Am Sonntag jährt sich Champagner-Unglück: Alles, was zum Fall bekannt ist

Weiden. Am Sonntag, 12. Februar, jährt sich das Champagner-Drama im "La Vita" in Weiden. Sieben Menschen erlitten Vergiftungen, einer starb.

Champagner La Vita
Aus solchen Gläsern war der vergiftete Champagner in Weiden getrunken worden. Foto: facebook

Vor einem Jahr, in der Nacht zum 13. Februar 2022, wurde in einem italienischen Lokal in Weiden in der Oberpfalz eine Drei-Liter-Flasche Champagner geöffnet. Acht Menschen tranken. Sieben erlitten Vergiftungen, der 52-jährige Gast Harald Z. aus dem Landkreis Schwandorf starb. Die Staatsanwaltschaft Weiden gab am nächsten Tag bekannt, dass die Flasche reines, flüssiges MDMA enthielt, quasi den Rohstoff für die Herstellung von Ecstasy-Tabletten.

Gastwirt Marcello DeVita verbrachte eine Nacht in Polizeigewahrsam. Aber schon am Tag danach war klar: Er hatte mit dieser Flasche nichts zu tun. Es gab keinerlei Tatbeteiligte in Weiden. “Man muss tatsächlich von einem tragischen Zufall sprechen”, sagt Oberstaatsanwalt Christian Härtl von der Staatsanwaltschaft Weiden. Die präparierten Champagnerflaschen wurden als Tarnung für den Ecstasy-Grundstoff MDMA benutzt.

Die Weidener Flasche war nie für den Ausschank gedacht. Mit drei Litern könnten für den Drogenmarkt tausende Konsumeinheiten hergestellt werden. Wert laut Staatsanwaltschaft: mindestens fünfstellig. Der Wirt hatte die Doppel-Magnum von seinem Barkeeper, der sie wiederum einem Bekannten abgekauft hatte. Dieser hatte sie für rund 500 Euro bei Ebay besorgt. Zunächst ermittelte die Soko “Markt” der Kriminalpolizei Weiden. Inzwischen hat die Zollfahndung übernommen. Die internationalen Ermittlungen dauern bis heute an.

Weitere Funde im Sommer 2022

Sie konzentrieren sich auf die Benelux-Staaten. Auch in den Niederlanden war 2020 eine Flasche “Moët Ice Impérial” mit flüssigem MDMA geöffnet worden. Vier Menschen erlitten Vergiftungen. Die niederländische Behörde für Lebensmittelsicherheit (NVWA) warnte nach dem Ereignis von Weiden, dann Belgien und Luxemburg; das deutsche Verbraucherschutzamt zog nach. Hersteller “Moët Hennessy” gab im Februar 2022 eine Erklärung ab: Es handle sich nicht um ein „Qualitätsproblem, sondern um einen Kriminalfall“.

In Deutschland sind nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Weiden im Laufe des Frühjahrs/Sommers 2022 weitere solcher Drei-Liter-Flaschen mit identischem Inhalt sichergestellt worden (“im mittleren einstelligen Bereich”). Es handelt sich entgegen anderslautender Meldungen nicht um aktuelle Funde.

Was geschah in der Nacht: eine Rekonstruktion

Der 12. Februar 2022. Ein paar Zufälle treffen zusammen. Normalerweise sind die Freunde um Harald Z. freitags Stammgast im Restaurant “La Vita” in Weiden. An diesem Wochenende kündigen sie sich zusätzlich für Samstagabend an. Markus G., ein Spez’l aus Regensburg, ist Kandidat der RTL-Dating-Show “Take me out”. Gemeinsam will man die Sendung im TV ansehen und darauf anstoßen. Das dafür anvisierte Lokal in Regensburg hat wegen eines Trauerfalls geschlossen. Man disponiert auf Weiden um.

Restaurantleiterin Franziska Voigt erzählt den Gästen am Freitag von einer Drei-Liter-Flasche “Moët Ice Impérial”, die gerade im “Il Barretto” vorrätig ist. Marcello deVita hat die Weinbar gegenüber seines Restaurants “La Vita” erst kürzlich eröffnet. Den Freunden gefällt die Idee, mit der Doppel-Magnum anzustoßen.

Diese fatale Flasche. Sie stammt von einem Champagner-Liebhaber aus der Region. Er hatte die Drei-Liter-Flasche 2019 privat über Ebay gekauft. Der Moët-Fan wollte damit seinen 40. Geburtstag feiern, musste die Party aber wegen Corona absagen. Seither stand die Flasche herum. Anfang 2022 verkauft er sie für rund 500 Euro an den Barkeeper des „Il Barretto“.

