Aderlass nicht verkraftet: SSV Jahn Regensburg chancenlos bei Spitzenreiter SC Paderborn

Regensburg/Paderborn. Der „brutalen Herausforderung“, die Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic bei Tabellenführer SC Paderborn erwartet hatte, zeigt sich der SSV Jahn Regensburg in keiner Weise gewachsen – und dezimiert zusätzlich fürs nächste Heimspiel gegen den FC St. Pauli.

Enttäuschte Gesichter bei den Jahn-Fans nach der in jeder Hinsicht bitteren 0:3-Pleite beim SC Paderborn. Bild; Jürgen Herda

Vor jedem Spiel sieht man sich den Leistungsstand beider Teams, die Statistiken, die aktuelle Form an – und muss vor dem schweren Gang nach Paderborn mit dem Schlimmsten rechnen. Stärkste gegen schwächste Offensive, im indirekten Vergleich das 5:0 des SC gegen Karlsruhe, gegen das der SSV Jahn mit 0:6 baden ging. Ein 7:2 gegen Kiel, gegen das der Jahn mit Ach und Krach ein 0:0 verteidigte.

Und doch stirbt die Hoffnung zuletzt: Schließlich hatten die Regensburger gegen Bielefeld, Darmstadt und Köln mehr als ordentlich begonnen. Vielleicht würden die Oberpfälzer gerade gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner ihr bestes Gesicht zeigen.

SC-Feuerwerk nach der Führung

Diese Hoffnung währt 21 Minuten. So lange lässt der Gast wenig zu, erspielt sich sogar eine aussichtsreiche Chance, die Bene Saller aus spitzem Winkel übers Tor knallt (6.). Nach der ersten Halbchance der Ostwestfalen ist es mit der Herrlichkeit des Regensburger Widerstands vorbei. Ein Ball von links schlittert durch den Fünfer, Julian Justvan hält den Fuß hin, und als man schon aufatmen will, steht wie vergessen und nicht abgeholt Marcel Hoffmeier am anderen Fünfmetereck – und schiebt die Kugel Jahn-Keeper Dejan Stojanovic durch die Beine ins lange Eck, 1:0 (21).

Was dann folgt, ist mehr als ernüchternd für alle Fans des Regensburger Zweitligisten. Die anfängliche Ordnung der wieder mit Dreierkette agierenden Oberpfälzer löst sich in Schall und Rauch auf. Paderborn kann, euphorisiert von der Führung, nach Belieben schalten und walten, brennt genau das Feuerwerk ab, vor dem Jahn-Coach Mersad Selimbegovic gewarnt hatte.

Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic hatte vergeblich vor dem Feuerwerk der Paderborner gewarnt. Bild: Jürgen Herda

Chanchenwucher und bärenstarker Jahn-Torwart

Die voller Selbstvertrauen strotzenden Stürmer des ehemaligen Bundesligisten sind meist nur noch mit letzten Mitteln zu stoppen. Scott Kennedy lässt als letzter Mann Zentimeter vor der Strafraumgrenze Sirlord Conteh gegen den Ellbogen laufen – und sieht trotz heftiger Proteste der Paderborner Ersatzbank nur Gelb. Florent Muslija zirkelt den fälligen Freistoß über die Mauer, Regensburgs Bester, Keeper Stojanovic, faustet die Kugel zur Ecke (29.).

Kaum Zeit durchzuschnaufen für den Torwart, schon fliegt ihm nach dem folgenden Eckstoß Maximilian Rohrs Kopfball um die Ohren, den er über die Latte fingern muss (30.). Es scheppert im Minutentakt. Muslija schlenzt die Kugel kurz drauf an den Querbalken (31.). Und zur ebenfalls in der PK behandelten Kategorie „verschlafene Situationen“ zählt der letzte Konter nach Ballverlust, bei dem Robert Leipertz alleine auf Stojanovic zuläuft, der Keeper aber die Faust blitzschnell über den Kopf bekommt und das überfällige 2:0 erneut verhindert (45.+2).

