Aiwanger in Neustadt: Chance der Krise trotz Ampel-Aus, China-Konkurrenz und Trump-Zöllen
Neustadt/WN. Was für eine Woche: Trump gewinnt die US-Präsidentschaftswahlen, neue Zölle drohen, Kanzler Olaf Scholz entlässt in dieser Gemengelage den Finanzminister und will sich Neuwahlen stellen. Hubert Aiwanger ficht das nicht an. Nach dem Motto: Jetzt erst recht!
In einer wirtschaftlich schwierigen Lage und einer weltpolitisch brisanten Konstellation wünschen sich die Macher des Nordoberpfälzer Wirtschaftstags – Harald Gollwitzer, Bezirksvorsitzender Nordoberpfalz des Wirtschaftsbeirats Bayern, und Anton Braun, Präsident des Wirtschaftsclubs Nordoberpfalz – Rückendeckung vom bayerischen Wirtschaftsminister.
Braun fordert in seiner Begrüßung entschlossene Maßnahmen, um die Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen: „Hohe Priorität haben dabei der Bürokratieabbau, ,die Senkung der Arbeits- und Energiekosten, niedrigere Steuern, um Reinvestitionen nicht auszubremsen – und eine konsequente Digitalisierung.“
Und Hubert Aiwanger liefert. Die Rede des stellvertretenden Ministerpräsidenten an die Unternehmer in der Neustädter Stadthalle erinnert an die einst von Horst Seehofer ausgerufene „Koalition mit den Bürgern“: Nur, dass der Niederbayer eben den Schulterschluss mit den Unternehmern sucht: „Wir brauchen eine Aktionseinheit von Wirtschaft und Politik.“
„It’s the Economy, stupid!“
Und an noch einen zweiten Politiker erinnert die Agenda des Freien-Wähler-Chefs: „It’s the Economy, stupid!“ Mit diesem Wahlkampf-Slogan gewann Bill Clinton 1992 die US-Präsidentschaftswahlen. „Es ist die Wirtschaft, Dummkopf“, die zählt. „Wir sollten den verfehlten Green Deal ersetzen durch einen Economic Deal!“ Gut, genau das hatten zuvor auch schon CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und EVP-Fraktionschef Manfred Weber gefordert. Aber man muss das Rad auch nicht ständig neu erfinden.
Wir sollten den verfehlten Green Deal ersetzen durch einen Economic Deal! Hubert Aiwanger
Im Kern fordert Aiwanger: Umweltschutz und Sozialpolitik mit Augenmaß. Als überzeugter Naturschützer, Landwirt und Jäger lehnt er anders als die Fraktion der Klimaleugner weder Windräder noch E-Autos ab: „Das ist keine Absage an Erneuerbare Energien“, betont der Minister, „aber wir dürfen nicht sagen, wenn es bis zu einem bestimmten Datum nicht gelingt, schalten wir die Wirtschaft ab.“ Mit anderen Worten: „Wir sind für Klimaschutz, aber nicht um jeden Preis.“
Mehr Arbeit, gleicher Lohn
Dasselbe gelte für soziale Wohltaten: „Den versprochenen Zuschuss für Übertragungsnetzentgelte in Höhe von 5,5 Milliarden Euro für das Jahr 2024 wird es nicht geben, weil man sich beim Bürgergeld um 10 Milliarden Euro verrechnet hat.“ Er sei „voll dafür, den Sozialstaat zu halten“, aber man müsse sich überlegen, ob man es sich noch leisten könne, Leuten Bürgergeld zu zahlen, die arbeiten könnten. „Ich wundere mich, dass wir noch Leute finden, die für 12,40 Euro in der Stunde Mindestlohn arbeiten, weil sie sagen, ,ich schäme mich, zu Hause zu sitzen‘.“
Wir brauchen für dasselbe Netto mehr Arbeitszeit. Hubert Aiwanger
Damit komme man auf 2000 Euro im Monat netto, davon gingen 400 Euro für Sozialabgaben und 200 Euro Steuern weg. „Dann ist man bei 1400 Euro. Als Bürgergeldempfänger mit sämtlichen Zuschüssen kommt man unter Umständen weiter.“ Dieses Geld und Personal fehle an anderer Stelle. Und auch von den Arbeitskosten müsse man runter: „Wir brauchen für dasselbe Netto mehr Arbeitszeit.“ Nicht die Löhne müssten runter: „Die Menschen müssen ihre Mieten zahlen.“ Aber man dürfe sich nicht wundern, wenn Rodenstock Arbeitsplätze oder Aufträge nach Tschechien auslagere, wenn man bei uns für 35 Stunden in der Woche ein Jahresgehalt von 65.000 Euro beziehe, in Tschechien aber nur 35.000 Euro für 40 Stunden: „In Thailand noch weniger.“
