Audi-Azubis tauchen in die Geschichte ein

Flossenbürg. In einem Bildungsprogramm an der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg arbeiten 20 Auszubildende des Autokonzerns die Geschichte ihres Unternehmens auf.

In einem Bildungsprogramm an der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg arbeiten Auszubildende die Geschichte ihres Unternehmens auf. Foto: KZ-Gedenkstätte Flossenbürg


In einem Bildungsprogramm an der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg arbeiten Auszubildende die Geschichte ihres Unternehmens auf. Normalerweise stehen sie als angehende Kaufleute für Büromanagement, Kfz-Mechatroniker oder Fachkräfte für Lagerlogistik im Betrieb. Für eine Woche sind 20 Auszubildende aber in Flossenbürg und beschäftigen sich mit dem Nationalsozialismus, mit dem System der Konzentrationslager und der Rolle von deutschen Unternehmen im Zweiten Weltkrieg.

Häftlinge schufteten für die Auto Union AG

Der Hintergrund: in sieben Außenlagern des KZ Flossenbürg mussten während des Zweiten Weltkriegs Häftlinge aus ganz Europa für die Auto Union AG, die Vorgängerin der heutigen Audi AG, Zwangsarbeit leisten. Viele von ihnen überlebten die elenden Bedingungen und Gewalt der SS dort nicht. Der Ingolstädter Konzern stellt sich der Verantwortung als Nachfolgeunternehmen. In Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg ermöglichen Seminare vor Ort in Flossenbürg den jungen Audianerinnen und Audianern schon früh in ihrer Karriere eine Auseinandersetzung mit der Geschichte. „Ich wusste nicht, dass Audi Zwangsarbeiter hatte”, sagt Louis Thullner, Auszubildender für Karosserie- und Fahrzeugbaumechanik am Standort Neckarsulm im ersten Lehrjahr. „Es ist nicht alles so rosig an der Firmengeschichte, und man muss darüber Bescheid wissen, damit sich das nicht wiederholen kann.“

Ein Teil der Firmengeschichte

Jürgen Wittmann betreut als verantwortlicher Betriebsrat das Projekt seitens Audi. Er betont: “Diese dunklen Stellen der Geschichte unseres Unternehmens sind Teil von uns. Wir halten sie lebendig, um daraus zu lernen. Daher arbeiten wir seit Jahren eng mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg zusammen.“ „Neben der wissenschaftlichen Dokumentation und Aufarbeitung der Unternehmensgeschichte, ist es uns besonders wichtig, unseren Auszubildenden das Angebot der Vorort-Seminare zu ermöglichen,” ergänzt Christoph Hermreck, Leiter Audi Berufsausbildung und duale Studienprogramme Ingolstadt.

Drei Seminarwochen pro Jahr

Dreimal jährlich finden Seminarwochen für Auszubildende aus Ingolstadt und Neckarsulm statt, unter Anleitung des pädagogischen Teams der KZ-Gedenkstätte. Die Lebens- und Haftwege von Gefangenen sind dabei zentrale Themen ebenso wie Fragen nach Täterschaft innerhalb des Nationalsozialismus. Teil des Seminars ist zudem eine Fahrt nach Zwickau, dem Gründungsort des Unternehmens und ehemaligen Standort eines Außenlagers des KZ Flossenbürg. Das August Horch Museum Zwickau ist Anlaufstelle vor Ort und enger Partner für das Bildungsprogramm.

Spielräume für ethisches Verhalten

Dennis Forster ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und leitet das Projekt. Ihm gehe es dabei nicht darum, den moralischen Zeigefinger zu heben. „Die Auszubildenden erörtern im Seminar Spielräume für ethisches Verhalten, jenseits unbedingten Gehorsams und rein wirtschaftlicher Logik,“ so Forster. Das sei nicht nur für die Reflexion über historische, sondern auch gegenwärtige Fragen rund um Menschenrechte und unternehmerische Verantwortung relevant. Die Kooperation zwischen der Gedenkstätte und der Audi AG leistet so einen wichtigen Beitrag zu geschichtsbewusstem Denken und Handeln – nicht nur im Betrieb, sondern auch im gesellschaftlichen Alltag.

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