Carolin Wagner zur SPD-Ministerriege: „Impulse für die Oberpfalz“
Regensburg/Berlin. Die SPD stellt sieben Ministerinnen und Minister – bei nur 16 Prozent Wählerstimmen. Die Regensburger Bundestagsabgeordnete Carolin Wagner im Gespräch über das neue Kabinett, linke Handschriften und Herausforderungen für die Oberpfalz.

Lars Klingbeil hat die SPD auf 16 Prozent geschrumpft. Nicht er allein, aber an herausgehobener Stelle. Aus der vergeigten Bundestagswahl ging der freundliche Niedersachse als der neue starke Mann der Rest-Sozialdemokratie hervor. Wie passt das zusammen?
Die Regensburger Bundestagsabgeordnete Carolin Wagner (42 Jahre) sieht darin eher Verhandlungsgeschick als Machtbewusstsein. Im Interview spricht die promovierte Sprachwissenschaftlerin und zweifache Mutter über die neue SPD-Ministerriege, Alexander Dobrindts Grenz-Aktionismus, das Imageproblem von Entwicklungshilfe und die Mobilitätsprobleme im ländlichen Raum.
Frau Wagner, wie bewerten Sie die SPD-Ministerriege im neuen Kabinett?
Carolin Wagner: Ich denke, wir geben insgesamt ein gutes Bild ab – mit einer Kombination erfahrener Leute wie Boris Pistorius oder Bärbel Bas und neuer, dynamischer Persönlichkeiten wie Verena Hubertz oder Reem Alabali-Radovan. Auch Stefanie Hubig bringt wertvolle Landes- und Ministeriumserfahrung mit. Carsten Schneider ist ein erfahrener Parlamentarier, dessen neue Rolle mit viel finanzieller Verantwortung verbunden ist. Wir zeigen damit auch ein klares Signal in Richtung Verjüngung, Diversität und Frauenpower. Und es ist gut, dass neben Westdeutschland auch ostdeutsche Stimmen vertreten sind, insbesondere mit Alabali-Radovan und Schneider.
Gibt es unter den Unionsministern Personalien, die Sie kritisch sehen?
Carolin Wagner: Ja. Vor allem im Kulturbereich sind wir besorgt, etwa mit Wolfram Weimer als Kulturstaatsminister. Wir befürchten, dass dort ein konservativer Kurs Einzug hält, den wir kritisch begleiten werden. Ebenso skeptisch bin ich bei Karsten Wildberger im Digitalministerium. Als ehemaliger Chef von Media-Markt/Saturn hat er primär profitorientiert gearbeitet. Nun steht er in staatlicher Verantwortung. Ich hoffe, er überrascht positiv – ich bleibe da wachsam, denn ich möchte auch meinen Ausschuss im Digitalministerium behalten und werde entsprechend genau hinschauen.
Was erwarten Sie von Boris Pistorius als Verteidigungsminister?
Carolin Wagner: Kontinuität und Verlässlichkeit. Wir brauchen weiter eine starke Unterstützung der Ukraine – militärisch und medizinisch. Verwundete ukrainische Soldaten werden auch bei uns in Regensburg versorgt. Und wir stehen vor einem diplomatischen Balanceakt mit Donald Trump in den USA. Ich traue dem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz zu, hier auf Augenhöhe zu agieren – im wahrsten Sinn des Wortes. Er ist ein Riese und wirkt auf Leute wie Trump, der sich von Äußerlichkeiten beeindrucken lässt, anders als der ruhige, diplomatische Olaf Scholz. Das kann Vorteile haben.
Bärbel Bas übernimmt das Arbeits- und Sozialministerium. Wird sie sich beim Bürgergeld behaupten?
Carolin Wagner: Die Reform der Hartz-Reformen war uns als SPD wichtig. Wir haben bei Hartz IV Fehler gemacht – die wollten wir korrigieren. Es ging uns darum, mehr auf Qualifizierung, statt auf Sanktionen und prekäre Jobs zu setzen. Klar, wir müssen einen Mittelweg finden, um Vertrauen in das System zu erhalten.
Aber mit Bas bleibt eine sozialdemokratische Handschrift erkennbar, auch weil sie selbst einen biografisch glaubwürdigen Aufstieg über den zweiten Bildungsweg geschafft hat. Carolin Wagner

