25 Jahre IGZ: Aus der Scheune zum Weltmarktführer (1)

Falkenberg. Was für Bill Gates eine Garage ist, ist für IGZ – die SAP-Ingenieure passend zur Oberpfalz eine Scheune. Von den Anfängen in der Softwarescheune 1.0 vor 25 Jahren bis heute entwickelt sich das mehrfach preisgekrönte Unternehmen zum Weltmarktführer.

25 Jahre IGZ: Von der Software-Scheune 1.0 zum Weltmarktführer. Fotos/Collage: IGZ/jrh

In unserer dreiteiligen Interview-Reihe schildern Johann Zrenner, einer der beiden Unternehmensgründer und geschäftsführender Gesellschafter, sowie Andreas Spangler, Bereichsleiter Innovation, den Aufstieg der IGZ-Gruppe, beschreiben den Markenkern, der Innovation und Bodenständigkeit verbindet.

Hasso Plattner hat SAP zum wertvollsten deutschen Konzern gemacht. Jetzt tritt er ab. Was haben Sie als SAP-Ingenieure dem Softwarekonzern zu verdanken – und wie abhängig sind Sie von dessen Entwicklung?

Johann Zrenner: Unsere Gründungsidee war, dass ein Kunde, der die SAP-Software, die er schon im Haus für die Buchhaltung und Verwaltung verwendet, auch für die Logistik nutzen kann. Man kann die marktbeherrschende Stellung von SAP in Europa mit der von Microsoft bei der Textverarbeitung vergleichen. Mehr als 98 Prozent der Konzerne und großen mittelständischen Unternehmen verwenden sie. Wir beobachten ständig den Markt, und fühlen uns deshalb sicher. Unser Claim kommt allerdings daher, dass wir anders arbeiten als andere SAP-Beratungshäuser, die sich auf eine reine Beratungstätigkeit beschränken.

Wir planen Software mit Ingenieursanspruch wie Maschinenbauer, das ergibt eine völlig andere Qualität. Wir konzipieren sie ingenieursgerecht. Johann Zrenner

Andreas Spangler und Johann Zrenner vor dem IGZ-Test-Zentrum. Foto: Jürgen Herda

Witron entwickelt Logistiksysteme für Lebensmittelkonzerne – wo gibt es Berührungspunkte, worin unterscheiden Sie sich?

Johann Zrenner: Wir haben nur wenig Berührungspunkte. Witron hat sich entschieden, nicht auf SAP-Standard-Software zu setzen. In Parkstein geht man den Weg, sich mit Individualsoftware absolut auf den Lebensmittelhandel zu spezialisieren.

Andreas Spangler: In Kurzform, wir können Logistik und wir können SAP, diese Kompetenz haben wir als erste entwickelt.

Was war die Kernidee Ihres Start-ups: Welche Vision hatten Sie von der Entwicklung Ihres Unternehmens?

Andreas Spangler: SAP war damals noch nicht so weit, die eigene Software auch für die Logistik zu nutzen. Dieser Mehrwert ist in Zusammenarbeit mit uns entstandenen.

Gab es bereits die Nachfrage von Kunden nach dieser Zusatzfunktion?

Johann Zrenner: Ja. Und für SAP gab es einen weiteren naheliegenden wirtschaftlichen Grund für die neue Produktentwicklung. Die meisten Firmen hatten bereits eine kaufmännische Software, man suchte nach neuen strategischen Feldern. Logistik war in dieser Situation ein neues, wichtiges Feld. Wir waren 1999 zum richtigen Zeitpunkt da.

Champagner Kommissionieren mit der IGZ-Software. Foto: IGZ

Wo liegt der große Vorteil, Verwaltungs- und Logistik-Software zu kombinieren?

Andreas Spangler: Der Vorteil, mit SAP Standard-Software, die der Kunde bereits im Einsatz hat, auch die Logistik steuern zu können, liegt auf der Hand. Er braucht keine zusätzlichen Programme zu kaufen, und man vermeidet außerdem Schnittstellen-Verluste. Wir waren die ersten, die dieses Potenzial erkannt haben. Als IGZ gegründet wurde, war es erstmals möglich, SAP auch für Logistik zu nutzen. Inzwischen machen das auch andere Anbieter, aber wir sind seit langem Marktführer.

Sie schafften es als erstes Unternehmen weltweit, die SAP-Software für Schenker auf kleinen mobilen Stapler- und Handterminals ablaufen zu lassen. Können Sie an diesem Beispiel den Mehrwert für den Kunden beschreiben?

Andreas Spangler: Vor 30 Jahren ist ein Lagerarbeiter mit einer Papierliste durch das Lager gelaufen. Er hat auf seiner Liste händisch mit einem Stift angekreuzt, was er aus dem Lager entnommen hat, eine Mitarbeiterin im Büro hat die Angaben auf der Liste anschließend eingegeben. Unser Stapler oder ein Handterminal hat schon in unserem ersten Projekt 1999 bei Schenker angezeigt, welche Waren aufgeladen werden müssen. Dabei wird der Artikel automatisch gescannt und verbucht, womit auch die Restbestände gleich angeglichen werden.

