Aussagen der Verwandten – Vater “gleich auf 150”

Weiden. “Ich war jähzornig. Ich hab gewusst, dass sie Angst hat, wenn ich was sage”, erklärte der Vater der wegen Totschlags angeklagten Steffi D. auf Nachfrage des psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. Michael Osterheider. Um seine cholerische Veranlagung machte der 47-Jährige keinen Hehl: “Wenn mich einer nasch macht, bin ich gleich auf 150”, so der als Zeuge geladene Vater. Und dann gab er gleich eine Kostprobe seines Temperaments.

Von Benedikt Grimm

Die Fragen der Richter drehten sich darum, ob er denn nicht mitbekommen hätte, dass seine Tochter schwanger war. “Zu mir haben sie immer gesagt, sie hat eine Zyste”, erklärte der in Jeans und Blouson-Jacke gekleidete Baggerfahrer. Er habe nichts weiter gesagt, weil er keinen Streit wollte. Auch am Tag der Tat, als er zusammen mit seiner Mutter, seiner Tochter und deren beiden Kindern vom Verbrauchermarkt in Neustadt zu seinem Heimatort zurückfuhr, habe ihm Steffi D. nichts gesagt. Sie saß auf dem Beifahrersitz – mit blutverschmierter Hose. “Ich hab sie angeschrien. Dann hat sie geweint”, sagte er auf Nachfrage von Richter Dr. Marco Heß.

Wenn sie mir nichts sagen wollen, was los ist, dann können sie mir auf den Buckel steigen

erinnerte sich der 47-Jährige an eine Gesprächssituation im Familienkreis. Dabei schlägt er mit den Fäusten auf den Tisch und gestikuliert mit schneller werdenden Armbewegungen. Bis es dem Vorsitzendem Richter Walter Leupold zu bunt wird:

Ich würde Ihnen raten sich nicht mit mir anzulegen, sonst sind sie schneller im Gefängnis als sie schauen.

Das reicht aber noch nicht zur Beruhigung. Da wird Leupold noch lauter:

Ich sag’s Ihnen nochmal, ich würde Ihnen nicht raten Ihr Temperament an mir auszulassen. Sie werden sich bei mir anders benehmen!

Das wirkt. Am ersten Prozesstag berichtete Steffi D. von Drohungen ihres Vaters, dass er sie aus der gemeinsamen Wohnung schmeißen würde, wenn sie neben ihren beiden Söhnen nochmal schwanger würde. “Ich habe es ihr nahegelegt. Sie soll aufschauen, sonst schmeiß ich sie raus”, bestätigt der. Schon aus finanziellen Gründen könne er nicht drei Kinder aufziehen.

Nie über Hobbies geredet

“Wissen Sie etwas über die Interessen ihrer Tochter, ihre Hobbies”, frägt Prof. Dr. Osterheider den Vater der Angeklagten. Manche Zuschauer können sich einen ungläubigen Seufzer nicht verkneifen, als sie die Antwort des 47-Jährigen hören: “Nein, da haben wir nie drüber geredet.” Gemeinsame Urlaube habe es nicht gegeben. “Das kann man sich als alleinerziehender Vater nicht leisten”, so der Zeuge.

“Steffi hat niemanden gehabt. Sie hat Zuneigung gesucht”, sagt später der Bruder des Vaters. Er ist es, der Steffi D. zusammen mit seiner Lebensgefährtin am Nachmittag des 25. April, des Tattages, als erster im Klinikum Weiden besucht. Der Onkel ist wohl eine Art Vertrauensperson für die 21-jährige Angeklagte. Bei ihm habe sie sich Zuneigung geholt. Zu Hause hätte sie ja immer nur das Aufbrausende gehabt. Der Onkel schätzt seine Nichte als Einzelgängerin ein, die nicht in Gruppen integriert war und lieber in die Arbeit ging, um ein anderes Umfeld als in der Wohnung ihres Vaters zu haben. Den aufbrausenden Charakter bestätigt auch die Großmutter der Angeklagten, die mit Rechtsanwalt Rouven Colbatz als Zeugenbeistand erschienen ist.

Mein Sohn ist halt immer gleich laut geworden… immer hochgegangen

sagt die 75-Jährige, die am 25. April ebenfalls mit in dem Neustädter Verbrauchermarkt war. Die Enkelin sei verängstigt gewesen und habe lieber nichts zu ihrem Vater gesagt.

Mutter verweigert Aussage

Der Onkel von Steffi D. und dessen Lebensgefährtin hatten schon eine Schwangerschaft vermutet. Die Großmutter hatte bei Steffi einen Flyer über anonyme Geburten gefunden und auch dem Onkel gezeigt. Im Krankenhaus, als er Steffi D. ohne Kind sieht, glaubt er demnach, dass sie ihr Neugeborenes weggegeben habe. “Ich hab sie in den Arm genommen. Habe gesagt, Steffi, überleg’s Dir. Mach keinen Quatsch”, so der Onkel über die Stunden nach der Behandlung im Krankenhaus. Sie habe ihn umarmt und geweint, aber nichts gesagt. Die Mutter von Steffi D. machte von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

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Am Tag zwei des Prozesses gegen Steffi D. war der Besucherandrang noch stärker als am ersten Prozesstag.
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Die 21-jährige Angeklagte verdeckte vor Prozessbeginn ihren Kopf unter einer schwarzen Lederjacke.
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Der Verteidiger von Steffi D., Christoph Scharf, spricht vor Prozessbeginn mit seiner Mandantin.

Bilder: B. Grimm

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