Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: GG Art.1, Abs.1 – zefix nochmal!

Nordoberpfalz. Wie war das nochmal mit der "Würde"? Wahlkampf, Gesellschaft, Wirtschaft – inzwischen ist alles von zutiefst unwürdigen Verhalten geprägt. Glosse einer zutiefst enttäuschten Wählerstimme.

Foto: Ann-Marie Zell / OberpfalzECHO

Die Überschrift schaut auf den ersten Blick zugegebenermaßen aus, als wenn der Autor einfach auf der Tastatur eingeschlafen wäre. Und doch soll sie auf einen der essenziellsten Artikel unseres Grundgesetzes hinweisen.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Deutsches Grundgesetz, Artikel 1

Leider leben wir in einer Gesellschaft, die Würde nur noch als Konjunktiv kennt. Wir denken und handeln inzwischen in allen Lebensbereichen würdelos, da muss sich tatsächlich jeder (Autor inkl.) an die Nase fassen.

Elon und Agent Orange sind jetzt unsere Idole und Vorbilder, die passen wenigstens in die gängigen Informationsformate. Für alles andere haben wir ja bedauerlicherweise viel zu wenig Zeit zwischen Urlaubsplanung, ins Handy glotzen und der Optimierung unseres ach so wertvollen Lifestyles. Und wer sich über die beiden Clowns im weißen Haus lustig macht, der möchte sich doch einfach nur hier umblicken – dann vergeht ihm/ihr schon das Lachen.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, drum darf man sie scheinbar auch nur mit Füßen treten. Das machen wir bedauerlicherweise inzwischen in Michael-Flatley-Manier, nur sieht es bei uns nicht so schön aus. Wir haben alle einen Großteil unserer Würde verloren, die Heilige Dreifaltigkeit – Nölen, Neid und Missgunst – scheint das zu sein, was einen guten Bundesbürger ausmacht.

Würde

Würde (lateinisch dignitas) bezeichnet zumeist einen moralischen oder allgemein in einer Werthierarchie hohen Rang bzw. eine Vorrangstellung von Personen, die Achtung gebietet. Traditionell wird Würde Institutionen ebenso wie Personen zugesprochen, auch Funktionen (Ämter) oder ein bestimmter sozialer Status oder Stand konnten Träger gewisser Würde sein. Dem Grad der Würde entsprechen dabei verschieden abgestufte Erwartungen an das Verhalten der Träger der Würde sowie an den Respekt, der ihnen entgegenzubringen sei.

Mit dem Begriff der Menschenwürde wird diese Vorstellung ausgeweitet und an eine besondere Bestimmung des Daseins geknüpft, die jeden Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheiden soll. (…)

(Quelle: Wikipedia)

Werte und Normen, die in der augenblicklichen Situation so vonnöten wären, werden uns immer fremder. Für die, die daran glauben (wollen), haben sich die Schnitter der Demokratie wunderbare Titulierungen ausgedacht: „Gutmensch“, „Schlafschaf“ & Co., welch‘ geistiger Wurf im ehemaligen Land der Dichter und Denker. Dazu gesellen sich noch jede Menge G’scheidhaferln, die endlich aus der vollen Deckung der sozialen Medien heraus anonym feuern können.

Da würde man gerne seine Würde verlieren und die altklugen Herrschaften mit einer herausgerissenen Zaunlatte … verwarnen (die Kurve gerade noch gekriegt). Denn egal, was sie selbst an Gift und Synapsenknallen loslassen, sind sie doch zu jederzeit ganz feinsensibel, wenn es um sie geht und dann gleich eingeschnappt, beispielsweise mit ihrem zeitlos (un)schönen Klassiker „Das wird man ja wohl in Deutschland noch sagen dürfen“.

Die Worte sollten Würde wahren

Montage: OberpfalzECHO/Ann-Marie Zell

Sollte nicht auch unsere schöne deutsche Sprache ihre Würde bewahren? Wenn ich nochmal was von wegen „knackiger Wahlkampf“ lese, raste ich aus (und verliere so mein bisschen Restwürde). Unter „knackig“ fällt mir ein strammes Wadl, ein Gesäß oder ein frischer Tomatensalat ein. Aber weder den Exkanzler in spe noch seinen designierten Nachfolger und schon gar nicht die völkische Trockenpflaume (mit dem Softbiss) bringe ich (selbst von gelatinöser Konsistenz) mit „knackig“ in Verbindung.

By the way – was ist eigentlich mit dem Themenkomplex Bildung? Genau, vergiss es, du Klimakleber.

Dafür gemahnen sie uns jetzt in Stile eines Lehrer Lämpels wieder im besten Adenauer-Barock zu mehr Fleiß – frei nach dem Motto „Da müssen wir uns alle wieder auf den Hosenboden setzen.“ Wo bleibt da unsere Würde als mündige Bürger?

Im Kern sind solche Aussagen selbstverständlich richtig, aber im schulmeisterlichen Ton von oben herab vorgetragen in Zeiten des Internets eine Farce, denn mit wenigen Klicks hat man die berufliche „Erfolgsstory“ des Mahners auf dem Schirm. Das völlige Ignorieren dieses Sachverhalts nennt man in der Medizin Morbus Lindner.

Lichtschein am Horizont

Dabei hat doch der erste Kanzler etwas viel zitierenswerteres gesagt: „Kritiker haben wir genug. Was unsere Zeit braucht, sind Menschen, die ermutigen.“ Also beenden wir die oben stehende Suada positiv, denn vorgestern keimte in mir ein kleiner Hoffnungsschimmer auf – in den Nachrichten wurde erwähnt, dass sich die bürgerlichen Parteien zumindest so geäußert hätten, dass man nach der Wahl vernünftig zusammen arbeiten möchte.

Lieber Herr Scholz, lieber Herr Merz, das klingt gut, denn wenn wir jetzt nicht gegen den Ungeist der Zeit gemeinsam unterhaken und unsere Demokratie und unsere Werte vehement verteidigen, sieht’s düster aus. Ich kleine Wählerstimme will das nicht. Und viele andere hoffentlich auch nicht.

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