Alte Tante SPD: Mehrheit der Mitglieder sind 60 plus und sehr agil

Oberpfalz. Die Arbeitsgemeinschaft 60plus ist mit über 4.000 Mitgliedern nicht nur die größte Arbeitsgemeinschaft der SPD in der Oberpfalz – sie stellt auch über die Hälfte der Oberpfälzer Genossen. Mit dem Bezirksvorsitzenden Reinhold Strobl, der sich am Freitag, 12. November, erneut zur Wahl stellt, sprach Jürgen Herda.

Eine Vorstandssitzung der SPD AG 60Plus in Klardorf. Bild: SPD

Herr Strobl, was haben Sie in der zurückliegenden Amtszeit als Oberpfälzer Bezirksvorsitzender der AG 60plus erreicht?

Strobl: Wir waren wegen der Pandemie nur eingeschränkt handlungsfähig und konnten uns nicht ganz so oft treffen wie sonst. Vieles lief übers Internet, per Mail oder auch in Video-Konferenzen.

Kamen die Senioren mit der Technik zurecht?

Das ging sehr gut, bis auf eine Seniorin, die keinen Computer hat, waren alle an Bord. 

Welche Themen haben Sie in den Fokus gestellt: Verhinderung von Altersarmut, Erhalt des Lebensstandards im Alter – besonders in der nördlichen Oberpfalz, wo die Durchschnittsrenten vor allem für Frauen niedrig sind?

Wir haben uns mit der Grundrente beschäftigt. Mit Brigitte Scharf aus Tirschenreuth haben wir ja auch eine Expertin dabei. Viele sehen leider auch heute noch nicht, dass eine gute Rente vor allem etwas mit guter Bezahlung im Berufsleben zu tun hat und einem entsprechenden Erwerbsleben. Frauen sind immer noch im Beruf benachteiligt. Es gibt immer noch Frauen, die glauben, sie sind gut versorgt, weil sie verheiratet sind. Die sollten das Buch von Renate Schmidt und Helma Sick lesen, „Ein Mann ist keine Altersversorgung“ – was ist bei einer Scheidung? 

Wird das mit der künftigen Ampel-Koalition besser?

Wir sind als Sozialdemokraten da auf einem guten Weg, aber ich sehe schon auch schwierige Diskussionen mit der FDP auf uns zukommen. 

Über die Hälfte der Genossen sind 60plus: Der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus im Bezirk Oberpfalz gehören 4196 Mitglieder an – ein Anteil von 52 Prozent aller SPD-Mitglieder. Ein Zeichen der Überalterung oder der Treue?

Das hat mit der demografischen Entwicklung zu tun. Aber ja, ein überzeugter SPDler bleibt ein Leben lang Genosse. Inzwischen kommen aber auch wieder neue Mitglieder dazu. Man muss halt immer präsent sein, nicht nur politisch. Wir haben uns beim letzten Mal im Oberpfälzer Freiluftmuseum getroffen, so ein privater Gedankenaustausch gehört auch dazu. Organisatorisch gibt es allerdings noch einiges zu tun, wir brauchen in vielen Gemeinden Ortsvereine, damit sich unsere Senioren treffen können. 

Bei der Bundestagswahl hat die SPD bei den älteren Wählern am besten abgeschnitten. Woran liegt’s?

Es wurde deutlich, dass wir sozialpolitisch die treibende Kraft sind, weil wir uns für eine vernünftige Gesundheitsversorgung und eine Rente einsetzen, von der man anständig leben kann.

Arbeitsgemeinschaften sind auch Interessenvertretungen: Inwieweit lässt sich das Interesse der Senioren vertreten ohne die junge Generation zu übervorteilen?

Wir dürfen die Generationen nie gegeneinander ausspielen. Als ich aufwuchs, haben unsere Eltern dafür gesorgt, dass wir ein besseres Leben haben. Unsere Generation hat dafür gesorgt, dass unsere Kinder eine gute Bildung bekommen. Wir von 60 plus tauschen uns immer wieder mit den Jusos aus, da gibt es keinen Generationskonflikt.

Thema Rentenerhöhung: 2022 soll es zwischen 4,8 (West) und 5,6 Prozent (Ost) mehr Rente geben. Davon können viele Arbeitnehmer nur träumen. Ist das nicht ungerecht gegenüber der Generation, die heute kaum mehr daran glaubt, von ihrer Rente einmal leben zu können?

Die Renten sind ja an die Lohnerhöhung gekoppelt. Unser Rentensystem mit das Beste der Welt. Aber natürlich kann man sich auch manchmal etwas von anderen abschauen, etwa von Österreich, wo alle in die Rentenkasse einzahlen, auch die Beamten.

Die Berater von Finanzminister Olaf Scholz haben eine Anhebung des Rentenalters gefordert. Wäre das auf freiwilliger Basis nicht sinnvoll?

Ich habe bis 68 gearbeitet, weil es mir Spaß gemacht hat. Viele andere können das nicht, weil sie einen körperlich anstrengenden Beruf haben. Ich kenne viele, die kurz nach dem Renteneintrittsalter gestorben sind. Das ist tragisch. Man hat nach einem langen Arbeitsleben Anspruch darauf, noch einige Jahre gut leben zu können. Wer ein bestimmtes Wissen hat, sich gut einbringen kann, soll das natürlich dürfen. Aber nicht mit Zwang, da hoffe ich, dass der Einfluss der Fraktion größer ist als der der Berater im Finanzministerium.