Breitkreuz hat gleich doppelt Pech am Schuh

Dass diese Partie dennoch verhältnismäßig lange offenbleibt, liegt auch daran, dass es Paderborn nach der Pause erst einmal etwas ruhiger angeht. Die brave Jahn-Mannschaft müht sich in der Phase redlich, den Ball irgendwie aussichtsreich vor den Kasten von SC-Keeper Leopold Zingerle zu bringen. Doch der kurzfristig eingesprungene Ersatzkeeper darf im ganzen Spiel nicht eine Parade vorzeigen. Fast scheint es, als wollten die Regensburger in einer self fullfilling Prophecy den Nachweis ihrer Harmlosigkeit unter Beweis stellen.

Und um einer weiteren Fußball-Binsenweisheit gerecht zu werden, zeigt Steve Breitkreuz dem eingewechselten Top-Scorer Felix Platte auch noch, was der Satz bedeutet: „Wenn du Pech am Schuh hast, hast du Pech am Schuh.“ Bei seinem unglücklichen Abwehrversuch als letzter Mann mit zu hohem Bein trifft er Platte am Kopf, sieht erst Gelb, nach Videobeweis Rot – und dann führt auch noch der anschließende Freistoß zur Entscheidung. Muslija zirkelt, Stojanovic kann nur nach vorne abwehren, Leipertz bedankt sich, Bene Gimber „rettet“ einen Meter hinter Linie vergeblich (69.).

Felix Platte nach Steve Breitkreuz Wirkungstreffer am Boden. Bild: Jürgen Herda

Ohne Gimber und Breitkreuz gegen St. Pauli

Damit ist diese Messe nun auch amtlich gelesen. Und weil zuvor schon Bene Gimber die fünfte Gelbe gesehen hatte, muss der SSV Jahn nächste Woche gegen St. Pauli auch noch auf zwei zentrale Stammspieler verzichten – den Kapitän und die Abwehrkante. Recht viel schlimmer hätte es nicht laufen können. Mersad wirft dennoch mit dem Mut der Verzweiflung Prinz Osei Owusu (für den blassen Joshua Mees), Kaan Caliskaner (für den unauffälligen Blendi Idrizi), Nicklas Shipnoski (für den bedienten Bene Gimber) und Sturmhoffnung Dario Vizinger (für den enttäuschten Andreas Albers) ins Geschehen. An der Gesamtlage ändert sich dadurch freilich nichts.

Paderborn spielt sich in Überzahl locker die Bälle zu, kann das Ergebnis auch noch höherschrauben.  Ron Schallenbergs Schuss etwa bringt die Latte zum Wackeln (73.). Den Schlusspunkt setzt dann aber Marvin Pieringer, der einen Konter überlegt zum 3:0 abschließt (86.). Vermutlich aus Mitgefühl pfeift Schiedsrichter Florian Badstübner ohne eine Sekunde Nachspielzeit überpünktlich ab.

Aderlass nicht verkraftet

Am Ende steht ein Ergebnis, das man bei nüchterner Betrachtung erwarten konnte. Die Art, wie es zustandekam, ist dennoch besorgniserregend. Man muss lange nach einem Spiel in den vergangenen Jahren suchen, in dem der SSV Jahn derart chancenlos unterging – auch eine weitere Klatsche der Marke 0:6 war im Bereich des Möglichen. Wie man es dreht und wendet: Vieles spricht dafür, dass Regensburg einen derartigen Aderlass wie vor dieser Saison nicht verkraftet.

Natürlich ist es auch wahr, dass man abwanderungswillige Spieler nicht festbinden kann – freies Land und so. Dennoch drängt sich die Frage auf, ob es beim ein oder anderen Leistungsträger – Energiebündel Jan-Niklas Beste sei hier pars pro toto genannt – nicht doch Argumente in Form eines darstellbaren Angebots gegeben hätte. Und auch so mancher Charakterkopf, der in der Fremde sein Glück nicht fand, würde dem Jahn in dieser Verfassung gut zu Gesicht stehen. Wenn man etwa daran denkt, dass Freistoß-Wikinger Marvin Knoll händeringend nach einem neuen Verein gesucht hatte.

Einer von vielen, die dem Jahn bitter fehlen: Mentalitätsmonster Jan-Niklas Beste hier beim HSV. Bild: jrh

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