Für „SAD-88“: OVIGO holt Anna Maria Sturm

Schwandorf. OVIGO landet für die Eigenproduktion "SAD-88" einen Besetzungscoup. Das Oberpfälzer Theater konnte Schauspielerin Anna Maria Sturm gewinnen. Das Stück thematisiert den rechtsterroristischen Anschlag auf das Habermeier-Haus in Schwandorf von 1988.

Anna Maria Sturm. Foto: Jeanne Degraa

„Einige im Verein hielten es für einen verspäteten Aprilscherz“, berichtet Florian Wein, Intendant des OVIGO Theaters. Die Überraschung über die sensationelle Nachricht war groß. Und sie stimmt tatsächlich: Das OVIGO Theater, das in den letzten Jahren sukzessive gewachsen ist, und 2024 erstmals weit über 10.000 Besucher begrüßt hat, hat einen Coup gelandet und die bekannte Schauspielerin Anna Maria Sturm für die anstehende Eigenproduktion „SAD-88“ gewinnen können.

Die 41-Jährige hatte ihren Durchbruch mit den erfolgreichen Kinofilmen „Beste Zeit“ (2007), „Beste Gegend“ (2008) und „Beste Chance“ (2014) von Marcus H. Rosenmüller. Sturm spielte außerdem an der Seite von Matthias Brandt in der Krimireihe „Polizeiruf 110“ oder Hauptrollen in der „Tatort“-Folge „Nieder wieder frei sein“ oder im Kinofilm „Wackerdorf“ (2018), in der sie eine Rolle spielte, die an ihre Mutter Irene Maria Sturm angelehnt ist, die sich gegen die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf gestemmt hat.

Stück über Brandanschlag durch Neonazi

Nun spielt Anna Maria Sturm erneut bei einer Produktion, die sich um eine Thematik dreht, bei der ihre Mutter einen wichtigen Part hatte. „SAD-88“ ist als multimediale Szenen-Collage angekündigt, bei der es um den rechtsterroristischen Brandanschlag auf das Schwandorfer Habermeier-Haus am 17. Dezember 1988 geht. Der stadtbekannte Neonazi und Berufsschüler Josef S. steckte damals das Haus in Brand und verschuldete damit den Tod von vier Menschen: Osman Can (50), Fatma Can (43), Mehmet Can (12), Jürgen Hübener (47). Vor Gericht lieferte er den Grund: Er hasste Ausländer.

Die Idee, Anna Maria Sturm für das Projekt anzufragen, entstand während der Recherchen für die Skripterstellung. Die gebürtige Regensburgerin, die in Schwandorf aufgewachsen ist, zeigte sich jedoch schnell interessiert und signalisierte, dass dies ein Herzensthema von ihr wäre. Nachdem Florian Wein ihr das Konzept und Skript vorstellte, war sie tatsächlich an Bord. „Sie lebt mittlerweile in Brüssel und verzichtet für dieses Projekt auf ihre übliche Gage“, erzählt Autor und Regisseur Wein. „Es ist eine große Ehre, eine solche Persönlichkeit bei dieser uns so wichtigen Produktion dabei zu haben.“

Lange Zeit tat man sich in der Stadt und der Region schwer, mit dem Geschehenen vom 17.12.88 umzugehen und es aufzuarbeiten. „‘SAD-88‘ soll einen Beitrag leisten“, so Wein, der die verschiedenen Szenen zusammensetzt. „So etwas darf nicht wieder passieren. Wir möchten gedenken, erinnern und mahnen. In unserem derzeitigen gesellschaftlichen Klima ist dies wichtiger denn je.“ Das Stück wird am Jahrestag des Anschlags – 17. Dezember – als Uraufführung im  Felsenkeller Schwandorf zu sehen sein.

