125 Jahre SPD in Weiden: Vom Kaiserreich bis zu Jens Meyer

Weiden. Hundertfünfundzwanzig! Hoch die Tasse! Keine Partei hat mehr Jahre – von der Wiege bis zur Bahre – auf dem Buckel als die Weidener SPD, Stolz der Arbeiterklasse. Ein historischer Rückblick in einer Miniserie mit dem Parteichronisten Karl Bayer. Teil 1: Gründung im Kaiserreich.

SPD-Chronist Karl Beyer beim Redaktionsbesuch. Foto: Jürgen Herda

Wenn auf einen Genossen Verlass ist, dann auf Karl „Charly“ Bayer. Der Mann war Lohnsteueraußenprüfer beim Finanzamt. Da müssen die Zahlen und Fakten stimmen. Seit den 1970er Jahren beschäftigt sich der frühere JUSO-Unterbezirksvorsitzende außerdem mit der Geschichte der Weidener SPD: „Zusammen mit dem früheren Kulturreferenten Bernhard M. Baron hatte ich eine Chronik zum 80-Jährigen zusammengestellt.“

1998 erschien die von Karl Bayer alleine verfasste, 184 Seiten umfassende Dokumentation: „Sozialdemokratie in Weiden. Die ersten hundert Jahre 1898 -1998“. Wie die Zeit vergeht. Ein Vierteljahrhundert später steht schon das nächste Jubiläum vor der Tür. Und auch wenn der 70-Jährige Dank der Gnade der späteren Geburt kein Zeitzeuge ist: Über die Lebensumstände in der nördlichen Oberpfalz vor 125 Jahren weiß Bayer dank vieler studierter Dokumente im Staatsarchiv Amberg sowie privater Bestände exzellent Bescheid.

Geburtsstunde der SPD: Weiden wird Industriestadt

Das Leben in Weiden um 1898 hat auch die Centralwerkstätte der Königlich-Bayerischen Staatseisenbahnen mitgeprägt: „1896 hatte sie als vierte Centralwerkstätte der bayerischen Staatsbahnen ihre Arbeit aufgenommen“, sagt Bayer. „1898 hat sie schon 409 Mitarbeiter.“ Am 1. Oktober 1863 war der erste Personenzug im neu gebauten Bahnhof eingefahren, womit die wichtigste Voraussetzung für eine Industrialisierung der Stadt geschaffen war. Die erste Fabrik gründete Oberbahnwerkmeister Friedrich-Wilhelm Schauwecker, der mit der Herstellung von Öltropfgeräten 1865 begann und 1899 seine Metallgießerei anschloss.

Dann ging es Schlag auf Schlag:

  • 1881 begannen die Gebrüder August und Konrad Bauscher aus Hanau den internationalen Siegeszug mit ihrer ersten Porzellanfabrik.
  • 1882 fand die Schnupftabakfabrik von Johann Prössl aus Hütten Platz in der ehemaligen Sägemühle am Damm.
  • Es folgte 1892 die Glasfabrik Eduard und Alois Kupfer in Moosbürg, später in „Tafel-, Salin- und Spiegelglasfabrik“ umbenannt, der Anfang der Glasindustrie in Weiden und des Unternehmens Delog-Detag.
  • Anfang der 1890er Jahre beschloss der Stadtrat die Bereitstellung eines Industriegeländes zwischen der Bahnlinie Regensburg-Hof und der Nikolai- beziehungsweise der Prinz-Ludwig-Straße für die Zentralwerkstätte der Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen.
  • 1910 ließ sich die Porzellanfabrik Christian Seltmann nieder.
  • 1913: Das Verkaufshaus Josef Witt zieht von Reuth bei Erbendorf nach Weiden.
Die Siedlung der Centralwerkstatt der Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen in Weiden. Foto: Stadtarchiv Weiden

Weiden wächst

Der damit verbundene Wohnungsbau übte weitere Sogkraft aus: Die Einwohnerzahl von 5821 im Jahr 1890 stieg auf knapp 10.000 zur Jahrhundertwende. „Die Centralwerkstätte lockte auswärtige Facharbeiter aus Franken, München und Regensburg, die Glas- und Porzellanindustrie viele aus Böhmen und Thüringen nach Weiden“, erzählt Bayer. „Ein großes Potenzial für die Sozialdemokratie.“ Lob aus berufenem Munde: „Die Technik war auf dem neuesten Stand, auch wenn Bauscher versuchte, den freien Gewerkschaften mit sogenannten gelben, arbeitgeberfreundlichen Gewerkschaften Konkurrenz zu machen.“

Die Unternehmen förderten im eigenen Interesse den Bau von Arbeitervierteln. „Die Situation war nicht so schlimm wie zu Zeiten des Manchester-Kapitalismus in England, aber ein Zehn-Stunden-Tag auch am Samstag war normal“, beschreibt Bayer den Alltag der arbeitenden Bevölkerung. „Die vielen ungelernten Arbeiter vom Land hausten in beengten Wohnverhältnissen in der Altstadt.“ Die roten Backsteinbauten der Eisenbahn-Siedlung gegenüber der Zentralwerkstätte mit ihren Zweizimmerwohnungen boten bessere hygienische Verhältnisse und etwas Komfort.

Wer die SPD wählt, kommt in die Hölle

Seit der Rücknahme von Bismarcks Sozialistengesetz (1878-1890) stellte sich die SPD organisatorisch neu auf. „1890 entstand der Sozialdemokratische Agitationsverein für Franken und die Oberpfalz in Nürnberg“, sagt der Chronist, „dessen Mitglieder zogen mit Flugblättern in den Dörfern von Haus zu Haus und bewarben erfolgreich die neue Arbeiterbewegung.“ Das gefiel natürlich nicht allen: „Im ,Vorwärts’ konnte man jede Woche einen Artikel lesen, wie die Pfarrer gegen die Sozialdemokratie wetterten – wer sie wählt, wurde von der Kanzel gepredigt, kommt in die Hölle.“

Im Dezember 1897 gründen Arbeiter der Centralwerkstätte im Gasthaus „Zum Schwan“ den Arbeitervergnügungsverein Eintracht – Keimzelle der Weidener Sozialdemokratie. Am 19. März 1898 findet in Weiden eine öffentliche Versammlung der Sozialdemokratie statt, „welche den Zweck hat, die Aufstellung einer sozialdemokratischen Kandidatur zu besprechen“. Der erst 29-jährige Nürnberger Daniel Stücklen (1869-1945) wird als Reichstagskandidat nominiert. Im Mai 1898 wird schließlich der Sozialdemokratische Wahlverein für den Wahlkreis Weiden-Neustadt/WN gegründet: die Geburtsstunde der hiesigen SPD.

Karl Bayer blättert in seiner Dokumentation „Sozialdemokratie in Weiden. Die ersten hundert Jahre 1898 -1998“, Foto: Jürgen Herda

Festakt „125 Jahre SPD in Weiden“

Es gibt etwas zu feiern: Keine deutsche Partei kann auf eine derart lange Tradition zurückblicken. Seit 125 Jahren kämpft die Sozialdemokratie in Weiden für soziale Gerechtigkeit.

  • Am Samstag, 20. Mai, lädt „die einzige Partei, die sich Dank ihrer Ablehnung von Hitlers Ermächtigungsgesetz niemals umbenennen musste“ (Markus Rinderspacher) zur Jubiläumsfeier in den Saal der Gaststätte Postkeller.
  • Festredner ab 17 Uhr: Florian von Brunn, Landesvorsitzender der BayernSPD
  • Party ab 19.30 Uhr: mit DJ Borti

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