Christian Springer: Der wortgewandte Kabarett-Allrounder im Interview

Waldsassen. Christian Springer sorgte mit seinem Soloprogramm „nicht egal“ in der Stadthalle für erstklassige Unterhaltung. Wir hatten ihn im Gespräch.

Seinem neuen Buch
Seinem neuen Buch “Ich und der Russe” verdankt Christian Springer zahlreiche schlaflose Nächte. Foto: Peter Gattaut
Was eine Aktentasche mit einem Atomangriff zu tun hat, erklärte Christian Springer in seiner Bühnenshow. Foto: Peter Gattaut
Was eine Aktentasche mit einem Atomangriff zu tun hat, erklärte Christian Springer in seiner Bühnenshow. Foto: Peter Gattaut
Vielfältig - Aktuell - Zeitkritisch. So präsentierte sich Christian Springer auf der Bühne. Foto: Peter Gattaut
Vielfältig – Aktuell – Zeitkritisch. So präsentierte sich Christian Springer auf der Bühne. Foto: Peter Gattaut
Peter Gattaut
Peter Gattaut
Peter Gattaut

Trotz der aktuellen Krise und obwohl zweimal verschoben, besuchten mehr als 200 Besucher die Stadthalle Waldsassen, um das aktuelle Soloprogramm von Christian Springer „nicht egal“ live zu verfolgen. Scharfzüngig, aber niemals unter der Gürtellinie, scharfsinnig und überzeugend redegewandt sorgte der BR-schlachthof-Moderator in Waldsassen für erstklassige Unterhaltung.

Die Sehnsucht nach Idolen

Springer weiß, wovon er spricht, er ist zeitkritisch, hintergründig und immer auf dem neuesten Stand. Einige Sachen sind ihm eben „nicht egal“ und das muss aus ihm raus. Der bayerische Kabarettpreisträger 2013 redet gerne über sein Land, fordert das Vorleben statt Vorsagen und wünscht sich wieder richtige Vorbilder. Viele seiner vorgetragenen Beiträge sind historisch angereichert und gehen bis zur Evolutionsgeschichte zurück.

Er nimmt den Leuten die Angst vor einer Atombombenbedrohung, mit Auszügen aus einer Broschüre von 1962, die unter anderem beinhaltet, dass man auf keinen Fall in die Explosion schauen soll, eine lederne Aktentasche über dem Kopf Wunder bewirkt und wenn man im Auto sitzt, sofort rechts ran fahren und den Motor ausstellen muss.

„Der späte Wurm verarscht den Vogel“

Gerne erzählt er von seiner Jugendzeit, als er im heimischen Obstgeschäft mit seinem Bruder öfters mit anpacken musste. „Wir haben dort viel fürs Leben gelernt, Schmarrn, ein Scheißdreck war das damals für uns, wir hätten, wie alle anderen Kinder auch, viel lieber draußen Fußball oder etwas anderes gespielt“. Der bekennende 1860-Fan referierte über die werbewirksame Maßnahme der Rolling Stones damals von der Nazi-Fotografin Leni Riefenstahl Fotos machen zu lassen und kam zur Erkenntnis, dass ein bekanntes Sprichwort „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ eigentlich korrekt heißen müsste: „Der späte Wurm verarscht den Vogel“.

Ein publikumsnaher Künstler

In der frenetisch geforderten Zugabe zitierte der sympathische Kabarettist Passagen aus seinem neuen Buch „Ich und der Russe“ und gab Einblick über die Beweggründe seines Werkes. Ein rundum gelungener Auftritt eines publikumsnahen Künstlers, der vor und nach der Show immer gerne für einen Small-Talk mit den Zuschauern zu haben war.

Unser Fan-Star Reporter Peter Gattaut konnte mit Kabarett-Liebhaber und Springer-Fan Rainer Labitzke im Vorfeld mit dem BR-Moderator ein interessantes Interview führen.

