Wellness-Kuhstall: Bayerischer Tierschutzpreis geht nach Bärnau

Ödwaldhausen. Mit 14 Milchkühen plus Jungvieh betrieb Alfons Weiß seine Nebenerwerbslandwirtschaft bis zum Jahr 2012. Im selben Jahr schloss Tochter Carolin, eigentlich eine gelernte Bauzeichnerin, ihre Zweitausbildung mit der landwirtschaftlichen Gehilfenprüfung ab. Im selben Jahr reifte auch der Entschluss, den Nebenerwerbsbetrieb fortzuführen. Doch dafür musste erst mal investiert werden.

Von Benedikt Grimm

Als der Familienbetrieb die Planung eines neuen Milchviehstalles in Angriff nahm, wurde erstmal das hauseigene Archiv mit den Ausgaben des „Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblattes“ der vergangenen Jahre durchstöbert. In einem Exemplar aus dem Jahr 2009 wurde man fündig. Darin wurde über einen Betrieb in Österreich berichtet, der einen Kompoststall errichtet hatte.

Wir haben Kontakt mit dem österreichischen Landwirt aufgenommen und haben uns den Stall vor Ort angeschaut. Die Österreicher waren sehr hilfsbereit,

erinnert sich Carolin Weiß. „Der Kompoststall bietet den Tieren höchsten Kuhkomfort mit besonderen Anforderungen an den Tierschutz und das Tierwohl“, sagt Manfred Zintl, Fachberater für Rinderhaltung am Tirschenreuther AELF. Auch für ihn war das Thema Kompoststall – bis heute einmalig im Landkreis – ein Pilotprojekt. Im Jahr 2013 folgte der Spatenstich auf dem Hof im Gemeindebereich Bärnau, der seit dem 19 Jahrhundert in Familienbesitz ist.

Familie Weiß 1
Komplett in Eigenregie haben Alfons, Hildegard und Carolin Weiß (von rechts) einen tiergerechten Kompoststall in Eigenregie errichtet. Manfred Zintl hatte den Bau als Fachberater für Rinderhaltung am AELF Tirschenreuth begleitet.

Saubere Tiere, bessere Luft und weniger Fliegen

Auf 22 mal 40 Meter finden bis zu 54 Tiere Platz. Allein die Liegefläche misst 444 Quadratmeter. Und die hat es in sich. Auf einer wasserdichten Betonwanne wurden 80 Kubikmeter Sägemehl ausgebracht. Die Stalltore sind mit einer Höhe von 4,5 Metern so groß bemessen, dass ein Lastwagen durchpasst und seine Lieferung direkt auf der Liegefläche abkippen kann. Mit einem Frontlader wird das Material auf der Fläche verteilt. Der Kot der Tiere wird jeden Morgen, während die Kühe beim Melken und Fressen sind, mit dem Grubber durchgearbeitet. Nur eine knappe Viertelstunde benötigt Familie Weiß für diesen Arbeitsschritt. Die Biomasse erwärmt sich, sodass Feuchtigkeit verdunstet und schädliche Keime abgetötet werden. Die positive Folge: „Die Tiere liegen nicht in ihrem eigenen Kot. Wir haben eine bessere Stallluft und keinen Fliegendruck, da der PH-Wert zu alkalisch ist“, erklärt Alfons Weiß.

Liegefläche Carolin Weiß Kompoststall
Tiefenentspannt liegen die Milchkühe auf ihrer mit Sägemehl bedeckten Liegefläche im taghellen und luftigen Stall. Die Seitenwände lassen sich komplett öffnen und geben den Blick in die Natur frei.

Nach der ersten Einstreu misst die Belaghöhe rund 20 Zentimeter. Je nach Witterung müssen nach etwa vier Wochen 40 Kubikmeter Sägespäne nachgefüllt werden. Im Sommer kann sich der Turnus auf bis zu sieben Wochen verlängern. Nur zweimal im Jahr, in der Regel im März und Oktober, wird komplett entmistet. Das Material ist wertvoller Dünger, in dem Stickstoff, Phosphor und Kali gebunden sind. „Es sind mehr Nährstoffe im abgelagerten wie im frischen Mist“, weiß Carolin Weiß, die auch die Fortbildung zur Landwirtschaftsmeisterin absolviert hat. „Man muss es als Langzeitdünger sehen. Nach dem dritten Schnitt hat man die Wirkung genau gesehen“, ergänzt Vater Alfons.