Das lief alles über Ihre Software ohne eigene Hardware?

Andreas Spangler: Es war die Zeit, ab der man mit Datenverbindungen zu vernünftigen Preisen auf die Systeme der Kunden zugreifen konnte. Wir konnten uns von hier aus auf die Systeme unserer Kunden verbinden, man musste keine teuren Maschinen kaufen. Die Auftragslage war blendend.

Die Software-Scheune ist Ihr Markenzeichen: Hatten Sie einen persönlichen Bezug zur Scheune 1.0., die, glaube ich, Architekt Peter Brückner umgebaut hat?

Ich bin in Falkenberg geboren. Die landwirtschaftliche Scheune unserer Eltern war die einzige Möglichkeit, schnell Büroraum zu schaffen. Johann Zrenner

Johann Zrenner: Mein Vater war damals Bürgermeister. Bei der ersten Scheune war Brückner noch nicht dabei, das war Architekt Emil Lehner. So entstand unser erstes Büro für 25 Mitarbeiter.

Andreas Spangler: Die Scheune ist für IGZ das, was die Garage für Bill Gates war.

Sie haben Ihre Standortwahl mit der Mentalität der fleißigen, zuverlässigen und gut ausgebildeten Nordoberpfälzer begründet. Inwieweit war die Location für Sie ein Statement, es der Welt zu zeigen, dass Innovation auf Weltniveau in der Steinpfalz möglich ist?

Johann Zrenner: Wir wollten Arbeitsplätze in der Region schaffen. Ich hätte mir, als ich nach dem Studium in Regensburg zurückkam, auch gewünscht, solche Perspektiven zu Hause vorzufinden. Damals gab es noch nicht so viele Möglichkeiten. Aber es stimmt, ich finde, die Oberpfälzer werden noch immer unterschätzt.

Dabei ist Innovation und Technologieführerschaft unsere DNA. Es ist kein Zufall, dass wir jährlich mit Preisen ausgezeichnet werden. Johann Zrenner

Beeindruckende Gewinner-Serie: IGZ räumte von 2021 bis 2024 den deutschen Innovations-Award in Gold ab. Grafik: IGZ

Sie sind inzwischen ein innovativer Lernort der OTH: Wie stark profitieren Sie von der Hochschule in puncto Ingenieursausbildung?

Andreas Spangler: Mit unserem Know-how konnten wir die OTH-Studiengänge positiv beeinflussen und ein Stück weit an unsere Erfordernisse anpassen, sodass wir ebenfalls profitieren.

Johann Zrenner: Wir helfen der Hochschule, eine praxisnahe Ausbildung umzusetzen. Es hilft auch den Studenten, die direkt bei uns starten können. Das ist eine Win-win-Situation.

Können Sie alle freien Stellen mit Absolventen aus der Region besetzen?

Johann Zrenner: Wir haben 50 Prozent gelernte Informatiker aus Wiesau oder solche, die unsere eigene Ausbildung durchlaufen haben, weil unser Bedarf inzwischen wesentlich höher ist. Die anderen 50 Prozent sind studierte Ingenieure, Informatiker und Mathematiker – darunter auch viele, die in Nürnberg, München oder Regensburg studiert haben und wieder zurück in die Heimat wollen.

Wir haben eine Gemeinsamkeit: Ihre Familie hat das Zoigl-Braurecht, unser Verein Bohème hat die sechs Zoigl-Denkmäler an den Standorten der echten Zoiglbrauer gestiftet. Wie passen integrative Zoigl-Kultur, innovative Technologie und ihre Unternehmenskultur zusammen?

Johann Zrenner: Im IGZ-Kundenrestaurant wird unser eigener Zoigl ausgeschenkt. Mein Vater war 40 Jahre lang Braumeister. Unsere Kunden lieben den Falkenberger Zoigl. In der innovativen technischen Welt ist das etwas Bodenständiges, mit einer Geschichte dahinter. Wir haben immer noch den Bottich, und die Hausbrauer tragen ihn immer noch aus. Deshalb hat unser Alt-Bürgermeister Herbert Bauer auch darauf bestanden, dass wir als Zoigl-Denkmal die Austräger bekommen …

Falkenberg hat als einziger Standort wegen dessen Beharrlichkeit sogar zwei Skulpturen bekommen …

Johann Zrenner: Das stimmt und wir haben uns damals sehr gefreut, dass Norbert Neugirg zu uns kam, und wir mit einem Sponsoring unterstützen konnten.

Wie passt diese volkstümliche Tradition zur kühlen Technologie, mit der Sie arbeiten?