Interview mit Christian Springer:

Lieber Herr Springer, gerade immer um die Zeit des Jahreswechsels gibt es viele zurückliegende Sketche und Beiträge mit Ihnen im Bayerischen Fernsehen zu sehen. Verfolgen Sie das akribisch oder interessiert Sie das überhaupt nicht?

Ich habe gar keinen Fernseher. Was ich sehen muss oder will, verfolge ich per PC oder Handy im Internet. Außerdem habe ich an Silvester Geburtstag, da wird mit Familie und Freunden „gescheit“ gefeiert und auf nichts anderes konzentriert.

Als sie damals im Jahre 2013, gemeinsam mit Michael Altinger, die Moderation vom „Schlachthof“ (früher Ottis Schlachthof) übernahmen, hatten Sie vorher Ottfried Fischers OK dazu eingeholt, ist das richtig? Wie kam es dazu und warum war Ihnen das so wichtig?

Ottfried Fischer war und ist für mich ein sehr wichtiger Kollege und Freund, der meinen Werdegang maßgeblich geprägt hat. Ich wirkte von Anfang an bei Ottis Schlachthof mit, sowohl als Autor und später auf der Bühne. Als er seinen Rücktritt bekannt gab und klar wurde, dass der BR die gleiche Lokalität für weitere Live-Sendungen beibehalten will, bekam ich ein Angebot, die Nachfolgesendung gemeinsam mit Michi Altinger zu moderieren. Mir war klar, dass ich dieses nur annehmen kann, wenn Ottfried damit einverstanden ist und ja, er war es.

Wie oft mussten Sie Ihr aktuelles Kabarettprogramm „nicht egal“ durch Corona bedingte Verschiebungen neu überarbeiten (Auch in Waldsassen heute ist es der dritte Anlauf), um Aktualität zu bewahren und wie genervt waren Sie davon?

Genervt gar nicht, das gehört schließlich zu meinem Beruf. Das Programm war für 2020 geplant, mittlerweile haben wir 2023. Da die politische Aktualität bei meinen Auftritten immer eine große Rolle spielt, landete letztendlich die ursprüngliche Version komplett im Papierkorb. Da der Titel „nicht egal“ nach wie vor passt, spiele ich jetzt eine mehrmals aktualisierte und überarbeitete Version, die sich aber je nach politischen Geschehnissen auch immer wieder verändern kann.

Sie schreiben neben Ihren Soloprogrammen und Beiträgen für den schlachthof auch Bücher über aktuelle Themen wie zuletzt über den Klimawandel und dem Putin-Überfall in der Ukraine, das beansprucht natürlich viel Zeit mit Recherche und Aufarbeitung. Wann hat Christian Springer mal frei und erholt sich oder lebt er generell auf der Überholspur?

Nein auf der Überholspur überhaupt nicht, ich bin kein Schnellfahrer, auch im Leben nicht. Ich habe das Glück einen Beruf zu haben, der mir sehr viel Spaß macht. Ich betrachte Schreiben nicht als schwere Arbeit. Auch das Recherchieren bereitet mir viel Freude. Bei meinem aktuellen Buch „Ich und der Russe“ hatte ich zuerst schlaflose Nächte, weil ich es noch nicht geschrieben habe, später dann wieder schlaflose Nächte, weil ich es geschrieben habe.

Sie packen auch an in Krisengebieten – zum Beispiel im Libanon und in Syrien – und organisieren Material-Transporte zu notleidenden Menschen. Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt und welche Verbesserungen würden Sie sich dabei wünschen?

Ich stamme aus einer friedvollen Familie. Mit Waffen kam ich niemals in Berührung. Ich habe damals auch meinen Wehrdienst verweigert. Natürlich war es für mich eine ganz neue Erfahrung, mit der Gewalt und Brutalität, die ein Krieg mit sich bringt, in den Krisengebieten konfrontiert zu werden. Seit 2012 gibt es jetzt die von mir gegründete Organisation „Orienthelfer e.V.“. Wir haben tolle Helfer und Helferinnen und arbeiten mit bekannten Fördervereinen wie „Sternstunden e.V.“ zusammen.

