südwesten in das Lager Grafenwöhr ein und postierte sich in dem von Bomben zerstörten Stalllager vor dem Wasserturm. Es folgte die Säuberung des zerstörten südlichen Teils der Stadt. Um 16.30 Uhr meldete die Division die Einnahme Grafenwöhrs. Ein Befehl des 12. US-Korps wies die Division an, den Vorstoß bei Grafenwöhr zu stoppen. Die Unterbrechung wurde genutzt um den Raum Grafenwöhr „zu säubern und zu sichern“.

Es wurden erhebliche Bestände an Waffen, Munition und Material sichergestellt unter anderem befand sich „eines der größten Depots für chemische Kampfstoffe in Deutschland in einem bewaldeten Verteilungsraum (in der Mark)“, heißt es im After Action Report der Division. Am Morgen des 20. April soll es auch zur formellen Übergabe des Truppenübungsplatzes gekommen sein. In der Nacht vom 19. auf den 20. April 1945 wurden Gmünd und Hütten mit Panzerartillerie beschossen, ohne dass größere Schäden entstanden. Bürgermeister Arnold übergab Gmünd am 20. April, Hütten folgte, vorher fielen am Loosberg drei deutsche Soldaten. Am 21. April wurden die Sicherungsmaßnahmen im Raum Grafenwöhr fortgesetzt, die verhängte Ausgangssperre wurde verschärft, das Verlassen der Stadt war verboten.

Grafenwöhrer Stadttor wird gesprengt

Grafenwöhr Einmarsch Amerikaner Stadttor siegreiche Truppen
Weil die Durchfahrt für die amerikanischen Panzer zu klein war wurde das historische Stadttor am Stadtweiher am 21. April 1945 von amerikanischen Pionieren gesprengt.

Am Nachmittag des 21. Aprils 1945 beorderten die Amerikaner eine Pioniereinheit nach Grafenwöhr. Ein übergroßer Panzer stand vor dem Unteren Stadttor und kam nicht hindurch. Es wurde der Befehl gegeben, das über 300 Jahre alte Tor zu sprengen. Zwei Stunden vor der Sprengung erschien ein Soldat in der angrenzenden Stadtmühle und erklärte, dass das Tor gesprengt wird. Sie zogen sich mit den Anwohnern hinter die Alte Pfarrkirche zurück, gegen 18 Uhr erfolgte die Sprengung, das Tor hob sich und fiel in sich zusammen. Die Reste wurden in den Thumbach und den Stadtweiher geräumt.

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Neugierig im MG-Nest

Engelbert Reiter Grafenwöhr Bombenangriffe 1945 Gedenken nach 75 Jahren
Engelbert Reiter erzählt über den Einmarsch der Amerikaner, den er als 16-jähriger Bub in Runkenreuth erlebte.

Der 91-jährige Engelbert Reiter (er berichtete über die Bombardierung Grafenwöhrs) erzählt, dass er mit seiner Familie und weiteren Verwandten nach der Ausbombung aus Angst vor weiteren Angriffen auf Grafenwöhr in Runkenreuth Unterschlupf fand. Dort erlebte er den Einmarsch der Amerikaner. An der Staatsstraße nach Eschenbach, die damals noch durch die Runkenreuther Senke führte, lag eine mit starken Hölzern vorbereitete Panzersperre.

Zur Sicherung war ein 50 Meter Entfernung ein Maschinengewehr-Stand eingerichtet. Als es starke Fahrzeuggeräusche aus Richtung Eschenbach gab, machte das seinen Bruder Martin und ihn neugierig und sie rannten zum MG-Nest. Das bot einen guten Überblick: Sie konnten beobachten, wie die Amis mit ihren Fahrzeugen und Panzern auf dem Hotzaberg dicht an dicht zu einer Wagenburg auffuhren. Das ganze wurde von einem amerikanischen Aufklärungsflieger gesichert und begleitet, dieser machte wahrscheinlich auch die Buben in ihrem Unterstand aus. Kurz darauf feuerten die Amerikaner drei Artillerieschüsse in Richtung Runkenreuth, die aber keinen Schaden anrichteten. Die Buben rannten darauf zurück und erhielten für ihren jugendlichen Leichtsinn eine Riesen-Schelte.

Elternhaus zerbombt

Später rollten Fahrzeuge und amerikanischer Jeep mit einem farbigen Soldaten in Runkenreuth ein. „Die Frauen hielten den Soldaten mit Eiern gefüllte Laabschüsseln entgegen, doch die winkten nur ab“, erzählt Reiter. Der Erzähler erinnert sich noch, dass einige deutsche Soldaten einer Werkstattkompanie mit erhobenen Händen aus dem Wald oberhalb von Runkenreuth auf die Amerikaner zugingen und festgenommen wurden.

Einige Tage nach der Einnahme von Grafenwöhr Stadt, zog die Familie Reiter wieder nach Grafenwöhr. Im teilweise zerstörten und zerbombten Elternhaus wurde provisorisch Quartier aufgeschlagen, bevor es nach und nach an die Reparatur des Hauses ging. [/box]

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1 Kommentare

p, reimann - 31.10.2022

Intressante Artikel. Ich bin in Kemnath geboren und habe die amer. Soldaten nur im training als kleiner Junge mitgemacht. Eine tolle Zeit für uns Kinder.