Johann Zrenner: Auch die Entscheider von Konzernen sind Menschen, die sich mal gerne bei einem Seidl Bier unterhalten. Wenn beim Kunden die Logistik steht, arbeiten wir am Herzen der Industrie – wenn die Bänder bei VW stillstehen, ist das ein Riesenproblem. Ob Bosch, Bayer, Hilti oder Boss, die Führungskräfte kommen immer selbst her und schauen sich den Prozess bei uns an. Wenn wir die Logistik implementieren, ist man einige Zeit verheiratet. Deshalb war es uns immer wichtig, wie wir das Alleinstellungsmerkmal unserer Technologie visualisieren können.

Warum bauen wir jetzt Scheunen mit Fachwerk? Die Architektur materialisiert die Werte von IGZ, die Genauigkeit, die Massivität des Materials. Johann Zrenner

Wir geben viel Geld für unsere Software-Scheunen aus, machen nichts von der Stange. Damit hat sich sogar ein SZ-Artikel zu Corporate Architecture über BMW, das Guggenheim-Museum und uns beschäftigt. Flyer kann jeder machen. Aber der Tisch, an dem wir sitzen, muss so massiv sein wie unser Unternehmen, die Büroräume so durchdacht und effizient wie unsere Projekte. Wir haben nur wenige Produkte, die man anfassen kann. Die Qualität, die in unserer Software steckt, sieht man nicht. Warum sollte ein Hugo Boss alle Lager weltweit von uns machen lassen, wenn wir austauschbar wären. Wenn die Entscheider kommen, sehen sie: Wir haben einen eigenen Stil.

Innovation und Tradition: Die IGZ besitzt das Zoiglbraurecht und nutzt es für Kunden- und Mitarbeiterfeiern. Foto: IGZ

Etappen der IGZ-Geschichte

1999: Die Brüder und Ingenieure Wolfgang Gropengießer und Johann Zrenner gründen in einem elterlichen, renovierten landwirtschaftlichen Gebäude in Falkenberg, der Softwarescheune 1.0, die IGZ mit dem Ziel, innovative und anspruchsvolle Logistik mit SAP Standardsoftware zu realisieren.

2000: IGZ realisiert für Schenker ein SAP-Logistikprojekt für die deutschlandweite Verteilung von Spirituosen des französischen LVMH-Konzerns am Standort Schweinfurt. Als erstes Unternehmen gelingt es, die SAP-Software auf kleinen mobilen Stapler- und Handterminals ablaufen zu lassen.

2007: Ein wichtiger Meilenstein für die gesamte SAP-Logistikbranche ist der erste Piloteinsatz der neuen SAP EWM Materialflusssteuerung für vollautomatische Hochregallager und Kleinteilelager. Mit der SAP-Extended Warehouse Management (EWM) können Unternehmen Lagerbewegungen steuern und ihre betrieblichen Abläufe mit erweiterten Funktionen verbessern. Mit der esco – european salt company GmbH & Co.KG gewinnt IGZ den ersten Kunden für dieses Modul.

2008: Mit der SAP MES 2008, ein Manufacturing Execution System (MES) zum Optimieren des Fertigungsprozesses durch Überwachung, Verfolgung, Dokumentation und Steuerung des gesamten Produktionslebenszyklus, steigt SAP #in den Markt für Produktionssteuerung ein – IGZ nutzt die Software und findet mit Werner & Mertz (Erdal) aus Mainz den ersten Kunden für dieses Projekt.

2011: Um in der Steuerungstechnik Fuß zu fassen gründet das Falkenberger Unternehmen die IGZ Automation mit der Übernahme und Integration der Firma Walberer Steuerungstechnik. Der erste Grundstein als SAP EWM-Generalunternehmer ist gelegt.

2017: IGZ erschließt weitere SAP-Module erschlossen und nimmt den Bereich Transport Management mit SAP TM in das Portfolio auf. Damit wird die SAP- „Digital Supply Chain“ weiter abgerundet. 

2020: Mit dem Bau des neuen Headquarters, der Softwarescheune 5.0, beginnt ein neues Kapitel. Das moderne und nachhaltig konstruierte Gebäude bietet Platz für weitere Ausbaustufen.

2021-2024: In vier aufeinanderfolgenden Jahren gewinnt IGZ den German Innovation Award für Innovative Produktentwicklungen. 2021 Pick by Robot mit LUKE2, 2022 Assembly by Motion mit IDA2, 2023 Packing Assistant mit HAWK2 und 2024 Move-by-Robots für die Steuerung Autonomer Transportroboter. Das Unternehmen nimmt ein neues Innovation Center in Betrieb, in dem die Kunden die Möglichkeit haben, auf über 300 Quadratmetern Ausstellungsfläche Innovationen zu erleben und auszuprobieren.

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1 Kommentare

Arnold - 12.07.2024

Scheinbar Heile Welt im Hause IGZ. Im Landkreis hört man anderes.