Jürgen Schuller und Lea Simone Bogner erwecken “Blaue Villa” zu neuem Leben

Kaltenbrunn. Jürgen Schuller und Lea Simone Bogner haben ehrgeizige Pläne für das ehemalige evangelische Schul- und Gemeindehaus, die Blaue Villa in Kaltenbrunn.

Von Siggi Bock 

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Lea Simone Bogner und Jürgen Schuller wollen die Blaue Villa mit Leben erfüllen.

Das Schul- und Gemeindehaus am Marktplatz ist ein dominierendes Gebäude. Künftig soll es eine noch gewichtigere Rolle im Ort spielen: „Wir wollen dieses von den Jahren gekennzeichnete Dornröschen wachküssen“, erklären Kosmopolitin Lea Simone Bogner und der ortsansässige Jürgen Schuller, Lehrer am Eschenbacher Gymnasium.

Aus der Blauen Villa, wie sie Bogner und Schuller liebevoll nennen, soll eine Landefläche für Kunst, Kultur und Bildung entstehen. Im großen Saal der Villa können künftig Seminare, Weiterbildungen, Konzerte, öffentliche Vorträge veranstaltet werden. In weiteren Räumlichkeiten werden Coaching, Paar- und Familienberatung sowie Gesangsunterricht angeboten.

Gerade auch Externen, die geeignete Räume für ihre Angebote suchen, soll eine Möglichkeit geschaffen werden, sich einzumieten. Lea Simone Bogner: „Besonders denken wir dabei an Angebote aus den Segmenten Körperarbeit, Naturheilkunde, Yoga, Meditation und Therapie. Darüber hinaus liegen uns Kunstschaffende, die Raum für Proben, Auftritte oder Ausstellungen benötigen, am Herzen.“

Blaue Villa Kaltenbrunn
Intensives Sozialleben soll nach dem Umbau ins ehemalige evangelische Schul- und Gemeindehaus am Marktplatz einziehen.

Kommunikation, Verbindung und persönliches Wachstum fördern

Die Besitzer bedauern es, dass in Kaltenbrunn die Möglichkeiten des gesellschaftlichen und kulturellen Miteinanders immer weiter schwinden. Gleichzeitig sind sie begeistert von der Hilfsbereitschaft und vom Zusammenhalt im Marktflecken. „Jedes Mal, wenn ich in Kaltenbrunn ankomme, spüre ich, wie ich innerlich aufatme und zur Ruhe komme. Der friedliche, naturnahe Ort inspiriert mich, mich den Dingen zu widmen, die mir wirklich wichtig sind im Leben.“ Bogner und Schuller: „Uns beide verbindet das tiefe Interesse für Beziehung, Natur und Kultur. Genau genommen haben uns Architektur und Lage des schönen Gebäudes dazu inspiriert, dafür genau hier Raum zu schaffen. Wir wollen mit unseren Angeboten dazu beitragen, Kommunikation, Verbindung und persönliches Wachstum zu fördern.“

Die gebürtige Schweizerin Bogner bringt ihre langjährige Erfahrung als Coach, Paarberaterin und Gesangslehrerin/Stimmtrainerin in die Villa ein. Ihr Lebensweg, der von der Schweiz über Amsterdam, New York und Wien führte, verleiht ihrer Arbeit mit Menschen einen besonderen Reichtum.

Der Kaltenbrunner Biologe, Pädagoge und Buchautor Schuller liebt das Wissen, die Natur und das Weitergeben von Faszination für Bäume. Mancher kennt ihn bereits von seinem Buch „Faszinierende Bäume der Oberpfalz“, das im März 2020 im Battenberg-Gietl-Verlag erschienen ist. Der Baumspezialist vermittelt sein Wissen auch in Vorträgen, Im Radio und jüngst im BR-Fernsehen.

Zusammenkommen und gemeinsam Wachsen – auch online

In der Blauen Villa planen Bogner und Schuller einen Ort des Zusammenkommens, des persönlichen und künstlerischen Wachsens, der öffentlichen Vorträge, des gemeinsamen Lernens, Feiern, Tanzens und des Austausches. Und damit wollen sie dem imposanten Gebäude im wörtlichen Sinn seine ursprüngliche Bedeutung zurückgeben: Wieder ein Haus des Lernens und des pädagogischen Soziallebens zu sein – wie bereits 1908.

So gehören Unterbrechungen und Stillstand zur Geschichte der „Blauen Villa.“ Und prägen auch ihre Gegenwart. 2020 schließen nicht nur abermals die Schulen, sondern eine Folge von Lockdowns bremst die Pläne zur Wiederbelebung erst mal aus. „Durch Covid-19 stehen unsere fleißigen Zahnräder seit einiger Zeit still: Keine Ortstermine mit Architekten, Handwerkern oder Entscheidungsträgern der Dorferneuerung und so vieles mehr“, bedauert Oberstudienrat Jürgen Schuller, der in Eschenbach unterrichtet. Das bringt im Sommer 2020 Bauherrin und Bauherrn dazu, die Anlage des Gartens vorzuziehen. Das Gebäude wird terrassiert: Teich, Treppen und Trockenmauern entstehen.