Inhalt: kein Tropfen Schampus

Ihr Inhalt beendet innerhalb weniger Minuten das Leben von Harald Z. In der vermeintlichen Champagner-Flasche ist kein Tropfen Schampus. Sie enthält flüssiges MDMA. Den puren Rohstoff für die Produktion von Ecstasy-Tabletten. Gift in höchster Konzentration.

Die Folgen für die Partygäste sind katastrophal. Unter den Beweismitteln ist ein privates Handyvideo. Es zeigt, wie die Flasche entkorkt wird. Wie die blickdichten Acrylgläser befüllt werden. Die Stimmung ist ausgelassen-fröhlich. Es ist kurz nach Mitternacht, im Hintergrund läuft RTL. Die Gäste stoßen an, fünf Männer und drei Frauen trinken. Dann bricht der “pure Horror” los, wie Restaurantleiterin Franziska Voigt beschreibt.

Auch sie hat genippt und spuckt die Flüssigkeit sofort wieder aus. Dann sackt sie zusammen. “Ich dachte, ich sterbe gerade. Ich bin wie in ein tiefes Loch gefallen”, erinnert sie sich. Erst am nächsten Tag wacht sie im Krankenhaus Amberg wieder auf. Sieben Gäste werden in Kliniken in der ganzen Oberpfalz gebracht. Für Harald Z. kommt jede Hilfe zu spät. Er stirbt im Klinikum Weiden an einer MDMA-Intoxikation.

Notärztin: „mein extremster Einsatz“

Gegen 0.30 Uhr setzt ein Gast einen Notruf ab, wenige Minuten später ruft er noch einmal an. Man möge alles schicken, was verfügbar ist. Rotes Kreuz, Polizei, Feuerwehr rücken an. Blaulicht erhellt den Unteren Markt. Die Lage ist völlig unklar. Es gibt mehrere Schwer- und Schwerstverletzte, die um ihr Leben ringen. Was ist die Ursache? Gas? Blausäure?

Die erfahrene Notärztin Gudrun Graf aus Neustadt/WN erlebt den “extremsten Einsatz” ihrer beruflichen Laufbahn. “Uns war sofort klar, dass Vergiftungen vorliegen. Aber nicht mit was.” Letztlich sei das im Einsatz “wurscht”: “Es gilt immer das Notfall-Abc.” Atemwege freimachen, Beatmen, Circulation (Herzdruckmassage). Noch heute denke sie oft an die Februarnacht. Allenfalls ein Salmonellen-Einsatz bei einer Hochzeit in Vohenstrauß in den 80er Jahren hatte ähnliche Dimension. Damals starb der Brautvater.

Die Familie des Verstorbenen gedachte am Sonntag, 12. Februar, mit einem Gottesdienst in seinem Heimatort Gleiritsch (Landkreis Schwandorf) an Harald Z.

Auch in Australien beschlagnahmte die Polizei pures MDMA, abgefüllt in Champagner-Flaschen.mFoto: Border Police Australien
Auch in Australien beschlagnahmte die Polizei pures MDMA, abgefüllt in Champagner-Flaschen.mFoto: Border Police Australien
Sperrzone
Sperrzone “La Vita”: In den Tagen nach dem Vorfall ging die Spurensicherung ein und aus. Foto: David Trott
OberpfalzECHO/David Trott
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Das La Vita am Unteren Markt machte 2022 unfreiwillig Schlagzeilen. Archiv: OberpfalzECHO/David Trott
Das La Vita am Unteren Markt machte 2022 unfreiwillig Schlagzeilen. Archiv: OberpfalzECHO/David Trott
OberpfalzECHO/David Trott
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Medienteams aus der ganzen Republik berichten vor den geschlossenen Türen des betroffenen Lokals. Der Ermittlungen dauern an. Foto: Beate Luber
Medienteams aus der ganzen Republik berichten vor den geschlossenen Türen des betroffenen Lokals. Der Ermittlungen dauern an. Foto: Beate Luber
Foto: David Trott
Restaurant La Vita lavita Weiden Innenstadt Altstadt
Restaurant La Vita lavita Weiden Innenstadt Altstadt
Restaurant La Vita lavita Weiden Innenstadt Altstadt
Restaurant La Vita lavita Weiden Innenstadt Altstadt
Medienteams aus der ganzen Republik berichten vor den geschlossenen Türen des betroffenen Lokals. Der Ermittlungen dauern an. Bild: Beate Luber

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