Bedrohlicher Substanzverlust: Jahn Regensburg mutloser Verlierer in Magdeburg

Magdeburg. Über weite Strecken steht der SSV Jahn bei Ex-Schlusslicht Magdeburg hinten drin wie bei einem Pokalspiel gegen einen Bundesligisten. Dass der hochverdiente Siegtreffer des 1. FC durch einen Blackout des besten Regensburgers fällt, passt ins Bild.

Der ärmste Kerl: Jahn-Keeper Dejan Stojanovic leitet mit seinem Fehler die 0:1-Niederlage in Magdeburg ein. Bild: Jürgen Herda

War es Strategie von Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic, den 1. FC Magdeburg bis zur Verzweiflung anlaufen zu lassen, um dann, mit zunehmender Verunsicherung der Gastgeber, selbst auf Offensive umzuschalten? Wenn ja, hätte das Konzept bis zur Führung des ehemaligen Schlusslichts sogar mit viel Glück aufgehen können.

Denn nachdem ein Treffer wegen einer Millimeter-Abseitsentscheidung in Hälfte 1 aberkannt wurde, zeigen die Sachsen-Anhaltiner gegen Mitte der zweiten Hälfte tatsächlich Nerven. Für rund zehn Minuten gelingt es dem SSV Jahn, die Initiative an sich zu ziehen. Eine Stafette von Eckstößen und Torraumszenen im gegnerischen Strafraum ist die Folge.

Jahn-Keeper als Häufchen Elend

Und dann das: Ein (zu) langer Ball von FC-Keeper Dominik Reimann, Jahn-Torwart Dejan Stojanovic, der die Regensburger mit einigen guten Reaktionen im Spiel gehalten hatte, ist (scheinbar) zur Stelle, der Ball springt vor ihm auf, Luca Schuler geht steil, kommt Zentimeter vor der Grundlinie mit der Fußspitze an den Ball und vollendet zur 1:0-Führung (68.). Der Keeper als Häufchen Elend.

Die 25 Minuten bis zum Abpfiff? Der Jahn ist redlich bemüht, es springen noch ein paar Halbchancen und eine richtig gute Szene des spät eingewechselten Bene Saller heraus, der in der Nachspielzeit aus rund 12 Metern halbrechts knapp am linken Pfosten vorbeizielt. Doch mit den Mentalitätsmonstern von einst hat das nichts mehr zu tun.

Konrad Faber am Boden: Der junge Rechtsverteidiger gibt alles, seine Unerfahrenheit birgt aber auch Risiken. Bild: Jürgen Herda

Zweidrittel Ballbesitz für die Gastgeber

Magdeburgs Trainer Christian Titz muss wie angekündigt auf den verletzten Hoffnungsträger Christiano Piccini verzichten. Für ihn läuft Alexander Bittroff auf. Wieder im FC-Team dagegen Edeltechniker Baris Atik. Beim SSV Jahn kehrt Kapitän Bene Gimber nach verbüßter Sperre ins Team zurück. Die Gastgeber halten sich an den angekündigten Matchplan, verfügen über rund Zweidrittel Ballbesitz, generieren daraus allerdings kaum echte Torchancen. Lediglich bei Distanzschüssen etwa von Connor Krempicki (14.) oder Moritz Kwarteng (29.) muss der auf der Linie reaktionsschnelle Stojanovic eingreifen.

Nur phasenweise gelingt Regensburg eine offensive Teilhabe: Dreimal schaffen es die Gäste mit einem langen Ball und zwei, drei Stationen einen Oberpfälzer Angreifer in Schussposition zu platzieren. Christian Viet (11.), Andreas Albers (23.) und Nicklas Shipnoski (30.) scheitern am sicheren FC-Schlussmann Reimann.

Millimeter-Abseits

Als sich das Muster zu verfestigen scheint – Magdeburg bleibt mit Ball harmlos – zieht Leon Bell Bell nach einem Rückpass aus der Tiefe aus 18 Metern ab, Keeper Stojanovic ist bei dem von Idrizi leicht abgefälschten Schuss die Sicht versperrt, der Ball flutscht rechts unten ins Netz (35.). Nichts deutet darauf hin, dass der Jubel in der MDCC-Arena gleich wieder verstummen würde.

Der Kölner Keller allerdings signalisiert eine Abseitsstellung Kwartengs in der vorangegangenen Spielszene. Schiri Deniz Aytikin verwehrt den Magdeburgern den Glücksmoment. Vor der Pause hat Regensburg nur noch einen Atemaussetzer: Schuler springt am höchsten und köpft knapp vorbei (47.).