Mit dem Jahreswechsel 2021 startet „Couplemaps“, ein ehrgeiziges Projekt zur Gestaltung von Beziehungen und damit ein wichtiges Online-Angebot der „Blauen Villa“. „Mit Couplemaps“ öffnen wir die Räume, Beziehung zu lernen, zu vertiefen, Beziehungen zu heilen – mit deinem Partner, mit Freunden, Familie und Fremden. Unser Ziel ist dann erreicht, wenn Du reichere und erfüllende Beziehungen voll Nähe erlangst! Wir unterstützen Dich dabei, Deine Beziehungen so zu gestalten, dass Du und Deine Lieben in ihnen wachsen, gedeihen und heilen können“, formuliert Bogner.

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Hintergrund: 120 Jahre Villen-Geschichte

1.bis_8.Klasse_1947_mit_Lehrer_Gottfried_Glockner blaue Villa Kaltenbrunn
1947 entstand dieses Erinnerungsfoto, das die 1.bis 8.Klasse mit Lehrer Gottfried Glockner zeigt. Der Ahnenforscher hatte sich auch im Heimatkundlichen Arbeitskreis Weiden engagiert.

Die Anfänge: 1908 benötigte die evangelische Kirchengemeinde ein neues Schulhaus. Das bisher genutzte, 120 Jahre alte Gebäude an der Schulgasse war nicht nur baufällig geworden, sondern nach einem Beschwerdebrief des Lehrers Leonhard Schönberger von 1901 in einem so schlechten Zustand, „dass ein vollständiger Zusammenbruch sehr zu befürchten sei.“

Der Bau: Das Schulhaus wurde vom örtlichen Maurermeister Michael Bauer nach Plänen des Regensburger Regierungsbauamts errichtet. Am 14.Juli 1908 erfolgte die Grundsteinlegung am heutigen Marktplatz. Früher standen dort übrigens gleich zwei Häuser, die Georg Krauß („Hansedl“) und Johann Speth gehörten und von der Gemeinde für 3.800 Mark als Schulhausplatz erworben wurden.

Es war ein großzügiger und schmucker Bau geworden, den Pfarrer Friedrich Gottlob Sauer nach weniger als einem Jahr Bauzeit am 1.Juli 1909 einweihte. Die Baukosten betrugen immerhin 23.000 Mark, wovon die Königliche Regierung einen Zuschuss von 6.000 Mark gewährte. Mit großen Fenstern und Walmdächern für Lehrerwohnhaus und Schulsaal versehen, entsprach der Bau ganz der damals modischen Villenarchitektur des späten Jugendstils. Der Name Blaue Villa nimmt darauf Bezug.

Warum evangelisches Schulhaus? Tatsächlich waren in Bayern bis nach dem Zweiten Weltkrieg die allgemein bildenden Schulen oft konfessionell getrennt, dafür aber nicht die Jahrgänge. Alle schulpflichtigen Kinder wurden in einer Klasse zusammen unterrichtet. Das konnten schon mal 50 oder mehr Schüler sein. Der Unterrichtsbetrieb lief allerdings nur einige Jahre störungsfrei. 1938 kam das Verbot der konfessionellen Trennung der Kinder und von Dezember 1944 bis September 1945 fand kriegsbedingt gar kein Unterricht mehr statt. Das Gebäude wurde jetzt zur Einquartierung deutscher Soldaten herangezogen.

Vom Schul- zum Gemeindehaus: 1957 ersetzte ein neues, modernes, mehrklassiges Zentralschulhaus, inzwischen Kindergarten und Jugendhaus, das in die Jahre gekommene nunmehr „alte Schulhaus“. Einige Jahre des Leerstands gingen vorüber – es sollten nicht die letzten sein – und ab 1963 wurde die Blaue Villa für über 30 Jahre als evangelisches Gemeindehaus genutzt. Mit dem Neubau des Gemeindehauses von 1995 bis 1997 am Kirchplatz endete auch diese Zeit. Das „alte Schulhaus“ war zum „alten Gemeindehaus“ geworden.

Letzte Arbeiten: Nach 2005 hatte der Kirchenvorstand in die Sanierung noch rund 80 000 Euro investiert. Durch handwerkliche Eigenleistung von 30 Männern wurden zirka 20 000 Euro eingespart und eine Photovoltaikanlage auf beide Südseiten installiert. Vorgesehen war eine Nutzung des ehemaligen Schulsaals für die Jugendarbeit sowie die Vermietung als Veranstaltungsraum. Doch die Pläne zerschlugen sich. Haus und Garten begannen langsam in einen Dornröschenschlaf zu sinken. [/box]

Bilder: Siggi Bock/Archiv

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