Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Der Schaum

Nordoberpfalz. Scheint es nur mir so oder haben wir alle immer mehr Schaum vor dem Mund? Wo wir einst nur etwas gackerten und dann war es aber auch wieder gut, wird inzwischen geschäumt und gebelfert, was das Zeug hält – Zeit, dass ich mich in meiner Glosse damit beschäftige.

Foto: OberpfalzECHO/Ann-Marie Zell

Wenn sich jetzt junge Leute an einer Straße festkleben, werden diese unter dem großen Jubel der Anwesenden und der Social-Media-Gemeinde von der Straße gezerrt. Klar, hier geht es nicht um Meinungen, sondern um etwas, das wichtiger ist als Zukunft, Vernunft und vernünftiger Dialog – es geht um das Automobil. Und um den Schaum.

Erkläre einmal in so einem Fall, dass dieses Vorgehen eigentlich nicht geht, da doch die Gewalt in der Hand des Staates liegt, der von uns Bürgern damit beauftragt wurde, diese als besonnene Exekutive auszuüben. Schaumbespritzt folgt man dann im hohen Bogen den jungen Leuten über die Leitplanke.

Vielleicht sollten wir ihnen zumindest mal zuhören, anstatt sie für dumm zu erklären, weil sie keinen Zusammenhang zwischen einer Kassette und einem Bleistift herstellen können. Der Gag ist durch.

Fragen wir Wikipedia: Der Schaum

Schaum (über mittelhochdeutsch schūm von lateinisch spuma) besteht aus gasförmigen Bläschen, die von festen oder flüssigen Wänden eingeschlossen sind. Für die Brandbekämpfung verwendeten Schaum nennt man Löschschaum. Die Bildung von Schaum bezeichnet man als Schäumen oder Aufschäumen. Mehr…

Nach dem Blick ins Lexikon weiß ich jetzt, dass es auch zweidimensionalen Schaum gibt – was immerhin eine Dimension mehr ist als beim durchschnittsschäumenden deutschen Michel.

(Herzens-) Bildung? Bücher? Braucht doch keine Sau …

Und wieder möchte ich mein Lieblingszitat aus Goethes Faust bemühen. Man möchte ihnen allen schließlich zurufen „Sei er kein schellenlauter Tor!“ Leider haben unsere Mitmenschen wohl kaum Zeit, über den Schellenlärm ihrer eigenen Torheit nachzudenken, denn wenn sie nicht gerade schäumen, glotzen sie in ihr Handy. Und nicht nur die Jungen, sondern inzwischen generationenübergreifend.

Da bleiben natürlich leider keine Kapazitäten frei für eine differenzierte Betrachtung von Problemstellungen. Apropos Schaum – immer mehr zeigt sich, wie sehr wir doch statt auf leistungsfähige Eiweiß-Biomasse unter der Schädeldecke lieber auf ein luftig-leichtes, schaumiges geistiges Soufflé an dieser exponierten Stelle setzen.

Ein Schwenk zum Thema „Schaum im Mund“ – eine schlecht eingeschenkte Maß Bier zu Mondpreisen ist für uns total nice (wie der echte Münchner sagt), wenn sie auf dem bayerischsten aller Feste verzehrt wird. Solange man seine Layla hat und nicht durch eine Blaskapelle belästigt wird, bleibt der Schaum auch drin und die Sepplhose und das Pornodirndl sitzen passgenau. Alle anderen Abweichungen sind nicht erwünscht.

Und da schäume ich

Selbstverständlich schäume auch ich, aber ich hoffe, zumindest mitunter an der richtigen Stelle. Beispielsweise da, wo ich das Gefühl habe, dass man inzwischen mit Chuzpe überall hinkommen kann, mit Ehrlichkeit, Herz und Menschlichkeit aber schon im Ansatz scheitert. Ich glaube, dass unsere Gesellschaft schon verdammt nah dran ist:

So hat uns in diesem Tagen Rheinmetall gezeigt, wie praxisorientierter marktwirtschaftlicher Humanismus funktioniert. Ich plädiere dafür, ihn in Rheinmetall AG e. V. umzufirmieren. Also quasi alles beim Alten lassen, aber eben mit den steueroptimierten Vorteilen eines gemeinnützigen Vereins. Das zeigt doch auch wieder unsere Leistungsfähigkeit. Während die Politik über Panzerlieferungen gackert, liefert die Industrie ganze Panzerfabriken. Es läuft. Und die Belohnung gibts auch sofort, der Konzern wird in die erste Liga, sprich in den DAX, aufsteigen. Auch wenn kein normaler Mensch in seiner Lebenswirklichkeit weiß, was das eigentlich heißt, freuen wir uns alle und gratulieren von Herzen. Schön, dass Menschlichkeit endlich wieder belohnt wird. Da fällt mir eigentlich nur noch Max Liebermann ein: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“

Mund abwischen, Hirn einschalten

Wo liegt also das gesunde Maß? Auch ich schäume als Bayernfan, wenn ich einen Herrn Sane mit einem nicht ganz kognitiv fixen Gesichtsausdruck seine 80 Prozent Leistung abrufen sehe und er erreicht dabei trotzdem die Kickerkategorie „Internationale Klasse“. Das regt mich auf. Der regt mich auf. Aber das war es dann auch wieder, es ist schließlich nur Fußball.

Vielleicht ist das einfach der Schlüssel zu einem schaumreduzierten Leben. Man hält sich daran, was die Natur vorgibt (den Ausgleich) und wie erwähnt – aufschäumen, abschäumen, fertig. Und ein bisschen mehr auf Herz und Verstand zu hören, wäre auch ganz schön. Zumindest könnte man es mal versuchen.

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