80 Jahre nach der Befreiung des KZ Flossenbürg: “Noch nie ein so großes Gedenken”

Flossenbürg. Liegt es am Ukraine-Russland-Krieg vor den Toren Europas? Oder daran, dass es wohl der letzte große Jahrestag mit Überlebenden des Nationalsozialismus ist? "Ich traue mich zu behaupten: Noch nie gab es ein so großes, vielfältiges Programm, noch nie ist es auf ein so breites Interesse gestoßen", sagt Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg.

KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl

Die Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg jährt sich im April zum 80. Mal. Es war der 23. April 1945, etwa 10.30, als sich zwei Jeeps der U. S. Army dem Konzentrationslager Flossenbürg nähern. Häftling Emil Ležak tippt in der Schreibstube des Hauptverwaltungsgebäudes die Sätze: „Jetzt muss ich unterbrechen, die Befreier sind da!!!!!” Ležak war es auch, der das berühmte Spruchband aufzog: “Prisoners happy end! Welcome!”

Schockierte US-Soldaten finden 1.625 Häftlinge vor, mehr tot als lebendig. Was sich in Flossenbürg im April 1945 abgespielt hat, ist kaum zu fassen. Die SS begann Mitte 1944 mit der Räumung der Konzentrationslager im besetzten Europa. In Flossenbürg trafen riesige Gefangenentransporte ein. Durch die permanente Überfüllung verschlechterten sich die Verhältnisse im Lager ständig.

Am 28. Februar 1945 waren 14.824 Menschen in Flossenbürg interniert. Sie wurden kurz vor Ankunft der Amerikaner auf “Todesmärschen” in Richtung Süden getrieben. Mit tagelangen chaotischen Fußmärschen und Transporten in offenen Güterwaggons versuchte die SS, die Häftlinge dem Zugriff der Alliierten zu entziehen.

KZ Gedenkstätte Flossenbürg
Begrüßungsbanner vor der Kommandatur, April 1945. Foto: National Archives Washington D. C.

Sechs Überlebende haben zugesagt

80 Jahre später. Die Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg arbeiten seit Monaten an den Gedenkfeierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung. Sprecher Julius Scharnetzky gibt einen Einblick in die Vorbereitungen. Noch nie war ein Gedenken größer angelegt, nie war das Programm so breit gefächert und stieß auf so großes Interesse, sagt sein Chef Dr. Jörg Skriebeleit (siehe Infobox).

Zum 80-jährigen Gedenken haben sich sechs Überlebende angekündigt: Josef Salomonovic (Jahrgang 1938), Leon Weintraub (1926), Shelomo Selinger (1928), Leszek Zukowski (1929), Herzog Max in Bayern (Jahrgang 1937, als “Sonderhäftling” inhaftiert) sowie – erstmals – Lydia Tischler (1929) aus Großbritannien, die in einem Außenlager inhaftiert war.

Gedenkakt: Erstmals nur Angehörige am Rednerpult

Immer mehr drängt die Frage in den Raum: Wie geht es weiter, wenn die Überlebenden nicht mehr da sind? Die KZ-Gedenkstätte gibt zum 80. Jahrestag selbst die Antwort: Erstmals sprechen beim großen Gedenkakt im Zelt vier Nachfahren: Ronen Katz (Israel), Denis Meis (Frankreich), Emilia Rotstein (Schweden, Tochter von Leon Weintraub) sowie Małgorzata Ściborowska (Polen).

An Bedeutung gewinnt auch das “Zelt der Begegnung” ab 23. April, in dem sich Angehörige aus aller Welt austauschen können. Die interessierte Bevölkerung soll eingebunden werden. Am Mittwochabend, 23. April, um 18 Uhr ist hier eine szenische Lesung mit Schauspieler Thomas Loibl (unter anderem bekannt aus “Tatort”) angesetzt.

Das Programm: Interessierte immer willkommen

Interessierte sind auch am Donnerstag, 24. April, 15 Uhr willkommen, wenn Filmemacher Adam Fried im Bildungszentrum seine Dokumentation “Everything’s Kosher” zeigt (in Englisch). Fried ist ein jüdischer US-Amerikaner, der in Regensburg lebt und mehrere Filme über jüdische Identität in Deutschland gemacht hat. Die Army-Base in Grafenwöhr soll eingebunden werden.

Am Freitag, 25. April, wird um 16 Uhr das “Zelt der Begegnung” eröffnet. Mit einem ungewöhnlichen Format: Geplant ist eine Pop-up-Ausstellung von persönlichen Erinnerungszeichen und Gedenkformen. “Angehörige können Erinnerungszeichen mitbringen”, erklärt Scharnetzky. Das erinnert an die Häftlingsnummer des Großvaters, die der Niederländer Youp Zwölschen 2023 auf seiner Wanderung über 1100 Kilometer von Rotterdam nach Flossenbürg gebracht hatte.

DESt-Gebäude zugänglich, Führungen durch den Steinbruch

Der Samstag bietet ein sehr breites Programm: Von 9.30 bis 17 Uhr kann in einem Pop-up-Archiv mit Unterstützung der Wissenschaftler nach einzelnen Angehörigen gesucht werden. Das erst jetzt zugängliche DESt-Gebäude (Verwaltungsgebäude der Deutschen Erd- und Steinwerke) ist den ganzen Tag geöffnet. Darin: eine sehenswerte Foto-Ausstellung “In uns der Ort”. Rundgänge sind möglich, eine Steinbruchführung.

Um 16 Uhr spielen Mitglieder des Razumovsky-Quartetts Haydns “Sieben letzte Worte unseres Erlösers am Kreuz” in der Kapelle. Am Violoncello: Sebastian Bonhoeffer, Großneffe des in Flossenbürg ermordeten Theologen Dietrich Bonhoeffer.

Beim Gedenkakt im Zelt spricht Markus Söder

Der Sonntag ist traditionell der Tag des Gedenkens. Im Zelt spricht vor den Überlebenden des KZ Flossenbürg und rund 700 geladenen Gästen Ministerpräsident Markus Söder. Der Gedenkakt wird im Bayerischen Fernsehen live übertragen. Es wird auch ein hochrangiger Vertreter des Bundes erwartet, je nach Ausgang der Koalitionsverhandlungen. Schriftstellerin Lena Gorelik wird sprechen, außerdem Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, sowie der Präsident des Senats der Tschechischen Republik, Jiří Oberfalzer.

Dr. Jörg Skriebeleit äußerte sich bei einer Pressekonferenz der evangelischen Landeskirche zu den bevorstehenden Gedenkveranstaltungen zum 80. Jahrestag der Befreiung. “Ich traue mich zu behaupten: Noch nie gab es ein so großes, vielfältiges Programm, noch nie ist es auf ein so breites Interesse gestoßen.”

Es werde vermutlich auch “eines der politischsten Treffen. “Die Gedenktage sind nicht rückwärtsgewandt, sondern bringen uns weiter in der Aushandlung demokratischer Prozesse.”

KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
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KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
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KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
KZ Gedenkstätte Flossenbürg. Foto: Christine Ascherl
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