Packesel Wirtschaft und die Erbse zu viel
Und genau da kommt die Weltlage ins Spiel: „Die Chinesen geben Vollgas, die Amerikaner geben jetzt unter Trump noch mehr Vollgas.“ Deshalb Aiwangers Hoffnung: „Es ist die Chance, dass wir endlich einsehen, dass unsere rosaroten Blütenträume nicht so weitergehen.“ Man habe in Berlin und Brüssel gemeint, wir hätten eine unverwüstlich starke Wirtschaft, die werde all das schultern: „Bürokratie, Lieferkettengesetz, Arbeitszeitgesetz.“
Wir werden weder die Chinesen noch Trump ändern, wir müssen dort tätig werden, wo wir können. Hubert Aiwanger
In Wirklichkeit überfordere man damit die Unternehmen: „Mit einer Erbse überlädt man einen Esel.“ Wenn man denke, man könne nicht noch sauberer, noch fairer, noch transparenter, komme immer noch eine Auflage dazu. „Wir werden weder die Chinesen noch Trump ändern, wir müssen dort tätig werden, wo wir können.“ Die Wirtschaft müsse lauter werden, sagen, was sie will und was sie nicht will. Politik dürfe nicht denken, die Wirtschaft produziere automatisch, und man könne sich auf ideologische Nebenkriegsschauplätze konzentrieren.
Chinesische Marktwirtschaft vs. europäische Planwirtschaft
Beispiel Autoindustrie: Zu den Bossen habe er gesagt: „Ihr hättet ja selber sagen können, dass das Verbrenner-Aus bis 2035 ein ideologisches Datum ist.“ Tech-Experte Dan Wang habe prophezeit: „Die Chinesen werden kein Enddatum setzen – er sei überzeugt, dass der Verbrenner noch über Jahrzehnte eine große Rolle spielen wird.“ Man verfahre dort pragmatisch: „In Peking haben sie im Winter bis zu 20 Grad minus, das liegt der Anteil der E-Mobilität bei 10 Prozent.“ In Südchina entsprechend höher. Die Chinesen würden marktorientiert denken: „Chinesische Marktwirtschaft trifft auf europäische Planwirtschaft unter einer Klimaüberschrift.“
Der Markt, der Kunde soll entscheiden, was besser ist, nicht die Politik. Hubert Aiwanger
Er sei überzeugter Anhänger einer Technologie-Offenheit: „Wir sollten alles parallel entwickeln, der Markt, der Kunde soll entscheiden, was besser ist, nicht die Politik, die am Schluss den Kopf nicht hinhalten muss.“ Die Folge der politisch gewollten, aber ungeliebten E-Mobilitätswende: „Von 10 Neuwagen werden 9 als Verbrenner verkauft.“ Das sei kein Plädoyer gegen Elektroautos, sondern gegen falsche Weichenstellungen.
Fledermaus und Feldlerche gesichtet
Aiwanger will aber nicht nur über Bund und Brüssel klagen: „Auch in Bayern gibt es noch viel zu tun.“ Er sei gerade in Breitenbrunn (Landkreis Neumarkt) gewesen, um einen Mobilfunkmast einzuweihen: „Zum Aufstellen hat man ein paar große Bäume fällen müssen“, erzählt der Minister. „Dabei hätten Fledermäuse gestört werden können, was gar nicht bewiesen war.“ Die Konsequenz: „Entweder ein Gutachten, das monatelang dauert, oder die kleine Lösung, 15 Fledermauskästen aufzuhängen.“ Gott sei Dank sei es letzteres geworden. „Bis heute ist keine drin.“
Wenn da ein Mast steht, ist das der Feldlerche wurscht. Hubert Aiwanger
Der nächste soll am Waldrand aufgestellt werden: „Nun habe da einer eine Feldlerche gesehen, 150 Meter weit weg, jetzt wackelt dieser Mast, weil die Lerche beeinträchtigt sein könnte.“ Er wisse nicht, wodurch, und dabei kenne sich Aiwanger mit Flora und Fauna aus. „Wenn da ein Mast steht, ist das der Feldlerche wurscht.“ Da könne sich aber dann ein Greifvogel draufsetzen. „Und wenn sich der auf einen Baum setzt, sollen wir den dann auch umhauen?“ Mit solchen Fragen müsse man sich auseinandersetzen, während man mit Trump und den Chinesen im Wettbewerb stehe.