Gesündere Kühe und geringere Baukosten

Bislang ist der neue Stall mit 37 Tieren bestückt. „Der weiche Untergrund bietet den Tieren extrem guten Liegekomfort“, nennt Zintl einen weiteren Vorteil des Kompoststalls. Der rutschfeste Untergrund minimiere die Gefahr von Überdehnungen an Bändern und Gelenken. „Die Kühe haben eine weichere und lockere Muskulatur, weil sie im weicheren Untergrund viel beweglicher sind“, freut sich die Hofnachfolgerin. Das mache sich auch bei den Tierarztkosten bemerkbar. Insgesamt rechnet die Familie mit einer höheren Nutzungsdauer der Herde.

Apropos Kosten: Pro Kuh und Jahr werden rund 15 Kubikmeter Sägemehl benötigt. Der Einkaufspreis liegt bei zwölf bis 15 Euro je Kubikmeter. Auf der anderen Seite stehen Einsparungen bei den Ausgaben für den Stallbau. Die Kosten für die Aufstallung und die Güllekanäle in einem konventionellen Stall mit Liegebuchten entfallen. Nur im Fressbereich ist ein Schieber für die Gülle installiert. So fällt rund 40 Prozent weniger Gülle an. Die Grube mit 500 Kubikmeter reicht bei Familie Weiß für das ganze Jahr. „Was man nicht finanziell fassen kann, ist das bessere Tierwohl“, betont Fachberater Zintl.

Familie Weiß Carolin Weiß Kompoststall

Stall mit Ausblick in die Landschaft

Dem Wohl der Kühe dienen auch die Netzvorhänge an den Seiten des Stalles, die vollständig geöffnet werden können. So liegen die Tiere fast wie im Freien auf der Weide. Nur den weitläufigen Ausblick auf die gegenüberliegenden Höhen des Oberpfälzer Waldes, die schon mit dem ersten Schnee bedeckt sind, wissen die Tiere vermutlich nicht zu schätzen. Der rutschfeste Boden macht sich auch positiv beim Brunftverhalten bemerkbar, ebenso wie beim Kalben, wo Verletzungen durch Ausrutschen vermieden werden. „Das Kalb liegt nie allein. Es kommt immer jemand und kümmert sich darum“, hat Carolin Weiß beobachtet. „Da kommt das typische Herdenverhalten zum Tragen“, freut sich Zintl, der die gesamten Planungen des Stallbaus begleitet und das Investitionskonzept erstellt hat.

Engagement mit Bayerischem Tierschutzpreis ausgezeichnet

Das außergewöhnliche Engagement für das Wohl der Tiere hat auch das Umweltministerium in München erkannt. Seit 16 Jahren verleiht es den bayerischen Tierschutzpreis an Bürger oder Initiativen, die sich in besonderer Form für den Tierschutz einsetzen. Eine Jury aus acht Personen verschiedener Organisationen und ein Vertreter des Ministeriums wählten aus 17 vorgeschlagenen Projekten drei Preisträger aus. Sie stünden für die Liebe zum Tier und den Respekt vor der Schöpfung, betonte Ministerin Ulrike Scharf bei der Preisverleihung in der Münchner Residenz. Den Stallbau hat Familie Weiß überdies vollständig in Eigenregie bewältigt und dafür keinerlei Förderung beantragt.

Carolin Weiß Kompoststall
Die Auszeichnung mit dem Bayerischen Tierschutzpreis hat schon ein gewisses mediales Echo ausgelöst. Eine der Milchkühe sucht bei Fotoaufnahmen offenbar gezielt die Nähe zu Hofnachfolgerin Carolin Weiß, um prominent in den Kamerafokus zu gelangen.

Bilder: B. Grimm

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