Arbeitsmarkt: Da braut sich was zusammen

Nordoberpfalz. Der demografische Wandel reißt Riesenlöcher in den Arbeitsmarkt. Die Babyboomer-Generation verabschiedet sich bis 2035 in den Ruhestand. Wer soll die Lücken überhaupt schließen? Professor Bernd Fitzenberger schildert die dramatische Lage.

Die Lage am Arbeitsmarkt in der Region ist nach wie vor entspannt. Foto: Pixabay/Janno Nivergall

Die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt spitzt sich weiter zu. Im vierten Quartal des vergangenen Jahres gab es bundesweit zwei Millionen offene Stellen. Gleichzeitig macht sich der demografische Wandel bemerkbar. Die Erwerbstätigen werden immer älter. Erschwerend hinzu kommt noch, dass sich die Babyboomer-Jahrgänge bis 2035 komplett in den Ruhestand verabschiedet haben. Zurück bleibt jedes Jahr eine klaffende Lücke von bis zu 400.000 unbesetzten Jobs. Diese ernüchternde Bilanz zieht der Leiter des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Professor Bernd Fitzenberger. Im Rahmen der Dresdner Vorträge zur Wirtschaftspolitik skizzierte er die aktuellen und zukünftigen Arbeitsmarkttrends und ihre Folgen für die Fachkräfte- und Arbeitskräftesicherung.

Öffentlicher Dienst ist gefragter denn je

Ukrainekrieg, gestörte Lieferketten, Rekordinflation, Energiepreise und Rezessionsängste – der Arbeitsmarkt zeigt sich davon unbeeindruckt. Firmen suchen händeringend nach Personal. Da wirken auch noch die Spätfolgen von Corona nach. So mancher Betrieb hat während der Pandemie einen Einstellungsstopp verhängt. Jetzt sucht man verstärkt und verzweifelt nach Leuten. Nicht zuletzt, weil auf Verbraucher- und Konsumentenseite die Nachfrage etwa bei Dienstleistungen deutlich angestiegen ist. Und noch ein, für die freie Wirtschaft „beunruhigendes“ Phänomen hat Fitzenberger ausgemacht. Früher eher noch belächelt, sind Jobs im öffentlichen Dienst immer gefragter. „Die Leute wollen in ihrem Beruf mehr Planbarkeit und Sicherheit.“

Beim ifo-Institut in Dresden skizzierte Professor Bernd Fitzenberger die aktuellen und zukünftigen Arbeitsmarkttrends. Foto: Wolfram Murr/Photofabrik

Dramatischer Arbeitskräftemangel

„Die Arbeitskräfteknappheit ist so stark wie seit den Wirtschaftswunderjahren nicht mehr“, erläutert Fitzenberger. Die liegen sieben Jahrzehnte zurück. Damals versuchte man in der Bundesrepublik mit dem Zuzug von Gastarbeitern das Personalproblem zu lösen. Neben der Steigerung der Erwerbsquote sieht Fitzenberger in der Zuwanderung eine Möglichkeit, den Arbeitskräftemangel in den Griff zu kriegen. Doch Obacht. Um die Lücke der verrenteten Babyboomer zu schließen, müssten sich jedes Jahr 1,2 Millionen arbeitssuchende Menschen aus Nicht-EU-Ländern auf den Weg nach Deutschland machen, denn: „Die Fluktuation unter den Erwerbsmigranten ist hoch“, weiß Fitzenberger. 800.000 davon würden der Bundesrepublik wieder den Rücken kehren.

Deutschland zu wenig attraktiv?

Noch ein Problem: Die schwarz-rot-goldenen Landen nehmen in der Beliebtheitsskala nicht gerade einen Spitzenplatz ein. Qualifikationen und Abschlüsse würden nicht anerkannt, Zusatzprüfungen werden verlangt, außerdem mahlen die Mühlen der Bürokratie zu langsam. „Der Anreiz, in Deutschland Arbeit aufzunehmen, ist für viele zu gering“, erläutert der Instituts-Chef.

Die zwei Umbruch-“D’s”

Im Argen liegt es auch bei der betrieblichen Weiterbildung. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hält sie in Deutschland sogar für katastrophal. So weit würde Fitzenberger nicht gehen. Dennoch: „Das Thema ist eine Riesenherausforderung.“ In den Corona-Jahren kam sie förmlich zum Erliegen. Schlecht: Denn die Digitalisierung und die Dekarbonisierung wird für große Umbrüche in der Arbeits- und Berufswelt sorgen. Dieser Transformationsprozess ist schon in vollem Gange. „Die immer älter werdenden Beschäftigen müssen für diese neuen Anforderungen im Job rechtzeitig fit gemacht werden“, betont der Instituts-Leiter.

Jugendliche müssen in Ausbildung geführt werden

Auch die Jugendlichen für die berufliche Ausbildung zu gewinnen, ist inzwischen schwieriger denn je geworden. „Der Ausbildungsmarkt steckt in der Krise“, sagt Fitzenberger. Es gibt deutlich weniger Azubis als Lehrstellen, aber dafür immer mehr sogenannter Passungsprobleme. „Die Interessen der Jugendlichen und die der Betriebe stimmen nicht überein.“ Trotzdem würden sich immer noch Firmen den Luxus erlauben, Jugendliche als nicht ausbildungsreif abzulehnen, kritisiert der Experte. Das habe in Einzelfällen durchaus seine Berechtigung, dennoch: Man dürfe die jungen Leute nicht einfach aussieben, sondern müsse sie in Ausbildung führen, meint Fitzenberger. „Wir haben nun mal keine anderen Jugendlichen, wir müssen die nehmen, die da sind.“ Er warnt vor Rückschritten auf dem Ausbildungsmarkt: „Dann wird uns der Fachkräftemangel wie ein Bumerang um die Ohren fliegen.“

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