Bayerischer Wirtschaftstag in Amberg (3): Interview mit WBU-Präsidentin Niebler
Amberg. Der Wirtschaftstag in Amberg soll mehr sein als ein gepflegter Austausch. WBU-Präsidentin Prof. Dr. Angelika Niebler will Impulse geben: „Wir müssen raus aus dem Tal der Tränen – und wieder Freude am Wirtschaften bekommen“, fordert sie im Echo-Interview.

Ein Interview mit Prof. Dr. Angelika Niebler, Präsidentin des Wirtschaftsbeirats Bayern, anlässlich des Bayerischen Wirtschaftstags 2025 in Amberg
Frau Professorin Niebler, wie kam es 1948 überhaupt zur Gründung des Wirtschaftsbeirats Bayern?
Prof. Dr. Angelika Niebler: Der Augsburger Papierfabrikant Georg Haindl fand damals nach dem Krieg, dass die Politik die Wirtschaft nicht versteht – und umgekehrt. Für den Austausch wurde der Wirtschaftsbeirat Bayern gegründet. Wir verstehen uns als Dialogplattform im Geiste der Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards. Verglichen mit anderen Verbänden sind wir zwar nur eine kleine Wirtschaftsvereinigung mit Sitz in München, aber eine prominente.
Wir haben knapp unter 2000 Mitglieder: Unternehmer – vom Handwerksmeister bis zur Industrie, sektorübergreifend – Hochschulen, Universitäten, Forschungseinrichtungen, Vertreter aus der Politik und Gesellschaft. Wir erarbeiten im Dialog unsere Positionen und bereiten Stellungnahmen in unseren Ausschüssen vor. Dort arbeiten echte Experten, zum Beispiel Dr. Albrecht Schleich, der den Ausschuss für Energie- und Rohstoffpolitik leitet und 40 Jahre Erfahrung in der Energiewirtschaft mitbringt.
Wir sind klein, aber prominent – und leben vom offenen Wort. Angelika Niebler
Warum haben Sie den Bayerischen Wirtschaftstag 2025 gerade in Amberg angesetzt?
Niebler: Wir veranstalten jährlich zwei große Events: unsere Generalversammlung und den Wirtschaftstag. Die Generalversammlung findet immer in München statt – immer mit Ministerpräsident Markus Söder. Den Termin muss ich mit ihm abstimmen …
Wie schwierig ist das?
Niebler: … er ist gut organisiert und reagiert schnell. Er ist eine konstante Größe und nutzt die Versammlung für seinen wirtschaftspolitischen Impuls. Das wird sehr geschätzt. Daneben gibt es jedes Jahr einen Wirtschaftstag in einer anderen Region. Wir waren lange nicht mehr in der Oberpfalz, wissen aber, dass es im Raum Amberg einen hochinnovativen Mittelstand gibt. Ich kenne Amberg gut aus meiner Zeit als Landesvorsitzende der Frauen‑Union – deshalb freue ich mich riesig auf das super Programm.
Was fällt Ihnen zu Ambergs Wirtschaftsraum spontan ein?
Niebler: Natürlich die Namen Herding und Lüdecke mit ihrer langjährigen Unternehmenstradition. Natürlich die Firma Gollwitzer. Wir haben auch den Vorsitzenden des IHK‑Gremiums Amberg‑Sulzbach, Markus Frauendorfer, eingeladen. Über sein Netzwerk verschaffe ich mir einen noch besseren Überblick über die Wirtschaftsstruktur der Region.
Welche Kernbotschaften erwarten Sie von Finanzminister Albert Füracker und den weiteren Keynote‑Speakern?
Niebler: Wie stärken wir unseren Standort nach der Regierungsbildung in Berlin? Darum geht es jetzt. Unter unseren Mitgliedern gab es in den letzten Wochen intensive ordnungspolitische Debatten über Milliardeninvestitionen, die schuldenfinanziert werden und die Lockerung der Schuldenbremse. Letztlich überwiegt für diese Entscheidungen das Verständnis für die schwierige geopolitische Lage. Es gibt unterschiedliche Bewertungen zum Koalitionsvertrag. Darüber wird sicher diskutiert werden. Wir sehen uns als Impulsgeber und mahnende Stimme. Der Staat muss sich zurückziehen, die Unternehmen brauchen mehr Luft zum Atmen.
Oberbürgermeister Michael Cerny wird sicher die Situation der Kommunen und Harald Gollwitzer, unser WBU-Vorsitzender vor Ort, die Situation und Erwartungshaltung der regionalen Wirtschaft schildern. Statt Alexander Radwan kommt die Oberpfälzerin Susanne Hierl, die seit zwei Legislaturperioden im Bundestag sitzt.
Wie fördern Sie den Austausch zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft – gerade über das Jahr hinaus?
Niebler: Der Austausch läuft ganzjährig: fachlich in den Ausschüssen, organisatorisch über mehr als 100 Veranstaltungen bayernweit, die Generalsekretär Michael Hinterdobler von München aus plant. Das engere Präsidium trifft sich vierteljährlich, der erweiterte Vorstand – rund 100 Mitglieder – zweimal pro Jahr. Man kennt sich, und man schätzt sich. Viele Mitglieder bleiben uns 70, 60 oder 50 Jahre treu.
Unsere Mitgliedsbeiträge sind bescheiden – der Mehrwert ist der Dialog. Angelika Niebler

