Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Rund ist die Kugel / Teil II

Nordoberpfalz. Im Grunde genommen sind wir – diplomatisch ausgedrückt – mit Fußball gesättigt. Und trotzdem habe ich von den sensationellen Moderatoren-Duos der WM gelernt: „Da gehen wir mal in die Analyse...“

Fundierte taktische Schulung vom Experten. Foto: Ann-Marie Zell

Mein Lacher der vergangenen Woche war definitiv die Aussage bei der WM-Berichterstattung am Samstag nach dem Costa Rica-Match: „Die Fans müssen das Ausscheiden erstmal verarbeiten.“ Also ich beneide jeden, der über zwei Tage benötigt, um das Spiel der deutschen Mannschaft zu verarbeiten. Dessen Leben muss ja laufen wie Schmidts Katze. Aber trotzdem möchte ich Kraft meines nicht vorhandenen Amtes in die Analyse gehen.

Ich mache damit den Weg frei für neue Weichenstellungen. Einige Entscheidungen, von denen wir überzeugt waren, haben sich nicht als die richtigen erwiesen. Das bedauert niemand mehr als ich. Dafür übernehme ich die Verantwortung.Oliver Bierhoff

Timeo Danaos et dona ferentes: „Oliver Bierhoff hat sich in den 18 Jahren seines Wirkens erhebliche Verdienste um den deutschen Fußball erworben“, sagte daraufhin Hans-Joachim Watzke. Ich fürchte die Griechen, auch wenn sie Geschenke bringen. Das Ganze wird auch eine Härteprobe für DFB-Boss Bernd Neuendorf. Den finde ich schlumpfig. Wobei ja gewisse Scholz’sche Qualitäten nichts Schlechtes wären. Ansonsten sei das billige Wortspiel erlaubt, dass bei DFB und DFL zwar Hopfen, aber vielleicht noch nicht Malz verloren ist.

Fußball als Wissenschaft

Ganz klar – die Welt dreht sich und mit ihr auch der Fußball. Körperlich ist inzwischen jede Muskelfaser perfekt ausgebildet. Was haben wir gelästert, als Felix Magath die kränkelnde Hertha übernommen hat (Medizinbälle raus, “Schweiß, Blut und Tränen”) und im Endeffekt hörte man nichts von wegen “Quälix” und ähnlichem. Der Grund dafür ist ganz einfach – das, was Magath schon vor zehn Jahren in Sachen Disziplin und körperliche Verfassung forderte, ist heute absoluter Standard.

Die abkippende Sechs in der Box…

Ich denke, dass wir nun an einem Grad der taktischen Sättigung angekommen sind, der so nicht mehr weitergehen kann und auch nicht muss. Inzwischen haben sogar wir fußballerischen Silberrücken kapiert, was die Sechs macht, wie die Doppelsechs funktioniert und wir wissen auch, dass ein abkippender Spieler etwas anderes ist als es einst ein Mario Basler nach einer durchzockten Regensburger Nacht war. Ich vermute, dass es inzwischen in jedem Trainerstuff sogar eine Podologin gibt, die die Nägel des großen Zehs so schneidet, dass der Ball bei der Ecke den optimalen Spin bekommt. Deshalb glaube ich, jetzt ist an dieser Stelle der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr geht. Dann geht es eben anders.

Die Mentalität

Wenn uns diese WM etwas gezeigt hat, dann doch, dass in Sachen Erfolg die Mentalität doch das Zünglein an der Waage ist. Könnte sich jemand vorstellen, dass – wahllos herausgegriffen – ein Leroy Sané sich in einem wichtigen Spiel die Platzwunde tackern lässt, Turban drumherum und weiter gehts? Wohl kaum, vielmehr müsste das Spiel sehr lange unterbrochen werden, weil der Helikopter noch auf dem Spielfeld landen muss, um den Friseur einzufliegen. Und den sprichwörtlich aufgerissenen Hintern kann man scheinbar nur schmackhaft machen, wenn damit ein schöner Werbevertrag mit Hakle Feucht herausspringt.

Die Fans wieder abholen

Aber auch wir Fußballfreunde müssen uns an die eigene Nase fassen (knollig), deshalb nochmal schnell zu meinem Verarbeitungsprozess. Also bei mir war Abpfiff, dann zeitverzögert eine kurze Wartezeit, bis das Spanien-Spiel aus war. Ich habe dann durchgezappt, ob nicht vielleicht auf irgendeinem dritten Programm ein alter Tatort kommt. Das war’s.

Früher wurde negativ behaftet festgestellt, dass wir ein Volk mit 80 Millionen Bundestrainern seien. Aber zeigt das nicht das (ehemals) breite Interesse am Volkssport Nummer Eins? Ist es nicht schön, trotz eigener Adipositas II über die faulen, satten Profis zu schimpfen, über die Fehler zu schwadronieren und neue Konzepte der Trainingssteuerung (“Bei mir datens speibm”) zu erörtern, auch wenn man selbst nur Kreisklasse gekickt hat? Das ist gut, das ist richtig. Vielleicht nimmt man so die Menschen mit.

Inselbegabungen

Ich bleibe beim Blick auf Mbappe und Neymar bei meiner These, dass Paris Saint-Germain extra jemanden eingestellt hat, der den Topstars die Schuhbänder bindet. Nicht jeder kann kognitiv auf allen Hochzeiten tanzen und wie es eben auch beim Querschnitt in der Bevölkerung ist, so wird es halt auch in der deutschen Nationalmannschaft sein.

„Aber der Bindenstreit und die Öffentlichkeit und…und…und…“ – für mich sind das alles Ausreden. Auch wir müssen uns jeden Tag, zu einem etwas kleineren Tarif, dem sogenannten “Leben” widmen. Ich finde, das ist unseren zarten Elfen am runden Leder schon irgendwie zuzumuten, denn um grenzdebile Torjubel-Choreografien einzustudieren, ist ja auch immer genug Zeit und Nervenkraft da.

Was will uns der Autor damit sagen?

Habe ich damit die Frage, wie es nun im Fußball weitergeht, umfassend beantwortet? Nicht? Gut, denn ich weiß es leider auch nicht. Vielleicht sollten wir einfach mal selber wieder die Stiefel schnüren oder uns ein schönes Jugendspiel ansehen, damit klar wird, dass der Fußball trotzdem nie sterben wird.

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