Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Die Kunst des Kommentierens
Nordoberpfalz. Sie wissen alles – gar keck, pfiffig und geistreich patrouillieren und kommentieren sie in den sozialen Medien und ergießen sich in diverse Kommentarspalten. Als einziger Lichtblick bleibt, dass man sie in der echten Welt nicht wahrnimmt. Eine Glosse über eine leider stetig wachsende Spezies: den allwissenden Kommentator.

So entstehen Schmankerl wie die aktuell im Netz vorherrschende messerscharfe Logik, dass wer gegen rechts ist, dann selbstverständlich für Messerstecher und Vergewaltiger ist. Was nie fehlen darf, ist der unverwüstliche Klassiker: “Das wird man doch in Deutschland wohl noch sagen dürfen” gefolgt von “das darf man ja in Deutschland nicht mehr sagen.” Und weder Moral oder gar Logik können sie bremsen und ganz normale Anstandregel schon gleich garnicht.
Optionale Überschrift: Flieg, kleiner Laptop, flieg!
Manchmal möchte man seinen Computer einfach aus dem Fenster schmeißen, wenn man den einen oder anderen Kommentar in den “sozialen Medien” liest. Und doch sind sie eine Blaupause unserer Gesellschaft und unserer Gesprächs- und Diskussionskultur. Leider geht auch hier wie in der analogen Welt die Mehrheit der vernünftig kommentierenden Leute unter. Schade eigentlich.
Der Geist von Elon & Agent Orange weht also durch die Kommentarspalten, die beiden Götter auf dem politischen Olymp über dem großen Teich geben die geistige Schlagzahl vor – da brauchen wir uns gar nicht so europäisch-blassiert lustig machen, viel besser ist es bei uns inzwischen auch nicht mehr.
Selbstverständlich muss man als Kommentator um ein Vielfaches schlauer sein als alle anderen. Das glauben sie auch zu sein, sind dabei aber Gott sei Dank noch relativ exklusiv dieser Meinung. Wir unterscheiden dabei mehrere unterschiedliche Typen:
Der Allwissende: Seine geistigen Kapazitäten sind einfach um ein so vielfaches größer als bei uns Schlafschafen, so dass es unmöglich ist, diese auch nur annähernd zu erfassen. Beispielsweise könnte der A. nie in eine Profifalle von Kriminellen tappen, denn dafür ist er zu schlau. Glaubt er. Außerdem weiß er ganz genau, was Journalismus ausmacht, kennt das komplette System der Politik und der Wirtschaft und würde generell alles besser machen, wenn er doch nur Zeit dafür hätte.
Der Schelm: Er brilliert durch seine “pfiffigen” Kommentare und glaubt dabei, dass seine derb-doofen Pöbeleien echter schwarzer Humor seien. Leider ist Deutschland definitiv kein Humorstandort und so sind diese Beiträge in der Regel einfach nur ätzend und oft auch sehr gemein. Bedauerlicherweise übt sich der Schelm auch regelmäßig am Stilmittel der Ironie, was er aber noch weniger kann als “lustig”.
Der politisch Interessierte: Von “Denen da oben” seiner Freiheit beraubt, ist er/sie nachgerade zum anonymen Posten verpflichtet, dazu noch dieser Habeck und die Grünen … Nie fehlen darf dabei sein geistneutraler Klassiker: “Armes Deutschland!” Wie er ganz persönlich und mit welchem Engagement sein Vaterland retten will, bleibt sein Geheimnis. Das ist wahrscheinlich auch besser so.
Der/die Herr/Frau Gscheid: Naseweis, altklug, sich regelmäßig im Ton vergreifend ist der Herr G. artverwandt mit dem altbayerischen “G’scherten Ramml”, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass diese neue Prachtexemplare der Geisteswelt im analogen Leben – diplomatisch ausgedrückt – eher defensiv sind.
Der Testosteronbomber: Der T. liefert feinste Prosa aus dem Feinripp/Eingriff: Bei den meisten Kommentaren ist dann doch deutlich zu erkennen, dass sie einhändig verfasst wurden, die andere ruht im Schritt, in permanenter Angst, dass ihm eines seiner Testikel abhandenkommt. Und so liest sich das dann auch.
Als kommentierende Mischform aus diesen Einzelspezies ergibt sich ein bundesdeutsches weitverbreitetes Phänomen:
Der Gartenzwerg: Er ist der Gipfel bundesdeutschen Kommentierens und vereint die oben genannten Komponenten – kurz: “A typischer Deitscher”. Für ihn gilt: Hauptsache extrem und plakativ und im Grunde genommen spießiger, als es seine Eltern jemals waren.
Frühling wirds …
Wenn der Lenz seine Fühler aussteckt, die Natur erwacht und die Vöglein trällern, dann ist das … nix. Trotzdem begibt sich der Kommentator zum Frühlingsanfang mitunter in die echte Welt. Dann werden oben genannte Typen frontal mit dem Unbill des Daseins konfrontiert. Der knallharte Rambo muss ein bisschen aufpassen, denn schließlich leidet er unter einer Pollenallergie. Ein weiterer kann sich leider nicht zu weit von zu Hause wegbewegen, da er aufgrund seiner Laktoseintoleranz immer einen moderaten Fluchtweg Richtung Sanitärbereich benötigt.
Von wegen, die trauen sich nichts in der analogen Welt – ich kann mir gut vorstellen, dass diese engagierten Bürgerinnen und Bürger durchaus schon mal aus der Deckung der Reihe im Supermarkt flüstern: “Zweite Kasse aufmachen”. Das ist Courage! Teilweise soll es sogar vorkommen, dass sie aufgrund der gesammelten Outdoorimpressionen den Nachbar beim Ordnungsamt anzeigen (selbstverständlich anonym), weil der die Hecke nicht ordnungsgemäß zurückgeschnitten hat.
Gibt es eine Lösung?
Zum Ende einer solchen Suada sollte eigentlich ein rationaler Lösungsansatz stehen, aber was? Selbstverständlich gibt es eine Lösung, als erster Ansatz würde mir von sämtlichen gerade definierten Typen entgegenschallen: “Dann les’ es doch einfach nicht, wenn du die Wahrheit nicht verträgst!” Leider sind diese Kommentare wie ein Unfall auf der Autobahn – furchtbar, aber irgendwie muss man hingucken.
Meine persönliche Meinung deckt sich mit dem Credo von Peter Lustig: “Abschalten, kommt nichts mehr!”
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1 Kommentare
Ach Gottchen, da ist aber einer beleidigt 🙂 Wer austeilt…