Existenzängste bei Milchviehhaltern – BDM will Frühwarnsystem

Baumgarten. 4.000 Euro Minus mache ihr Milchviehbetrieb jeden Monat. Die Landwirtin, die diese Zahl in den Raum wirft, ist den Tränen nahe. Ginge es nach ihr, wäre eine Regulierung der Milchmenge der einzige Ausweg aus der drohenden Katastrophe.

Von Benedikt Grimm

„Manche haben ihre Lebensversicherung und ihr Jungvieh verkauft, nur um liquide zu bleiben. Was sollen die aber heuer machen?“, frägt Werner Reinl, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) an Bundestagsabgeordneten Albert Rupprecht gerichtet. Rupprecht selbst hatte um den Termin mit den Milcherzeugern im Hotel Igel gebeten. Er wolle sich für die kommende Sitzungswoche in Berlin vorbereiten, bei der Entscheidungen über Hilfsprogramme für Landwirte getroffen werden sollen. Dass er dabei nicht als reiner Vertreter der Milcherzeuger auftreten werde, macht er gleich im ersten Satz klar. Zwar seien die meisten Landwirte im Wahlkreis Milchbauern, „aber als Vertreter dieser Region muss ich auch auf Schweinehalter, Teichwirte und alle anderen schauen“, betont der Parlamentarier. Es gelte ein Paket zu schnüren, in dem sich jeder wiederfinde.

werner reinl bdm
„Manche haben ihre Lebensversicherung und ihr Jungvieh verkauft, nur um liquide zu bleiben. Was sollen die aber heuer machen?“ Werner Reinl, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM)

Umstrittenes Hilfspaket

Dem Paket, das bislang im Raum steht, scheinen viele der BDM-Mitglieder aber nicht viel abgewinnen zu können. Es geht um Maßnahmen wie eine verbesserte Verlustverrechnung mit umsatzstarken Jahren, Zuschüsse für die landwirtschaftliche Sozialversicherung, Liquiditätshilfen durch die schnellere Auszahlung von Beihilfen oder die erleichterte Vergabe von Krediten.

Was helfen mir 5.000 Euro Zuschuss, wenn mir 40.000 oder 50.000 Euro Milchgeld fehlen,

vergleicht ein BDM-Mitglied aus dem Landkreis Tirschenreuth. „Steuererleichterungen bringen nur was, wenn man Steuern zahlt“, sagt Hubert Meiler aus Störnstein. „Das ist alles ein Schmarrn. Wir brauchen Preise, dann können wir das alles selber machen“, legt Meiler später nach. Reinl meint, dass man die Bauern mit leicht zugänglichen Krediten bewusst in die Überschuldung treibe, um sie am Ende enteignen zu können. „Politisch gewollt“ sei das.

Keine Verschwörung im Hinterzimmer

„Wer ist der politische Wille?“, entgegnet Rupprecht. Es gäbe doch nicht die, die irgendwo im Hinterzimmer säßen und sagen würden, was der politische Wille sei. Der Albersriether will die Diskussion auf die anstehenden Bundestagsentscheidungen konzentrieren. „Ich bin nicht der Landwirtschaftsminister und ich bin bei Weitem nicht der Experte, der Sie sind“, sagt Rupprecht und bittet „keine großen Grundsatzdebatten hin- und herzuschmeißen sondern konkret die einzelnen Maßnahmen sachlich durchzudiskutieren.“

Albert Rupprecht
Albert Rupprecht, MdB.

Stallbauprämie in der Kritik

Eine dieser Maßnahmen ist die Stallbauprämie. Ein BDM-Mitglied berichtet von einem Gespräch mit einem Vertreter einer Stallkonstruktionsfirma. Trotz der scheinbar desaströsen Lage gäbe es eine riesige Nachfrage nach neuen Ställen. Die Genehmigungsbehörden würden mit dem Ansturm kaum fertig werden.

Wenn die Ställe gebaut werden, dann ersauft ihr in der Milch,

habe der Vertreter formuliert. „Das ist die Flucht nach vorne“, wirft Josef Schraml-Hösl ein. Rupprecht sieht dagegen unterschiedliche Voraussetzungen gegeben. Manche Landwirte hätten es geschafft Kapital zurückzulegen, um jetzt zu investieren. Ohne Eigenkapital oder Bürgschaften bekäme niemand Kredite. Die Frage sei, ob die Stallbauprämie sinnvoll ist.

Plädoyer für Zusammenhalt und Fairness

Schraml-Hösl berichtet von einem Gespräch mit einem Landwirt, dessen Betrieb „brumme“. Auch er beschwere sich über den niedrigen Milchpreis. „Schafft die Stallbauprämie ab“, habe er gesagt. Vor vier Jahren habe der selbe Landwirt von der Prämie profitiert, seinem Nachbarn, dem damals wegen eines Pflegefalls in der Familie und der kleinen Kinder die Investition nicht möglich war, wolle er sie aber nicht gönnen.

Wir waren immer stolz, dass wir Familienbetreibe sind und einspringen können, wenn einer krank wird. Die Familien müssen zusammenhalten,

betont Schraml-Hösl. Stolz müsse man auch auf die Kulturlandschaft sein. Bei einem Aufenthalt in Dänemark habe er Flächen gesehen, die so groß waren, dass durch die dadurch bedingte Bodenerosion andere Flächen überschwemmt wurden und nicht mehr genutzt werden konnten.

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Milchsee läuft über

„Das ist industrielle Landwirtschaft. Wenn der Milchsee in ganz Deutschland überläuft, dann kann es gar nicht sein, dass man Betriebe fördert, die von 180 auf 500 Kühe erweitern“, sagt Josef Schwab aus Wendersreuth. „Die Betriebe gehen kaputt“, warnt Schwab, der jeden Tag mit seinem Sohn diskutiere, ob sie nicht besser gleich ihren Betrieb aufgeben sollten. „Die Skepsis gegen die Stallbauprämie nehme ich mit“, versicherte Bundestagsabgeordneter Rupprecht.

Josef Schwab
Josef Schwab, Wendersreuth.

Quote light

Als „Kernforderung“ des BDM beschreibt Kreisvorsitzender Werner Reinl ein Stufenmodell anstatt der zum 1. April 2015 ausgelaufenen Milchquote. In einer ersten Stufe solle eine Art Frühwarnsystem Alarm schlagen, sobald die angebotene Milchmenge zu groß wird. Blieben die Reaktionen aus, solle ein Anreizsystem zu geringeren Produktionsmengen führen. Reinl nennt die Zahl von 30 Cent je nicht produziertem Liter Milch. Helfe auch das nichts, müsste es eine verbindliche Pflicht zur Reduktion um einen bestimmten Prozentsatz geben. „Wir wollen nicht zurück zur Quote, aber wir wollen ein Instrument, um Krisen zu verhindern“, betont Reinl.

BDM Milchviehhalter

Bilder: B. Grimm

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