Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Liebe Politiker, bitte nicht schon wieder!

Nordoberpfalz. Als alter Bücherwurm ist für mich die Sprache etwas Besonderes, ja sogar magisches. Und ich befürchte, dass genau diese Sprache im aktuellen Wahlkampf mehr denn je korrumpiert wird, denn ich rechne mit dem Versuch von Wortspielen. Eine Glosse.

Foto: Ann-Marie Zell / OberpfalzECHO

Sprache ist etwas Wunderbares, man kann damit kommunizieren – die Älteren werden sich daran erinnern – und man kann sogar mit ihr spielen. Auch ich versuche mich in immer neuen Wortspielen beziehungsweise dem Aufwärmen von Klassikern („Das herrenlose Damenfahrrad“), wie erfolgreich, das liegt immer im Auge des Betrachters.

Ich gehe einen Schritt weiter – ein Wortspiel darf gut oder auch grottenschlecht sein, aber niemals ätzend oder sogar böse. Das wäre dann für mich die Grenze zum Missbrauch der deutschen Sprache. Und genau den befürchte ich jetzt in der heißen Phase des Wahlkampfes.

Es gibt was auf die Waschel

Auch in Bayern ist der inzwischen eröffnet und es ist zu erwarten, dass in den nächsten Wochen wieder zahlreiche vermeidliche „Wortspiele“ sprießen werden und ich bin mir sicher, dass mich diese verbalen Nebelkerzen wieder aufregen werden. Leider rechne ich damit, dass der weiß-blaue Wahlkampf fraktionsübergreifend neue Maßstäbe setzen wird.

Wir kennen es doch alle, wenn jemand, der nachweislich keinen Humor besitzt, versucht lustig zu sein. In der Regel kommt dann etwas heraus, das nur der Betreffende und seine „Fans“ bedingt witzig finden, für die anderen jedoch ist es gemein, bösartig oder im besten Fall einfach nur doof. Leider werden wir das wahrscheinlich in den kommenden Wochen massig und von allen Parteien erleben.

Vielleicht sollte man langsam nicht mehr belustigt über den großen Teich blicken – denn ich befürchte, dass auch bei uns die politische Kultur endgültig den Bach runtergeht. Noch ist der smarte Franke natürlich nicht mit dem grenzdebilen New Yorker zu vergleichen. Ich hoffe, es bleibt auch in diesem Wahlkampf so. Auch das gilt übrigens für alle Parteien.

Vorbei die Zeit von „Flegel“, „Nihilistischer Pöbelhaufen“ und „Düffeldoffel“

Es muss ja nicht immer der vom Strategieteam bis ins Detail durchgeplante und -gegenderte Florettstich sein – von mir aus darf auch mal mit dem Ochsenfiesel drauf losgeschlagen werden. Dann aber bitte authentisch und mit offenem Visier. Bei so einem harten, aber ehrlichen Schlagaustausch hilft dann auch die Sprache.

Man, hampeln Sie doch nicht so herum. Sie sind doch Geschäftsführer und nicht Geschwätzführer.Herbert Wehner

Aber was war eigentlich eher da – das Ei oder die Henne, der moderne Wähler oder der Politiker 4.0? Heute mag man es eben rundgelutscht, eigentlich will man in seiner pappsatten Work-Life-Balance gar nicht durch Politik gestört werden. Eine solche Kante wie Herbert Wehner würde da doch nur das sahnige Mundgefühl stören.

Peripherthemen und Gedöns

Moderne Wahlkampfrhetorik muss sein wie ein Stück Seife, kaum zu greifen und immer wieder glitscht sie einen davon. Aber bringt das was, außer hämischen Beifall? Es gibt eben Themen, mit denen kann man Wahlkampf machen, mit anderen nicht. Wie schafft es das Reizwort „Diesel“ beispielsweise, weit vor Bildung und Kindeswohl auf der Wahlkampfagenda zu stehen?

Der sorgsame Umgang mit der Sprache hat auch etwas mit „Heimat“, aber vor allem mit Kultur zu tun und die darf sich mit der Bildung im Wahlkampf an den Katzentisch setzen. Dort wartet schon der Lehrermangel, der Pflegebereich und das sichtlich aus Frust angetrunkene gesellschaftliche Engagement. Um beim Bild zu bleiben, den Anstand und die Moral haben wir inzwischen schon im Kartoffelkeller eingesperrt.

Politik in 150 Zeichen

Liebe Politiker, Wahlkampf bedeutet Zu- und Überspitzung, auch mal sauber mit dem verbalen Holzhammer draufzuhauen und auch die enorme Verkürzung komplexer Sachverhalte. Geschenkt, das gehört zum Spiel und zur politischen Meinungsbildung.

Ich sehe hier den schwarzen Peter nicht nur bei euch, sondern auch bei der Gesellschaft – die entsprechend informiert und engagiert das genau einordnen sollte. Kann und will sie leider nicht. Damit erhalten eure Slogans und Kurzbotschaften eine völlig neue Bedeutung und daraus erwächst für euch eine neue Verantwortung. „Einfach mal einen raushauen“ geht nicht mehr, seid euch bitte dieser Verantwortung bewusst. Für die Sprache und vor allem für die Menschen – dann sage ich zu allen Fraktionen: Wir schaffen das!

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