Amtsantritt mit Corona: Tirschenreuther Landrat als Krisenmanager (Teil 1)

Tirschenreuth. Seinen Amtsantritt vor vier Jahren hat sich Landrat Roland Grillmeier ganz anders vorgestellt. Seine Wahl fiel mit dem Ausbruch der Pandemie zusammen. Das Landratsamt verhängte eine Ausgangssperre für Mitterteich, wo der 53-Jährige 18 Jahre lang Bürgermeister war. Inzwischen managt er die Folgen der multiplen Krisen und liefert neue Lösungsansätze.

Regieren im Corona-Hotspot: Landrat Roland Grillmeier bei einer Videokonferenz im Landratsamt. Foto: Landratsamt

Recht viel dramatischer hätte Roland Grillmeiers Amtswechsel vom Rathaus ins Landratsamt nicht ausfallen können. „Mitterteich im Ausnahmezustand“, lautete eine Überschrift dieses Autors, der sich am 19. März 2020 ein Bild von der Lage machte. „Eine Stadt in Coronahaft.“

Krisenmodus vom ersten Tag an

„Wir werden uns viel zu verzeihen haben“, baute der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn schon mal vor. Denn eines war klar: Mit einer Pandemie dieses Ausmaßes musste noch keine Bundesregierung umgehen. Fehler blieben nicht aus. Die Folge: Die Atmosphäre heizte sich zunehmend auf. Und war einmal ein Verdacht in der Welt, nützte auch die Entwarnung vier Monate später nur wenig. Wie beim Bierfest in Mitterteich, das bundesweit als Auslöser der galoppierenden Fallzahlen Schlagzeilen machte, auch wenn sich später herausstellte, dass auch andere Faktoren dazu beitrugen.

Für den neuen Landrat bedeutete das: Krisenmodus vom ersten Tag an. Mit allen Konsequenzen: Die Organisation der Tests und Impfungen, die missglückten Maskendeals, umstrittene Schulschließungen und eine zunehmende Polarisierung zwischen Geimpften und Impfgegnern. Kein Wunder, dass es nicht lange dauerte, bis die AfD, die monatelang überhaupt kein Rezept zum Umgang mit der Pandemie hatte, den Frust der Straße für sich nutzen wollte.

Amtsübergabe: Altlandrat Wolfgang Lippert (links) überreicht Roland Grillmeier symbolisch die Schlüssel fürs Landratsamt. Foto: LRA

Der nächste Paukenschlag

Das galt zuvor bereits für die Flüchtlingskrise. Mit ihrem Beginn 2015 setzten sich in der AfD die Kräfte durch, die die Partei von der Anti-Euro-Partei zur Anti-Flüchtlingspartei umwandeln wollten. Und auch hier gilt wieder, dass die Umsetzung des Versprechens von Bundeskanzlerin Angela Merkel, „wir schaffen das“, häufig nach unten weiter delegiert wurde. Bereits Grillmeiers Vorgänger, Landrat Wolfgang Lippert (Freie Wähler) suchte händeringend nach immer neuen Möglichkeiten zur Unterbringung geflüchteter Menschen.

Von den rund eine Million Geflüchteten in Deutschland entfielen ein Prozent auf den Landkreis. Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg des Putin-Regimes auf die Ukraine, der bereits zigtausende Opfer forderte und dessen Ende nicht in Sicht ist, steht der Landkreis vor neuen Herausforderungen. Millionen Menschen fliehen, darunter auch viele nach Deutschland. Allein in Fockenfeld wurden seit Beginn der Krise bis zu 200 Menschen, überwiegend Frauen, Kinder und Ältere untergebracht und vom BRK betreut. „Wir haben jetzt rund 1000 Ukrainer und 800 weitere Asylberechtigte im Landkreis untergebracht“, sagt Grillmeier.

