Alter, Demenz und viel Verständnis: Das Gegenteil von “gut” ist “gut gemeint”

Kaltenbrunn. Jede Lebensgeschichte ist einzigartig - wenn Menschen älter werden, bringt das besondere Herausforderungen mit sich. In vielen Bereichen kommt es besonders auf eins an: Verstehen.

Georg Pilhofer bei seinem Vortrag. Beim Aktionswochenende im Kaltenbrunner Sportheim ging es vor allem um Themen wie das Alter und das Leben mit dem Älterwerden. Bild: Gerhard Müller.

Hand in Hand mit dem Projekt Agil leben im Alter (ALIA) der Lars-und-Christian-Engel-Stiftung (LUCE) in Weiherhammer und dem Verein zur Förderung der seelischen Gesundheit im Alter (SEGA e.V.) hat ein Aktionswochenende in Kaltenbrunn viel Wissen rund um das Thema “Alter – mit und ohne Demenz“ vermittelt.

Georg Pilhofer von der gerontopsychiatrischen Koordinationsstelle Oberpfalz im Sozialpsychiatrischen Zentrum Amberg machte mit seinem Vortrag „Mit 66 Jahren fängt das Leben an“ den Anfang. Frei nach dem Schlager von Udo Jürgens unterstrich er die Wichtigkeit der seelischen Gesundheit im Alter und möchte Mut und Hoffnung für diesen Lebensabschnitt machen. Anhand von mehreren Beispielen zeigte er auf, was jeder Einzelne dazu beitragen kann. Der Gerontologe sensibilisierte seine Zuhörer dafür, dass es im Alter Höhen, aber auch Tiefen gebe, die zu bewältigen sind.

Das regte auch zu Diskussionen an. Jede Lebensgeschichte ist einzigartig und jeder Mensch – vor allem ältere – benötigen und verdienen respektvolle Lebensbegleitung, Unterstützung und Pflege. “Es ist an uns, zu erkennen, wer einsam oder alleingelassen ist, wodurch die Seele leidet und krank wird”, so Georg Pilhofer, der eindrucksvoll Einblicke vermittelte in die Lebenssituation und die Bedürfnisse älterer Menschen und wie diese deren seelische Gesundheit beeinflussen können.

Welche Ziele verfolgt ALIA?

Dr. David Rester, Projektleiter vom Leuchtturmprojekt „Agil leben im Alter“, gab einen umfassenden Einblick in Ziele, die sich das Projekt setzt. So sollen die Bürger aller Generationen und die Verantwortlichen der Gemeinde sensibilisiert werden. Um ein eigenes Zukunftsbild für eine generationenfreundliche Gemeinde zu erarbeiten, werden auch die Empfehlungen aus dem seniorenpolitischen Gesamtkonzept für den Landkreis Neustadt /WN umgesetzt. Dazu sollen unter anderem geeignete Bildungsangebote für Bürger, Hilfsbedürftige, Engagierte, pflegende Angehörige und auch Gesundheitsdienstleister entwickelt werden.

Das Gegenteil von “gut” ist “gut gemeint”

Sebastian Schuster von der Gerontopsychiatrische Koordinationsstelle Oberpfalz im Sozialpsychiatrisches Zentrum Amberg vermittelte Informationen und Tipps zur Kommunikation und Gesprächsführung mit älteren Menschen. „Verstehen und verstanden werden – nicht immer leicht“, wie Sebastian Schuster weiß, denn: „das Gegenteil von gut ist gut gemeint“. Auch bei diesem wichtigen Thema spielen die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten älterer Menschen eine große Rolle.

Das Grundbedürfnis des Menschen, sich mitzuteilen oder der Wille, sich auszutauschen, sei im Alter oft durch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit zusätzlich erschwert. Ein unüberlegt gesagter oder falsch verstandener Satz könne schnell Konflikte oder Feindseligkeiten auslösen, auch wenn die Idee dahinter noch so gut gemeint war. Dies veranschaulichte Schuster an unterschiedlichen Beispielen, Kommunikationsmodellen und -techniken. Gleichzeitig eröffnete er Lösungen, die helfen unser Gegenüber leichter und besser zu verstehen.

H.E.R.Z – für niederschwelllige Angebote rund um Demenz

Der demografische Wandel, ein Grund für die Veränderung unserer Gesellschaft, wird in den nächsten Jahren stärker zunehmen. Das lässt sich an den ansteigenden Zahlen in der Personengruppe über 65 Jahren erkennen. Diese werden anteilig an der gesamten Bevölkerung von 19 auf 23 Prozent zunehmen. Parallel dazu steigen auch die Demenzerkrankungen in dieser Gruppe. Mit dem Projekt „Helfend-Engagiert-Respektvoll-Zugewandt“ sollen hierfür möglichst viele Oberpfälzer Bürger durch eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit sensibilisiert werden. Gemeinsam mit seinen Partnern will hier der Verein SEGA e.V. und die Fachstelle Demenz und Pflege Oberpfalz mit möglichst niederschwelligen Angeboten von Schulungen oder Informationsveranstaltungen das Thema Demenz den Bürgern näherbringen. Kommunen, die diese Arbeit unterstützen und fördern, können dadurch eine Zertifizierung erlangen.

Wie fühlt sich ein Demenzkranker?

Maria Müller von SEGA e.V. half den Besuchern eine VR-Brille anzuwenden, bei der anstelle der Gläser hochmoderne Displays verbaut sind. Mit dieser blickdichten Brille ist es möglich, hautnah Filme zu erleben, in Videospiele einzutauchen oder auch ältere Mitmenschen visuelle Erlebnisse zuteil kommen zu lassen, die sie im normalen Leben nicht erleben können. Sonja Oleson von der Fachstelle Demenz und Pflege Oberpfalz baute an beiden Tagen einen „Demenzparcours“ auf, der die Teilnehmer einem normalen Tag erleben ließ, wie ihn ein an Demenz erkrankter Mitbürger erlebt.

An dreizehn Stationen erfuhren die Anwesenden, wie sie einfache Handlungen nicht mehr umsetzen können, Gewohntes nicht mehr gelingen will, Verzweiflung wütend macht oder sich unzulänglich zu fühlen. Viele Besucher gewannen durch diese Erfahrungen ein neues Bild von demenzerkrankten Mitmenschen.

Kirwakids sorgen für lockere Tänze 

Nach einer längeren durch Corona bedingten Auftrittspause sorgten bei dem Aktionswochenende außerdem die „Kirwa-Kids“ von der TSG Weiherhammer für Abwechslung. Die unter der Leitung von Susanne Martin und Barbara Heibl einstudierten volkstümlichen Kirwa-Tänze, die von den Kindern voll Freude und Engagement vorgetragen wurden, sorgten für eine willkommene Abwechslung. Mit einem großen Applaus konnten die Zuschauer die Kinder zu einer Zugabe in Form eines schönen Kirchweihreigens animieren.

* Diese Felder sind erforderlich.