„Die Stadt war sofort mit an Bord“

„Die Stadt war sofort mit an Bord“, zeigt sich Wein erfreut. „Wir wollen nicht wegschauen. Wir wollen nicht vergessen. Wir müssen erinnern – gemeinsam“, so der OVIGO-Intendant, der mit vielen Zeitzeugen Interviews geführt hat, die teilweise auch im Stück vorkommen werden. Auch Irene Maria Sturm, die Mutter von Anna Maria Sturm, wird zu Wort kommen. Sie kämpfte über Jahre und Jahrzehnte dafür, dass in Schwandorf ein Gedenkstein aufgestellt wird, der an den Anschlag und die Toten erinnern soll. Wein und sein Team haben auch mit Leyla Kellecioglu gesprochen, die bei dem Anschlag ihre Eltern und ihren zwölfjährigen Bruder verloren hat. „Eigentlich wollte sie nicht mehr darüber reden“, so Wein. „Doch sie hat unser Projekt von Anfang an unterstützt.“

Ein klassisches Bühnentheater dürfte nicht erwartet werden. „Das Stück soll überraschen, aufrütteln und auch unangenehm werden“, so der OVIGO-Intendant/Autor/Regisseur. „Es ist ein schweres Thema. Das Publikum darf nicht gleichgültig wieder nach Hause geschickt werden“, bekräftigt Wein. Neben dem Anschlag in Schwandorf soll auch der Bogen zu generellen rechtsradikalen Umtrieben in der Region, in ganz Deutschland und ganz Europa gespannt werden – damals wie heute. Neben Anna Maria Sturm werden die erfahrenen OVIGO-Schauspieler Michael Zanner, Lisamarie Berger und Daniel Adler auf der Bühne zu sehen sein.

Auch Termine in Weiden und Regensburg

Zunächst gab es für „SAD-88“ nur zwei reguläre Termine im Felsenkeller Schwandorf. Diese beiden waren jedoch sehr schnell ausverkauft. Nun gibt es neue Termine: Das Stück ist am 3. und 4. Januar in der Sünde in Weiden, am 17. und 18. Januar im W1 Regensburg und am 1. und 2. März 2025 erneut im Felsenkeller Schwandorf zu sehen. Tickets gibt es je nach Ort und Ermäßigung für zwischen 6,00 und 17,50 € über www.ovigo-theater.de oder an den bekannten Vorverkaufsstellen.

Intendant, Regisseur und Autor Florian Wein vor dem Ort des Anschlags (Habermeier-Haus, Schwandorf). Foto: Lisamarie Berger
Intendant, Regisseur und Autor Florian Wein vor dem Ort des Anschlags (Habermeier-Haus, Schwandorf). Foto: Lisamarie Berger
Anna Maria Sturm. Foto: Jeanne Degraa
Anna Maria Sturm. Foto: Jeanne Degraa
Anna Maria Sturm. Foto: Jeanne Degraa
Anna Maria Sturm. Foto: Jeanne Degraa
Foto: Lisamarie Berger
Foto: Jeanne Degraa
Foto: Jeanne Degraa

Engagement für die Erinnerungskultur

„Weil es sich um ein Herzensthema von ihr handelt“, sei Sturm, die in Brüssel lebt, schnell interessiert gewesen und verzichte für dieses Projekt auf ihre übliche Gage, wie Wein berichtet. Die Darstellung des Anschlags, bei dem ein Neonazi aus Fremdenhass vier Menschen tötete, und seine Hintergründe soll nicht nur aufklären und mahnen, sondern auch zur Aufarbeitung der Lokalgeschichte beitragen. „So etwas darf nicht wieder passieren. Wir möchten gedenken, erinnern und mahnen. In unserem derzeitigen gesellschaftlichen Klima ist dies wichtiger denn je“, betont Wein. Das Stück wird am Jahrestag des Anschlags, dem 17. Dezember, im Felsenkeller Schwandorf uraufgeführt.

Bedeutung weit über die Region hinaus

Neben einem Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung soll „SAD-88“ auch die Brücke zu gegenwärtigen rechtsradikalen Tendenzen schlagen, sowohl regional als auch überregional. Neben Anna Maria Sturm stehen erfahrene OVIGO-Schauspieler wie Michael Zanner, Lisamarie Berger und Daniel Adler auf der Bühne. Nachdem die ursprünglichen Vorstellungen schnell ausverkauft waren, sind bereits zusätzliche Termine in Weiden, Regensburg und erneut in Schwandorf angesetzt worden. „Wir wollen nicht wegschauen. Wir wollen nicht vergessen. Wir müssen erinnern – gemeinsam“, zeigt sich Wein entschlossen und legt damit die Zielsetzung des Projekts offen, die weit über ein gewöhnliches Theatererlebnis hinausgehen soll.

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