Schiri Deniz Aytikin bekommt das Signal aus Köln. Magdeburgs erster Führungstreffer zählt nicht. Bild: Jürgen Herda

Fest gemauert in der Abwehr

Nach der Pause lässt sich Regensburg sofort wieder in die eigene Hälfte, phasenweise sogar in den eigenen Strafraum zurückdrängen. Nach Ballgewinnen schaffen es die Gäste so gut wie gar nicht, die rettende Mittellinie zu überqueren – spätestens der zweite Pass landet in den Füßen der Magdeburger. Und klappt es doch einmal, ist das Zuspiel so ungenau oder in den Rücken des Mitspielers, dass die Konterchance im Keim erstickt.

Aber auch Magdeburg bleibt seiner Harmlosigkeit treu, verstolpert den letzten Ball, ist in der Box zu hektisch oder scheitert wie Krempicki an Stojanovic (51.). Für Gefahr sorgen bis dahin nur vom Jahn fahrlässig verursachte Freistöße: Vielleicht sollte jemand den ansonsten fleißigen Konrad Faber mal sagen, dass es völlig überflüssig ist, den Gegenspieler ohne Not in bester Freistoßposition zu Boden zu zerren – Batiks Freistoß rauscht ans Außennetz (57.).

Jahn-Drangphase mit bösem Ende

Dann beginnt die Phase, in der das lautstarke Häufchen Regensburger Fans zu träumen beginnen darf. Offenbar von den eigenen, fruchtlosen Angriffsversuchen entnervt, häufen sich die Fehler auf Magdeburger Seite. Die Folge: Der SSV Jahn übernimmt erstmals in der Partie die Initiative. Und man möchte fragen: Warum in alles in der Welt nicht schon früher? Mit etwas gutem Willen lassen sich diese zehn Minuten als Drangphase der Oberpfälzer überschreiben, in der Prince Owusu, schön freigespielt von Andreas Albers, mit einem gefühlvollen Lupfer an Reimann scheitert (66.).

Anstatt das Momentum zu nutzen, lassen sich die Regensburger dann vom langen Ball des Torwarts übertölpeln. Das, was fast jedem Feldspieler in diesem Match mehrmals unterläuft, macht Jahn-Keeper Stojanovic zum unglücklichsten Akteur auf dem Platz: Er verschätzt sich beim Herauslaufen, die Kugel springt vor ihm auf, und Schuler so in den Lauf, dass er den Ball gerade noch ins Netz bugsieren kann – das 1:0 (68.) ist in dieser Phase und auf diese Weise so glücklich wie unterm Strich überfällig.

Hilflos, ziellos, mutlos

Klar versuchen die Regensburger, bei denen Jahn-Trainer Selimbegovic mit Lasse Günther, Charalambos Makridis, Kaan Caliskaner, Joshua Mees und Bene Saller die verbliebenen Register gezogen hat, in den verbleibenden 25 Minuten noch einmal Druck aufzubauen. Aber wie weit bleiben diese Versuche hinter den legendären Aufholjagden vergangener Jahre wie etwa gegen Düsseldorf (nach 0:3) oder in Bochum zurück!

In Summe wirken die Angriffsversuche hilflos, ziellos, mutlos. Nur wenn der Gegner und der Zufall zu Hilfe eilen, und Bene Saller der Ball vor die Füße fällt, nachdem Bene Gimber sich in einem letzten Verzweiflungsakt bis zum Strafraum durchgetankt hat, wird es nochmal gefährlich. Sallers Direktabnahme verfehlt den linken Pfosten um ein großes Lineal.

Was soll Jahn-Coach Mersad Selimbegovic machen? Es fehlen zündende Alternativen. Bild: Jürgen Herda

Kontinuierlicher Substanzverlust

Für den kontinuierlichen Substanzschwund der ehemals gefürchteten Mentalitätsmonster trägt Jahn-Trainer Selimbegovic die geringste Verantwortung. Er hat die undankbare Aufgabe, diese um viele feste Größen, die jetzt in Dortmund, Hannover oder Nürnberg spielen, dezimierte Truppe zu stabilisieren. Die neu- oder wiedergeholten Hoffnungsträger wie Max Thalhammer, Joshua Mees oder Blendi Idrizi können den Aderlass von Alex Meyer, Jan-Niklas Beste, Max Besuschkow oder Erik Wekesser nicht kompensieren.

Ganz zu schweigen von Ausnahmetalenten vergangener Spielzeiten wie Sargis Adamyan oder Erik Thommy. Und wenn man die Standardschwäche im Kontrast zur vergangenen Saison in Betracht zieht, würde dem Jahn auch eine Marke wie Marvin Knoll gut zu Gesicht stehen, der nach dem Aus in St. Pauli geradezu um eine Rückkehr gebettelt hatte. Der peinliche Transferfehler um Sarpreet Singh und der sang- und klanglose Abschied von Kurzzeit-Sportchef Roger Stilz passen da ins Bild.

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