Alles neu macht der Mai? Die SPD sagt JA zum Koalitionsvertrag

Weiden/Berlin. Die Parteibasis billigt den Koalitionsvertrag mit der Union – aber nicht ohne Magenschmerzen. Was jetzt auf die SPD zukommt. Erste Stimmen der Oberpfälzer Genossen zum positiven Mitgliedervotum.

Erleichterung bei den meisten Genossen: Die SPD-Basis stimmt mit deutlicher Mehrheit für den Koalitionsvertrag mit der Union. Collage/Fotos/Grafik: Jürgen Herda

Am kommenden Montag soll der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD feierlich unterzeichnet werden – mit müden Gesichtern, zähneknirschendem Applaus und einem „Weiter so“ in der Stimmlage eines leidgeprüften sozialdemokratischen Seufzers.

Nach CSU und CDU hat nun auch die SPD-Basis dem 144 Seiten starken Koalitionsvertrag mit dem schlichten Titel „Verantwortung für Deutschland“ zugestimmt. Das bestätigten gut informierte Kreise aus dem Parteivorstand – allerdings nicht ohne den Zusatz: „Erleichterung ja – Euphorie nein.“

Mehrheit pro Koalition – aber mit halber Kraft

Die Beteiligung am schriftlichen Mitgliedervotum lag bei 56 Prozent – ein Wert, der auf stabile Mobilisierung hindeutet, aber auch zeigt: Fast die Hälfte der Genossinnen und Genossen hat sich nicht aufgerafft. Begeisterung klingt anders.

Dabei wird immer wieder betont, dass das Funktionieren der fünften Mini-GroKo entscheidend für das weitere Schicksal der Demokratie in Deutschland sei. Immerhin stimmten 84,6 Prozent der Teilnehmenden für den Koalitionsvertrag. Ein klares Ja – oder doch eher ein strategisches Schulterzucken?

SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil im Redaktionsgespräch. Archivfoto: Jürgen Herda

MdB Wagner: „Verantwortung für Deutschland“

Für die Regensburger Bundestagsabgeordnete Carolin Wagner (SPD) ist das Resultat keine Überraschung: „Das Abstimmungsergebnis zeigt, was ich in vielen Gesprächen mit der Parteibasis in den letzten Tagen und Wochen schon gespiegelt bekommen habe.“ Es gebe große Bauchschmerzen und Vorbehalte, was die Zusammenarbeit mit CDU und CSU angehe. „Die Union hat sich als Oppositionsfraktion völlig aus der parlamentarischen Zusammenarbeit zurückgezogen und pures, ideologiegetriebenes Ampel-Bashing betrieben.“ Das habe Vertrauen zerstört und demokratische Gepflogenheiten beschädigt.

Außerdem weiche die Union die Abgrenzung zur AfD immer weiter auf. „Das alles ist sehr bedenklich, aber: Das Wahlergebnis zwingt uns, Regierungsverantwortung zu übernehmen.“ Es gebt keine anderen, demokratischen Mehrheiten im Parlament und Neuwahlen würden die Antidemokraten noch mehr stärken.

Wir stellen uns dieser Verantwortung für das Land und werden die soziale Stimme in der Regierung sein. Carolin Wagner

Die Regensburger Bundestagsabgeordnete Carolin Wagner (SPD) beim Redaktionsbesuch. Archivfoto: Jürgen Herda

Oberbürgermeister Jens Meyer: Erleichtert!

Weidens SPD-Oberbürgermeister Jens Meyer äußert sich erleichtert, „dass die Mitglieder sich mit deutlicher Mehrheit für den Koalitionsvertrag ausgesprochen haben“. Auch er habe dafür gestimmt.

Es geht darum, Verantwortung für Deutschland zu übernehmen und sich klar gegen Rechts abzugrenzen. Jens Meyer

Viele Forderungen der SPD seien in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden.

Weidens Oberbürgermeister Jens Meyer im Interview. Archivfoto: Jürgen Herda

Zwischen sozialer Handschrift und Koalitionskorsett

Die SPD hat viel versprochen:

  • Mindestlohnanpassung, Mieterschutz, Kindergrundsicherung, mehr Geld für Bildung.
    Doch die Union hat in zentralen Punkten gebremst – beim Tempolimit, bei der Vermögensteuer, bei der Bürgerversicherung. Die Handschrift der SPD ist erkennbar, aber sie wurde mit der CDU-Feder gegengezeichnet.

Jusos & SPD-Linke: Leiser Groll

Die Jusos rufen nicht zum Sturm auf den Parteivorstand, aber sie zählen die Tage bis zur Zwischenbilanz. Kritikpunkte:

  • Keine echte Umverteilung
  • Zu defensive Klimapolitik
  • Machtpolitische Selbstbedienung ohne Basisbezug
  • Ständiges Hinterherlaufen der AfD-Positionen in der Migrationspolitik

Fazit: Die SPD hat sich durchgesetzt – personell, strategisch, mit Mühe. Doch der Preis ist hoch: Alte Gräben tun sich auf, neue Bruchlinien entstehen. Dass die Architekten des Wahldesasters den Aufbruch anführen, gefällt nicht allen in der Partei. Die SPD sagt „Ja“ zur Regierung – aber viele meinen eigentlich „Vielleicht“.

Welche Minister benennt die SPD?

Während der Parteivorstand heute um 10:30 Uhr das Ergebnis offiziell verkündet, brodelt in Berlin längst die Spekulationssuppe. Wer bekommt die Schlüsselressorts?

Als gesetzt gelten:

  • Boris Pistorius bleibt Verteidigungsminister – beliebt, präsent, durchsetzungsfähig. Einer der letzten Sozialdemokraten mit intakter Sonntagsreden-Schale und belastbarer Realitätstauglichkeit.
  • Lars Klingbeil wird nach aktuellem Stand neuer Finanzminister und voraussichtlich Vize-Kanzler. Sein Image als durchsetzungsstarker Verhandler, der viele SPD-Positionen in den Koalitionsvertrag retten konnte, macht ihn zum neuen starken Mann.
  • Und Saskia Esken? Obwohl auch sie Ambitionen auf ein Ministeramt hegt, scheint sich die Stimmung gegen sie zu wenden. Innerparteilich wächst der Druck, sie möge der Parteierneuerung nicht im Weg stehen – was in SPD-Sprech bedeutet: Zeit für den Abgang.

Besonders die SPD-Frauen sehen diese Entwicklung kritisch. Dass ein Mann aus der gescheiterten Doppelspitze aufsteigt, während die Frau gehen soll, sei ein fatales Signal. „Das riecht nach struktureller Schieflage – und nach einem Machtspiel alter Schule“, heißt es aus Kreisen der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF).

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