Carsten Schneider wird Umweltminister – Kritik gab’s am Ressortzuschnitt, weil das ehemals mächtige Wirtschafts- und Klimaschutzministerium kastriert wurde. Versinken die ehrgeizigen Klimaziele der Ampel damit in der Versenkung?
Carolin Wagner: Ich sehe das anders. Durch den Klima- und Transformationsfonds hat das Ressort enormes Potenzial. Es ist finanziell gut ausgestattet, um Klimaziele zu unterstützen. Schneider ist umsetzungsstark und erfahrener Parlamentarier – eine gute Besetzung. Ich sehe darin eher eine Aufwertung des Ressorts als einen Verlust.
Reem Alabali-Radovan wird Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Was erwarten Sie?
Carolin Wagner: Dass sie mit frischer Kommunikation den populistischen Parolen etwas entgegensetzt. Entwicklungspolitik ist kein Luxus – es geht um strategische Interessen: sichere Lieferketten, Handelspartner, Rohstoffe. Das müssen wir deutlicher machen. Das Ministerium war zuletzt stark im Fokus der AfD, die es bewusst schlechtgeredet hat. Aber wer glaubt, Radwege in Peru seien bloßer Altruismus, verschweigt, dass damit auch Aufträge an deutsche Firmen wie Siemens verbunden waren.
Reem ist medienaffin, auf Social Media unterwegs und hat das Talent, das modern zu vermitteln. Carolin Wagner
Wird es mit ihr eine Fortsetzung feministischer Außenpolitik auf dem Feld der Entwicklungshilfe geben?
Carolin Wagner: Der Begriff ist ein politisches Prinzip, kein PR-Gag. Es geht darum, Benachteiligungen in der Außenpolitik systematisch mitzudenken – für Frauen, für Minderheiten. Aber wir brauchen dafür auch eine verständliche Sprache, nicht nur akademische Begriffe. Auch Stadtpolitik kann feministisch sein, wenn man etwa Angstflecken beseitigt oder barrierefreie Wege für Kinderwägen und Rollatoren schafft – was auch älteren Menschen zugutekommt.
Stefanie Hubig wird Justizministerin – was erwarten Sie im Umgang mit Innenminister Dobrindt?
Carolin Wagner: Einen klaren, juristisch fundierten Gegenpol. Gerade bei Themen wie Zurückweisungen an Grenzen wird sie ein Auge darauf haben, dass geltendes Recht und vor allem auch Europarecht gewahrt bleibt. Im Vergleich zu Dobrindt wirkt sie ohnehin schon moderat und rechtsstaatlich abgesichert.
Verena Hubertz wird Bauministerin. Ist das die richtige Wahl?
Carolin Wagner: Sie hat Power, politische Intelligenz und weiß, dass Wohnen eine soziale Kernfrage ist. Wir brauchen mehr Tempo bei der Mietpreisbremse, mehr sozialen Wohnungsbau – und sie hat das Format, da Druck zu machen. Als Unternehmerin und ehemalige Fraktionsvize für Wirtschaft hat sie das Know-how und die Energie für diese Mammutaufgabe.
Kritiker werfen Klingbeil Machtzentrierung vor. Wie sehen Sie das?
Carolin Wagner: Natürlich ist das viel Macht in einer Person – Parteivorsitz, Vizekanzler, Finanzminister. Aber er hat viel durchgesetzt und wichtige Köpfe nach vorne gebracht. Er hat einen Generationenwechsel eingeleitet, Leute wie Derya Türk-Nachbaur und Armand Zorn in wichtige Positionen gebracht. Klar: Es muss auch kontrollierbar bleiben.
Lars Klingbeil hat unsere Handschrift sichtbar gemacht. Carolin Wagner

Welche positiven Impulse erwarten Sie für die Oberpfalz?
Carolin Wagner: Viele. Forschung, E-Mobilität, Mindestlohn, Deutschlandticket, Bafög-Erhöhung – das alles hilft unserer Region. Gerade die Hochschulstandorte Regensburg, Amberg und Weiden profitieren. Natürlich braucht es Verbesserungen beim ÖPNV im ländlichen Raum – aber dafür sind primär die Länder zuständig. Der Bund setzt Rahmenbedingungen, etwa mit dem Deutschlandticket.
Die Nordoberpfalz hadert mit der Krankenhausreform. Ihre Sicht?
Carolin Wagner: Die Reform war überfällig. Die kommunalen Defizite waren auf Dauer nicht tragbar. Jetzt braucht es nachhaltige Planung – das ist Ländersache. Ich verstehe die Sorgen vor Ort, aber wir können nicht Strukturen mit Millionenzuschüssen aufrechterhalten, die nicht mehr tragfähig sind.
Wie stehen Sie zur Kritik an der Cannabis-Legalisierung?
Carolin Wagner: Die CSU skandalisiert das, obwohl die Fakten anders liegen. Altersgrenzen, Mengenbeschränkungen – das ist ein verantwortlicher Ansatz.
Wenn Bayern die Gründung von Anbauvereinen blockiert und dann so tut, als ob die Legalisierung keinen Beitrag zum Austrocknen des Schwarzmarkts leistet, ist das Heuchelei. Carolin Wagner
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