Ansage an die Umweltbehörden
Das sei kein Einzelfall. „Es werden bei Bauvorhaben auch Gutachten für Tierarten verlangt, von denen ich mich frage, gibt’s die dort überhaupt?“ Darauf aufmerksam gemacht, habe er entsprechend nachgefragt: „Dann war’s doch nicht nötig.“ Er könne in solchen Fällen helfen. „Wir haben in Bayern einen Umweltminister, der selber Architekt ist, und trotzdem laufen auch bei uns Dinge, wo ich mich frage, ist das in einem rot-grünen Land passiert?“ Auch die Beamten in den Behörden müssten den Schuss gehört haben, wo man wirtschaftlich doch so unter Druck stehe.
Wenn du die Wirtschaft lahmlegst, gibt es auch deinen Arbeitsplatz nicht mehr. Hubert Aiwanger
„Jeder Unternehmer, der investieren will, müsste mit Kaffee und Kuchen empfangen werden.“ Man solle klar sagen, welche Gutachten wirklich notwendig seien, und nicht den Eindruck erwecken, der Unternehmer sei ein potenzieller Umweltverseucher. Solche Beispiele diskutiere er auch mit Umweltbehörden: „Natürlich wollen wir eine heile Umwelt, aber der Unternehmer zahlt auch dich – wenn du die Wirtschaft lahmlegst, gibt es auch deinen Arbeitsplatz nicht mehr.“
Generalverdacht der Medien
Einen Bewusstseinswandel fordert Aiwanger auch von den Medien: „Wir wollen keine Hofberichterstattung, aber die Wirtschaft darf auch nicht unter Generalverdacht gestellt werden.“ Beim bayerischen Bankengipfel habe ein Journalist erklärt, es gebe Untersuchungen aus den USA, dass die Korruption dort höher sei, wo es weniger Berichterstattung gebe. Der Minister habe dann klar gesagt:
Irgendwann können und mögen die nicht mehr, dann gehen die nach Tschechien, China oder in die USA. Hubert Aiwanger
Eine chinesische Stadt etwa habe einem bayerischen Automobilzulieferer einen Produktionsstandort sechs Jahre gratis angeboten. „Ab dem siebten Jahr soll er dann Miete für dieses Objekt zahlen.“ Dagegen stehe den bayerischen Kommunen das Wasser bis zum Hals: „Der Freistaat hat selbst zu wenig, um alles ausreichend zu bezuschussen, die Brücken und Straßen verlieren an Substanz.“ Der Standort sei einfach zu teuer.
Umschichtung: Stellenabbau und Fachkräftemangel
Und wie sieht nun Aiwangers Lösung aus? „Wir haben die Hightech-Agenda auf den Weg gebracht, einen Transformationsfonds mit 350 Millionen Euro für Innovationen in den Betrieben eingerichtet.“ Beispiel Brose: „Die Schweißtätigkeit für Autositze hat man erst nach Tschechien verlagert“, sagt Aiwanger, „jetzt produzieren sie mit Robotern wieder vor Ort.“ Solche Innovationen wolle man unterstützen. Wenn Rodenstock und Schaeffler Arbeitsplätze abbauen, erwarte man eine Intervention des Ministers:
Man muss zur Kenntnis nehmen, dass schlichtweg die Aufträge fehlen, die entlassen niemanden aus Spaß. Hubert Aiwanger
Auf der anderen Seite gebe es einen massiven Fachkräftemangel: „Das müssen wir als Chance begreifen, um vor die Welle zu kommen.“ Er wolle die 18 regionalen Planungsebenen nutzen, um besser zu analysieren, welche Branchen mit welchen Arbeitsplätzen vor Ort produzierten. „Wenn ein Automobilzulieferer tendenziell Stellen abbauen will, versuche ich dort zum Beispiel ein Industrierecycling-Unternehmen anzusiedeln – dort kriegst du Leute, die in diesem Bereich ausgebildet sind.“ Das sei besser als rote Fahnen und Trillerpfeifen.