Wirtschaftsexperten bezweifeln, dass sich aufgrund des demografischen Wandels die Rente mit 67 auf alle Zeiten festschreiben lässt. Wie kann das Arbeitsminister Hubertus Heil für heute 25-Jährige garantieren?

Technischer Fortschritt führt immer auch zu größerer Produktivität, deshalb können wir uns das auch leisten. 

Was halten Sie von dem skandinavischen Modell einer Staatsfonds-finanzierten Rente anstelle der unrentablen Riester-Rente?

Schon die Einführung der Riester-Rente basiert auf neoliberalem Denken. Ich verteidige unser Rentensystem. Heute zahlt der Staat bereits 30 Prozent dazu, das ist finanzierbar, wie man auch an Österreich sieht. Wer darüber hinaus privat vorsorgen kann und will, soll das tun.

Was schlagen Sie der neuen Bundesregierung vor, um im ländlichen Raum eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung zu garantieren? Viele Klinikchefs fordern mehr Kooperation und auch die Schließung kleiner Häuser, die zu geringe Fallzahlen haben – schon im Patienteninteresse.

Sicher müssen die Krankenhäuser zusammenarbeiten und in speziellen Bereichen haben die größeren bessere Voraussetzungen. Ich glaube aber nicht, dass nur große Krankenhäuser gute Leistungen erbringen. Das St-Anna-Krankenhaus in Sulzbach-Rosenberg hat eine große Bedeutung für den Landkreis, weil die Betreuung und das Menschliche im Mittelpunkt stehen. 

Welche kreativen Rezepte gibt es, damit Senioren in Dorfläden einkaufen können und nicht in die Städte fahren oder ziehen zu müssen?

Ich glaube, dass die Kommunen das in Eigeninitiative zusammen mit zivilgesellschaftlichem Engagement gut auf die Reihe bringen. Es gibt bei uns in Ursensollen zum Beispiel Nachbarschaftshilfen – unsere Gesellschaft lässt niemanden verhungern. 

Verhungern nicht, aber viele ältere Menschen ziehen in die Stadt, um alles fußläufig erreichen zu können …

Umgekehrt ziehen viele aufs Land. In kleinen Dörfern zieht man nicht so schnell weg, man hat dort Verwandtschaft und sein soziales Umfeld. Und eine Wohnung in der Stadt ist teurer. Man müsste da umdenken, am Land gibt es dafür Leerstände. 

Erwarten Sie eine spürbare ÖPNV-Offensive auch für den ländlichen Raum?

Ich bin jemand, der für die Bahn eintritt. Aber schon als junger Mensch bin ich von Hirschau nach Schnaittenbach oft allein im Zug gesessen. Alle sind auf Busse umgestiegen, die kamen einfach öfter. Eine gewisse Reaktivierung für den Freizeitverkehr ist machbar. Das ist sinnvoll auf Durchgangsstrecken, wo man nur den Bahnhof wieder anfahren muss. Ein Thema bei uns im Kreistag ist die Umstellung auf Sammeltaxis, die günstiger sind als Busse, die für drei Leute  jedes Dorf ansteuern. Da war ich zu sehr Haushaltspolitiker, alles muss eben auch finanziert werden. Auch in der Stadt fahren die Busse abends oft leer rum. Wäre da ein Taxi nicht sinnvoller?

Wo sehen Sie Erfolgsaussichten für die Ampel-Koalition, wo befürchten Sie Konflikte?

In der Entwicklungs-, Außen- und auch der Verkehrspolitik sehe ich Gemeinsamkeiten. Aber Probleme wird es bei der Renten-, Finanz- und Steuerpolitik geben. Viele Vorhaben sind nur zu finanzieren, wenn man die großen Konzerne packt, die bisher keine Steuern zahlen. Da liegen Milliarden Euro brach. 

Bisher haben es die amerikanischen Tech-Konzerne gut verstanden, Standorte mit geringen Steuern anzusteuern … 

Manche kamen aber auch wieder zurück, weil ihnen die Rechtssicherheit, die bessere Infrastruktur und Logistik auch zugute kommt. Ich habe da großes Vertrauen in Olaf Scholz, der auf diesem Gebiet bereits Erfahrung hat. Und zumindest in den europäischen Staaten ist da auch schon ein Umdenken eingetreten.

Was sind Ihre Pläne für die nahe Zukunft?

Ich mache weiter als Bezirksvorsitzender solange das gewünscht wird. Kürzlich habe ich bei einer Versammlung gesagt, vor uns muss sich niemand fürchten, wir wollen nichts mehr werden, wir wollen der Partei nur helfen. Und in der Freizeit schauen wir uns die Gegend an und kümmern uns um den Garten. Ich fühle mich in der Rente sehr wohl.

SPD-Senioren in der Oberpfalz

Vor 25 Jahren wurde in der Oberpfalz die SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus gegründet. Ihr gehören automatisch alle SPD Mitglieder ab dem 60. Lebensjahr an. Bundesweit sind das etwa 250.000. Darüber hinaus sind Nicht-Parteimitglieder und in der Seniorenarbeit Aktive, die das 60. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, zur Mitarbeit eingeladen. Die AG SPD 60 plus arbeitet eigenständig: Sie hat einen eigenen organisatorischen Aufbau – analog zum Aufbau der SPD – und sie fasst eigenständige Beschlüsse.

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