Es spenden Firmen aber auch Privatpersonen und es gibt viele Projekte, die wir schon unterstützt haben und auch weiterhin fördern werden. Trotz Rückschläge, als zum Beispiel im August 2022 unser Büro in Beiruter Hafen einer Explosion zum Opfer fiel, gibt es nur eine Devise: „Nie aufhören und weitermachen“. Ich würde mir wünschen, dass uns auch weiterhin viele Menschen so großartig unterstützen. Nähere Informationen gibt es unter www.orienthelfer.de.

Sie sind ein politisch interessierter Mensch mit großem sozialem Engagement. Gibt es eigentlich irgendein Thema, das Ihnen völlig, verzeihen Sie den Ausdruck, am A… vorbeigeht?

Mann-Frau Witze zum Beispiel, Antisemitismus oder alles was unter die Gürtellinie geht, da bin ich weg.

Welchen Ratschlag oder Lebensphilosophie wollen Sie unseren Lesern und Ihren zahlreichen Fans mit auf dem Wege geben?

Lasst euch niemals unterkriegen. Aufstehen, Abschütteln und weiter machen. Gerne zitiere ich auch meine Mama, die zu mir immer gesagt hat: „Wenn oaner hin gefalln is, dann gehst hi und hilfst ihm wieder auf“.

Werdegang Christian Springer:

Christian Springer wurde am Silvesterabend 1964 in München geboren. Über den Kinderchor der Bayerischen Staatsoper entdeckte er die Liebe für die Bühne und zur Satire. Er begann sein kabarettistisches Schaffen schon in der Gymnasialzeit, der zehn Jahre Zusammenarbeit mit Helmut Schleich folgten. Seit 1999 kannte man ihn als Bühnenfigur „Fonsi“, auf der Bühne und in den Sendungen des BR-Fernsehens vom Münchner Oktoberfest.

Im März 2014 feierte er Premiere mit seinem Programm „oben ohne“, in dem er sein altes Ego „Fonsi“ ablegte und erstmals als Christian Springer auf der Bühne stand. Seit Anfang 2013 ist Christian Springer an der Seite von Michael Altinger Gastgeber der monatlichen BR-Kabarett-Sendung “schlachthof”.

Humanitäres Engagement

Sein humanitäres Engagement manifestierte sich 2012 in der Gründung des Vereins Orienthelfer e.V., um die zahlreichen zivilen Opfer des syrischen Bürgerkrieges zu unterstützen. Unzählige Hilfslieferungen nach Syrien, Jordanien und vor allem in den Libanon hat er organisiert. Am 4. August 2020 wurde er persönlich von der katastrophalen Explosion am Hafen von Beirut betroffen. Seine Wohnung in Beirut sowie das Büro und andere Räumlichkeiten von Orienthelfer e.V. wurden komplett zerstört.

Zeitkritischer und Aktueller Autor

Christian Springer mischt sich auch über seine Bücher in die aktuellen Debatten ein: „Landesvater, cool down“, ein Brandbrief zur Flüchtlingskrise an den bayerischen Ministerpräsidenten oder „Wir müssen Freiheit aushalten“. Diese und seine Bücher über den Nahen Osten, „Wo geht’s hier nach Arabien“ und „Nazi, komm raus“ über seine jahrzehntelange geheime Suche nach dem NS-Massenmörder Alois Brunner in Syrien, dokumentieren, um was es Christian Springer geht: nicht nur reden, sondern selbst anpacken, für eine menschlichere Welt.

Sein allerneuestes Werk heißt „Ich und der Russe“ und ist ein klares Ja zur Unterstützung der Ukraine. Ein Werk für Menschen, die sich neben dem Tagesgeschehen, kompakt, aber trotzdem tiefgründig, informieren wollen.

* Diese Felder sind erforderlich.