„Da lulle ich Sie nicht ein“
Zum Schluss noch Balsam auf die geschundene Unternehmerseele: „Ich glaube, Ihre Wirtschaftsregion ist bestens aufgestellt“, lobt Aiwanger. „Hier gibt es noch Menschen mit gesundem Menschenverstand, Märkte mit günstigen Personalkosten vor der Haustüre.“ Als freie Unternehmer müsse sich jeder nur vor den eigenen Kindern verantworten:
Ob Sie es geschafft haben, ein gesundes Unternehmen zu übergeben. Hubert Aiwanger
Man müsse mit den Kosten in allen Bereichen – Energie, Arbeit, Umweltauflagen, Bürokratie – runter und dann die Chancen vor Ort nutzen. „Wir brauchen nicht alle Dokumentationen dieser Welt, um Ihnen als Unternehmer auf die Finger zu schauen.“ Man könne jetzt die Chance der Krise nutzen: „Wie ein Betrieb, der vor der Insolvenz steht, der muss sich durchleuchten, eine strikte Kostenanalyse machen – wir sind als Staat Diener der Wirtschaft, nicht Sie unsere Büttel.“ Ein Staat brauche eine stabile Wirtschaft. „Danke, dass sie trotz aller Schwierigkeiten dem Standort treu bleiben.“ Apropos: „Die Erbschaftssteuer gehört sich längst abgeschafft.“ Denn: „Sie sind der Mittelpunkt“, flirtet der Minister, „da lulle ich Sie nicht ein.“
Was macht der Wirtschaftsbeirat Bayern?
Ein anregendes Gespräch am Rande des Nordoberpfälzer Wirtschaftstags: „Wir sind kein Branchenverband“, sagt Dr. Johann Schachtner, Generalsekretär des Wirtschaftsbeirats Bayern über seine Organisation mit 1800 Mitgliedern. „Kurz zusammengefasst sind wir ein Berufsverband, zwar CSU-nah, aber politisch unabhängig, und versuchen eine sachlich und wissenschaftlich fundierte wirtschaftliche Beratung in die Politik reinzubringen.“
Mit dabei der Flosser Bauunternehmer Harald Gollwitzer als Bezirksvorsitzender. Zu den bekanntesten Persönlichkeiten gehören Hans-Werner Sinn, früherer Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, der sich im Beirat vor allem mit Ordnungspolitik beschäftige. Ein weiterer prominenter Vertreter der Wissenschaft: Professor Thomas F. Hofmann, Präsident der Technischen Universität München. Und: „Angela Nebel hat ein ausgezeichnetes Netzwerk in Brüssel“, sagt Schachtner.
Die Politik in wirtschaftlichen Fragen kompetent zu beraten, ist nicht verkehrt. Aber hört die auch auf den Wirtschaftsbeirat? „Die bayerische Politik hört sehr gut zu“, sagt der Generalsekretär. „Es geht uns darum, ein Bewusstsein für wirtschaftliche Prozesse zu schaffen.“ Dazu organisiere man 90 bis 100 Veranstaltungen bayernweit im Jahr. Und Schachtner ist bei den meisten selbst vor Ort.
„In Berlin gibt es auch immer wieder mal Gespräche“, fährt der ehemalige Referent im bayerischen Wirtschaftsministerium zu Zeiten von Minister Otto Wiesheu, heute Ehrenpräsident des Beirats, und in Ministerpräsident Edmund Stoibers Planungsstab der Landesleitung fort. „Die Zuhörbereitschaft in der Hauptstadt ist nicht so groß.“
Ansprechpartner auf Bundesebene seien vor allem Unionspolitiker. „Aber wir sprechen auch mit FDP-Abgeordneten, haben Termine mit Grünen und SPD – wir reden mit allen.“ Auch wenn man dort eine andere Vorstellung habe: „Es ist gut, dass sie sich auch mit unserer Position auseinandersetzen.“ Es gebe in allen Parteien Leute, die die Politik sachlich angingen.
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