Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Von der Säbener Straße direkt nach Paris …

Nordoberpfalz. Ich muss zugeben, so ein richtiger Bayern-Fan war ich nie – kein Trikot, kein Fanschal usw. – kurz gesagt, es war nichts verdient an mir. Nach dem, was der FC Bayern sich jetzt mit der Trainerentlassung geleistet hat, bin ich mir sicher, wenn die so weitermachen, sind sie bald ein Haufen wie Paris Saint-Germain: prall gefüllte Geldsäckel, einen Haufen von egozentrischen Individualisten und am Ende des Tages lachen sie alle aus. Eine Glosse ...

Eisige Stimmung – aber der beruhigt sich schon wieder. Foto: OberpfalzECHO/Ann-Marie Zell

Deshalb möchte ich hiermit dem FC Bayern meine Freundschaft kündigen. Denn es gilt nicht mehr: Niemand ist größer als der Verein, als das Kollektiv, als die Gemeinschaft. Dieses ständige Jonglieren mit den aufgeblähten Egos geht mir schon lange auf den Geist. Die Herren fühlen sich also nicht wertgeschätzt – mir kommen die Tränen. Das Training ist zu komplex – ja, das soll schon vorkommen im Job. Und dann schickt mich der böse, kleine Mann an meinem freien Tag auch noch zum Ausruhen – wir können gerne mal tauschen …

Alles probiert, was geht noch?

Inzwischen wurde doch jetzt der Trainertypus schon abgenudelt und durch den Wolf gedreht: der Gentleman, die gute Haut, der Fußballprofessor und jetzt das junge, spritzige Trainertalent. Einzig und alleine ein Sozial-Pädagoge wäre noch eine Option. Die Aufstellung wird basisdemokratisch bei einem Tee beschlossen und in der Halbzeit tanzt der Trainer die Taktik. Und wer wieder mal wegen irgendwas weinen muss, wird ganz fest in den Arm genommen.

Gelinde gesagt erschließt sich mir die Argumentation der Vereinsbosse sowieso nicht, der zufolge ja die Mannschaft hervorragend wäre, wie die Matches gegen Paris beweisen, das aber nicht immer auf den Platz brachte. Wie weit sind hier eigentlich die Spieler gefordert? Auf dass sie sich wertgeschätzt fühlen …

Die neue Kultur beim FC Bayern

Das sind die neuen Regeln, die sich aus den Forderungen aus dem Mannschaftskreis durchgesetzt haben:

  • Einführung der „zeitfluiden Leibesertüchtigung“, als unverbindlicher Trainingsstart ist 11 Uhr terminiert, die Spieler sollten, falls es sich einrichten lässt, spätestens gegen 12.30 Uhr eintreffen, hier würde dann das Anschlussspielchen anfangen.
  • Jeder Spieler darf bis zu fünf Freunde ins Training mitnehmen.
  • Der Trainer ist angehalten, in der Kabine leise zu sprechen, um die Spieler nicht in der Konzentration am Handy zu stören.
  • Weiterhin ist es ihm bei empfindlichen Strafen untersagt, die Spieler mit zu vielen taktischen Finessen und klugen Ideen kognitiv zu fordern.
  • Sadio Mané ist nicht mehr erlaubt, von seinen Schulprojekten im Senegal zu erzählen – das würde seine Mitspieler nur langweilen. Und das wollen wir doch nicht.
  • Die Firma Adidas wurde angehalten, die Preise für die individuellen Trikots drastisch zu erhöhen – alles wird teurer und man muss doch essen.
  • Der Trainer bekommt ein Premium-Abo bei einem Starnberger Nobelgolfclub – damit ist gewährleistet, dass er die Spieler nicht zu sehr belästigt.
  • Die BILD-Zeitung hält einmal in der Woche eine Sprechstunde in den Vereinsräumen ab. Um Terminvereinbarung wird gebeten.

Die erste Sitzung mit Thomas Tuchel

Herr Kahn: Lieber Thomas, herzlich willkommen in unserer ersten offiziellen Besprechung, wir haben einige Spieler eingeladen, damit du dir ein Bild machen kannst.

Herr Tuchel (schaut auf seine Uhr): Aber wo sind die denn, Termin war doch um 11 Uhr – jetzt ist es kurz vor halb zwölf. Sollte nicht sein, finde ich.

Herr Salihamidzic (lacht verlegen): Jaja, die kommen schon noch.

Herr Sane tritt ohne zu klopfen ein und setzt sich grußlos hin, blickt auf sein Handy.

Herr Kahn: Also, Leroy, sag doch mal bitte dem neuen Trainer, was du von ihm verlangst.

Herr Sane reagiert nicht, tippt weiter in sein Handy.

Herr Salihamidzic: Jetzt antworte doch bitte!

Herr Sane (brabbelt als Antwort): Nicht so laut – ich fühle mich nicht wertgeschätzt.

Herr Kahn (verlegen): Achso, dann wollen wir nicht stören, vielleicht warten wir auf den Serge. Aber das kann dauern, der hat heute einen wichtigen Termin.

Herr Tuchel: Verstehe, Leistungsdiagnostik auf dem höchsten Niveau. Da bin ich auch ein absoluter Freund davon.

Herr Salihamidzic: Naja, eigentlich ist es ein Friseurtermin.

Herr Tuchel: Also ich habe jedenfalls die Zeit, als ich an keinen Verein gebunden war, genutzt, um ein ebenso komplexes wie auch anspruchsvolles und flexibles System zu entwickeln, das den FCB an die europäische Spitze katapultieren wird. Das wird hochspannend, das alles im Training zu realisieren.

Herr Sane: Ach nee, wieder so einer …

Herr Kahn: Lieber Thomas, deine Ideen in allen Ehren, aber unsere Spieler haben darum gebeten, im Training nicht zu sehr geistig gefordert zu werden. Das ermüdet doch zu sehr für die wirklich wichtigen Termine des Tages.

Herr Neuer kommt auf Krücken herein.

Herr Neuer: Hallo, das habe ich ganz vergessen zu erzählen – mich hat es beim Skateboarden geschmissen. Der Doc sagt aber, das dauert jetzt nur drei bis vier Monate. Ich ruf’ dann an, wenn ich auf meinen Stammplatz zurückkehre.

(Humpelt wieder davon)

Herr Müller (schaut kurz herein, telefoniert): Ja, Uli, der ist schon da. Schaut in Echt irgendwie kleiner aus als im Fernsehen. Naja, ist ja wurscht, wart ma mal, was der Klopp dann nach ihm macht, genau … (geht wieder)

Herr Cancelo: Hello, I don’t know what I do here!

Herr Kahn: It’s okay. War eh nur ein Versuch – too expensive, you understand?

Alle blicken kurz auf, die Türe ist offen und man hört Herrn Tuchel schreiend die Treppe runterlaufen …

Back to the roots

Aber es gibt ein Licht am Ende des Tunnels – indem man sich ganz einfach auf die Basis des Fußballs besinnt, auf die eigene Mannschaft, auf den eigenen Verein vor der Haustüre – ganz egal, in welchen Tiefen der Liga er herumkrebst. Eine Halbe, eine fette Bratwurstsemmel, Kaffee & Kuchen und blöd daherreden und sich echauffieren, ohne dass es nachhaltige Folgen hat – herrlich. Oder man sieht sich ein Jugendspiel an, bei dem Nichte, Neffe oder der Nachbarsbubi am Start sind, denn spätestens dann weiß man: Macht ihr da oben, was ihr wollt, der echte Fußball wird niemals sterben.

* Diese Felder sind erforderlich.