Mittelständler wie Harald Gollwitzer oder Siegfried Schröpf beklagen bürokratische Hürden. Welche Impulse geben Sie ihnen?
Niebler: Sie haben recht. Wir müssen massiv Bürokratie abbauen und Verfahren beschleunigen. Da bietet der Koalitionsvertrag doch einiges. Runter mit den Netzentgelten und der Stromsteuer, Einführung eines Industriestrompreises, Genehmigungsverfahren straffen, Abschaffung des Lieferkettengesetzes. Auch im Europaparlament kämpfe ich täglich gegen exzessive Bürokratie – etwa bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung oder dem europäischen Lieferkettengesetz. Der Mittelstand braucht Verlässlichkeit und Planbarkeit.
Wie bringen Sie Handwerk, Mittelstand und Großindustrie unter einen Hut?
Niebler: Ich suche immer die Gemeinsamkeiten. Eine Linie zu finden, ist nicht immer einfach. Die Interessen sind manchmal ganz unterschiedlich gelagert. Die Probleme lösen wir aber nur gemeinsam. Unternehmen, die global unterwegs sind, wollen Zugang zu neuen Märkten und faire Wettbewerbsbedingungen. Da muss Europa liefern. Berlin und München bestimmen die Rahmenbedingungen für den Standort, von der Besteuerung über die Energiefragen. Die Baugenehmigungen erteilen die Landratsämter. Für mehr Freiraum für Unternehmen sind alle politischen Ebenen zuständig. Wir laden deshalb Abgeordnete aller politischen Ebenen ein. Stark ist zudem unsere wissenschaftliche Kompetenz: ifo‑Präsident Clemens Fuest oder Hans‑Werner Sinn arbeiten in unseren Ausschüssen mit.
Was sollen die Teilnehmer nach Amberg konkret mitnehmen?
Niebler: Der Austausch ist wichtig. Unsere Referenten werden sicher auch aufzeigen, was politisch in diesem Jahr konkret angegangen wird. Es wird sicher auch Forderungen aus den Reihen der Mitglieder geben, für die wir dann bei den Entscheidern werben. Ich hoffe auch, dass eine positive Grundstimmung aufkommt und die Unternehmer überzeugt sind, dass es sich lohnt hier zu investieren.
Haben frühere Wirtschaftstage schon Politik geprägt?
Niebler: Wir haben den aktuellen Koalitionsvertrag mitgeprägt: weniger Bürokratie, Entlastung des Mittelstands, degressive AfA. Vieles aus unserem Energiekonzept – Netzentgelte runter, Wasserstoff‑Infrastrukturaufbau, Grundlastsicherung – findet sich darin wieder.
Wir sind nicht die Auto-, Chemie- oder Pharma‑Lobby – wir schauen auf das große Ganze. Angelika Niebler

Gibt es auch Punkte, die Sie kritisch sehen?
Niebler: Ja, wir hätten uns eine schnellere Reform der Unternehmensbesteuerung gewünscht. Die Senkung der Körperschaftsteuer erst 2028 kommt spät. Schafft die Regierung mit den ersten Maßnahmen, insbesondere den Sonderabschreibungen, den Investitionsturbo einzuschalten, lässt sich die Unternehmenssteuerreform hoffentlich vorziehen. Wichtig ist, dass der Koalitionsvertrag jetzt konsequent umgesetzt wird.
Wie bewerten Sie die anhaltenden Zoll‑Drohungen aus den USA?
Niebler: Wir hoffen noch auf Vernunft und einen Deal mit Trump, haben aber Gegenmaßnahmen vorbereitet. Weitere Zölle auf alle Waren wären eine enorme Belastung. Zugleich arbeiten wir an Freihandelsabkommen mit Mercosur, Indien oder Vietnam. Wir werden auch den europäischen Binnenmarkt als 450‑Millionen‑Heimatmarkt stärken.
Bayerischer Wirtschaftstag 2025
- Wann? Freitag, 6. Juni 2025, 15 – 19 Uhr
- Wo? Amberg (Oberpfalz)
- Eröffnung & Schlusswort: Prof. Dr. Angelika Niebler, MdEP, Präsidentin WBU
- Keynote: Albert Füracker, MdL – Bayerischer Staatsminister der Finanzen und für Heimat
- Keynote: Susanne Hierl, MdB – stellv. Vorsitzende der CSU‑Landesgruppe
- Podium „Wo stehen wir mit der Politikwende?“
Moderation: Peter Hardenacke (Formel‑1‑Moderator)
Diskutieren: Michael Cerny (OB Amberg) · Prof. Dr. Angelika Niebler · Dr. Egon Leo Westphal (Bayernwerk AG) · Klaus Herdegen (Lüdecke GmbH) · Markus Frauendorfer (IHK Amberg‑Sulzbach) - Anschließend: Get‑Together & Networking mit Flying‑Service und Entertainment
Kurzprofil von WBU-Präsidentin Prof. Dr. Angelika Niebler
- Aktuelle Rolle: Vorsitzende der CSU-Europagruppe und Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im EP
- Schwerpunkte 2025: Unternehmen entlasten, Binnenmarkt stärken, Handelsabkommen abschließen
Leitsatz: „Der Maßstab bleibt die Soziale Marktwirtschaft – global gedacht, regional gelebt.“
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