Bürgermeister Roman Schäffler und Landrat Roland Grillmeier im Gespräch mit den Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft in Kemnath. Foto: Fabian Polster, Landratsamt Tirschenreuth

Container als Zwischenlösung

„Die Unterkünfte gingen aus“, beschreibt der Landrat die schwierige Lage, „das Verständnis der Bürger, auch durch Bürgergeld und fehlende Anreize zur Arbeitsaufnahme und der überproportionalen Unterbringung in einigen Orten verstärkt, stieß an Grenzen.“ Das Unterbringungsmanagement musste auf neue Beine gestellt werden. „Wir mussten außer einem Integrationsbeauftragten zusätzliches Personal für die Hausverwaltung und zuletzt auch für die Wohnraumvermittlung einstellen.“

Im Pakt mit den Bürgermeistern machte sich der Landrat auf die Suche nach Unterkünften. „Zwischenlösungen mussten her.“ Vier Kommunen mit einem bisher niedrigeren Migrationsanteil stellten Grundstücke für Containerlösungen für bis zu 55 Personen zur Verfügung. „Zwei davon sind bereits errichtet, eine befindet sich in Planung – damit konnten wir zumindest die Unterbringung ganz gut lösen und den Menschen vor Ort auch mit verständlich erklären.“

Landrat Roland Grillmeier im Landratsamt in Tirschenreuth. Foto: LRA

Job-Turbo und gemeinnützige Arbeit

Zudem habe man die Bezahlkarte zügig eingeführt und mit dem Job-Turbo und zusätzlichen Sprachkursen seitens der Volkshochschule die Anstrengungen verstärkt, die Kriegsflüchtlinge schneller zu qualifizieren und in Arbeit zu vermitteln. „Einige Kommunen stellen auch Plätze für gemeinnützige Arbeit. „Das erhöht die Akzeptanz, wenn die Menschen sehen, dass sich die Flüchtlinge auch für gemeinnützige Aufgaben engagieren“, sagt der Landrat.

Es sollte ganze drei Jahre dauern, bis Spahns Nachfolger, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, die Corona-Pandemie Anfang April 2023 offiziell für beendet erklärte. Die meisten Corona-Maßnahmen waren da längst gefallen. Als sich gerade etwas Optimismus breit machte, dass Deutschland wirtschaftlich ganz passabel durch die zwei Lockdowns gekommen sein könnte, treibt Putins Krieg die Inflation in die Höhe.

Roland Grillmeier als Bürgermeister von Mitterteich. Archivfoto: Jürgen Herda

Von wegen „Süffikus“

Die erste Corona-bedingte Ausgangssperre in Deutschland – und das ausgerechnet in Mitterteich. BILD, BR, SAT.1, RTL und ntv begaben sich an jenem 19. März 2020 auf Sensationsschau. Und dann auch noch das: Ministerpräsident Markus Söder ließ den Verdacht fallen, ein Starkbierfest könne Ausgangspunkt der gehäuften Coronafälle sein.

Der damalige Bürgermeister Roland Grillmeier, der sich seine letzten Wochen vor dem Wechsel an die Spitze des Landratsamtes sicher anders vorgestellt hatte, war bedient: „Es ist nicht zielführend, wenn von offizieller Seite Vermutungen rausgehauen werden, die nicht verifiziert werden können“, sagte das Noch-Stadtoberhaupt. „Die Infektionsketten sind meines Wissens noch nicht identifiziert.“

Und obwohl Experten landesweit den „Süffikus“ der Brauerei Hösl, die diesen ironisch noch als „bestes Gegenmittel gegen das Virus“ angepriesen hatte, als Sündenbock ausgemacht zu haben glaubten, und sich Medien in ganz Deutschland über die bierseligen Bayern echauffierten, zeigte im Juli des gleichen Jahres eine Studie des Robert-Koch-Instituts, dass es im Landkreis Tirschenreuth bereits früh unerkannte Corona-Infektionen gab. Das Fest war demzufolge zumindest nicht allein schuld am Ausbruch.

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